Krieg in der Ukraine

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
theoderich
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von theoderich »

muck hat geschrieben: Mi 7. Aug 2024, 04:39Zur militärischen Lage Russlands, part trois:

Morosowsk sieht jetzt so aus:

Bild

Heiliger Bimbam.
Das Foto zeigt offenbar diese Befestigungen:

https://www.google.com/maps/place/48%C2 ... ?entry=ttu

muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Exakt, da ist die Munitionsniederlage des 559. Kampffliegerregiments in Rauch aufgegangen. Ebenfalls wurden eine Su-34 und das Fliegerleitzentrum des Fliegerhorsts zerstört, sowie die Infrastruktur schwer beschädigt (augenscheinlich u.a. Tower und Unterflurtanks). Das Regiment dürfte zumindest einige Tage nicht einsatzfähig sein.

Bemerkenswert ist, dass Morosowsk trotz der relativen Nähe zu ukrainisch kontrolliertem Gebiet (weniger als 300 km) anscheinend nur durch EloKa-Einheiten geschützt wurde. Aktive Flugabwehr scheint nicht oder nur in homöopathischen Dosen vorhanden gewesen zu sein. Das ist für mich völlig unverständlich und eigentlich nur durch einen Mangel an Flugabwehrsystem zu erklären. Die Basis ist nicht nur durch ukrainische Drohnen bedroht, sondern auch durch andere Wirkmittel (für Scalp/StormShadow gilt keine Beschränkung bezgl. des Einsatzes gegen russisches Gebiet).
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Zur operativen Lage:

Die ukrainische Gegenoffensive im Raum Kursk hat sich als erheblich erwiesen. Mittlerweile steht der größere Teil der 22. Mechanisierten Brigade auf russischem Gebiet und hat im Raum Sudscha 200 km² erobert. Bis 16:00h reichte der Vorstoß bis in Sichtweite von Korenewo (hier), nordwestlich von Sudscha (Quelle). Die Z-Blogger sind von Erfolgsmeldungen auf Panik umgeschwenkt, weil sich im Rücken des Vorstoßes mindestens 3 ukrainische Brigaden konzentrieren. Der Vorstoß zielt mittlerweile klar auf den Hauptort der Region, Rylsk (hier). Das Nahziel der Operation dürfte darin bestehen, die Russen zu zwingen, Kräfte von der Front zum Schutz der eigenen Grenzen abzuziehen. Zwar mangelt es den Russen nicht an Verteidigern, da Wehrpflichtige auf russischem Gebiet eingesetzt werden können, wohl aber an Material. Möglicherweise wurde sogar das Fernziel gefasst, sich dauerhaft auf russischem Gebiet festzusetzen und die Front um die ganze Ausbuchtung der Grenze von der Europastraße 101 bis Sudscha zu verkürzen.
theoderich
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von theoderich »

Ukraine conflict: UAV takes down helicopter in air-to-air first

https://www.janes.com/osint-insights/de ... -air-first
Lazarus
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Lazarus »

muck hat geschrieben: Do 8. Aug 2024, 00:43 Zur operativen Lage:

Die ukrainische Gegenoffensive im Raum Kursk hat sich als erheblich erwiesen. Mittlerweile steht der größere Teil der 22. Mechanisierten Brigade auf russischem Gebiet und hat im Raum Sudscha 200 km² erobert. Bis 16:00h reichte der Vorstoß bis in Sichtweite von Korenewo (hier), nordwestlich von Sudscha (Quelle). Die Z-Blogger sind von Erfolgsmeldungen auf Panik umgeschwenkt, weil sich im Rücken des Vorstoßes mindestens 3 ukrainische Brigaden konzentrieren. Der Vorstoß zielt mittlerweile klar auf den Hauptort der Region, Rylsk (hier). Das Nahziel der Operation dürfte darin bestehen, die Russen zu zwingen, Kräfte von der Front zum Schutz der eigenen Grenzen abzuziehen. Zwar mangelt es den Russen nicht an Verteidigern, da Wehrpflichtige auf russischem Gebiet eingesetzt werden können, wohl aber an Material. Möglicherweise wurde sogar das Fernziel gefasst, sich dauerhaft auf russischem Gebiet festzusetzen und die Front um die ganze Ausbuchtung der Grenze von der Europastraße 101 bis Sudscha zu verkürzen.
Ein klarer Punktesieg im Information-War. Ob es mehr als nur eine Ablenkung von den andauernden Misserfolgen im Donbas ist, wird sich noch zeigen. Die Truppe braucht aber auch gute Nachrichten und Erfolgsmeldungen und diese ist eine. Und perfekt als kurzer heftiger Schlag, der die Verwundbarkeit und Unzulänglichkeit der russischen Streitkräfte aufzeigt.

Dauerhaft besetzen? Mit welchen Kräften? Oder als Faustpfand für Friedensgespräche? Sind wir schon soweit?

Die wenigen Brigaden werden dringend an anderen Frontabschnitten benötigt, jede Frontverlängerung ist auf Dauer für Russland von Vorteil.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Lazarus hat geschrieben: Do 8. Aug 2024, 17:49 Die wenigen Brigaden werden dringend an anderen Frontabschnitten benötigt, jede Frontverlängerung ist auf Dauer für Russland von Vorteil.
Ja und nein. Die Ukrainer hatten eine strategische Reserve gebildet, die 12 Brigaden umfasste und monatelang nicht zum Einsatz kam. Natürlich würden diese Kräfte an der Front dringend gebraucht, aber manchmal muss man im Krieg halt etwas wagen. Es gibt hier eine Gelegenheit, erfolgreich Bewegungskrieg zu führen. Und, was noch wichtiger ist: Die Russen haben auf ihrem Gebiet natürlich personelle Überlegenheit, da sie dort Wehrpflichtige unbegrenzt einsetzen können. Doch mangelt es ihnen an Material, insbesondere an Panzern und Flugabwehr. Das muss nun von der Front abgezogen werden.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Der anfängliche Vorstoß diente wohl nur dazu, eine Lücke in die Kadyrowzy zu reißen, dann folgte das Öffnen der Blume durch die zweite Angriffswelle, also der in alle Richtungen auspilzende Durchbruch. Den Ukrainern stehen vier Brigaden zur Verfügung, die sich aber gewiss nicht alle auf russischem Gebiet befinden, also etwa 15.000-16.000 Mann.

Bild

Der Z-Blogger Rybar schildert die Lage wie folgt: Sudscha ist in ukrainischer Hand. Es gibt eine gehaltene Kernzone und drei Angriffsachsen entlang der Straßen, und zwar nicht nur nach Nordwesten, sondern auch nach Norden und Osten. Der weiteste Vorstoß reicht mittlerweile bis Ljubimowka (hier), auf halber Strecke zwischen Sudscha und Kursk.

Wenn man diese Angriffsachsen, die natürlich nicht stabil sind, mittrechnet, beträgt der Geländegewinn 1000 km².

Die Z-Blogger beklagen, dass die Ukrainer die völlige Herrschaft am Himmel hätten; sie gehen unter massiver Deckung durch Drohnen vor (ich habe Berichte gelesen, dass eine russische Kompanie von 90 (!) Kamikaze-Drohnen auf einmal angegriffen wurde).

Zugleich ist der Vorstoß durch mobile Flugabwehr gedeckt, es wurden mehrere russische Hubschrauber abgeschossen.

Mittlerweile fliehen die Einwohner von Lgow an der E38 (Quelle).

Auf Telegram kursieren Erlebnisberichte von Anwohnern der besetzten Gebiete. Insgesamt ist die Lage ruhig. Die Ukrainer bieten medizinische Hilfe an, ignorieren die Zivilisten aber ansonsten. Die Stimmung ist gedrückt, man rechnet nicht mit baldiger Hilfe aus Moskau (Quelle).

Die Ukrainer selbst äußern sich bemerkenswert wenig zur Lage. Selenskyj ließ heute Abend durchblicken, dass Russland nun spüre, was es heiße, Besatzung zu erdulden, aber das wird schwerlich der Sinn des Ganzen gewesen sein.

Wenn man bedenkt, wie weit Prigoschin mit 4.000 Mann kam … Ich denke, es wird den Ukrainern darum gehen, maximalen Schaden und maximale Unruhe zu stiften, sich dann auf eine gut verteidigbare Rückfallstellung zurückzuziehen und das russische Gebiet solange wie möglich zu halten, um russische Aufmerksamkeit von der Front abzulenken und das Gelände vielleicht sogar als Faustpfand einzusetzen.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Zum Vorstoß auf Kursk:

Die ukrainische 80. Luftlandebrigade ist wohl zum Angriff übergegangen. 'Forbes': "Dies ist kein bloßer Stoßtrupp. Es ist wirklich eine Invasion." (Quelle)

'Bloomberg' berichtet unter Berufung auf Insider, dass die ukrainische Truppenkonzentration bei Sumy durch die Russen durchaus aufgeklärt wurde, aber niemand den Mut hatte, es Putin zu sagen. Generalstabschef Gerassimow scheint angezählt. (Quelle)

Der australische Generalmajor a.D. Mick Ryan hält in einer Einschätzung für wahrscheinlich, dass es der Ukraine darum gehe, die russische Front im Norden zu schwächen und überdies vor dem Hintergrund der Rückschläge bei Nju-Jork die Deutungshoheit über den Konflikt zurückzuerlangen (vor allem hinsichtlich der westlichen Skepsis an einem ukrainischen Erfolg). Als Fernziel nimmt er die Erlangung von Faustpfändern an. Er glaubt hingegen nicht, dass die Invasion den Druck von dem heftig umkämpften Frontabschnitt nordwestlich von Donetsk nehmen wird. (Quelle)

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die militärisch sinnlos erscheinenden Vorstöße pro-ukrainischer russischer Freiwilligenverbände, die in den letzten zwölf Monaten mehrfach teils bis zu zehn Kilometer auf russisches Gebiet vordrangen, und zwar in derselben Gegend. Es erscheint nun möglich, dass diese Vorstöße die Russen für geringfügig scheinende Grenzverletzungen desensibilisieren sollten.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Zum ukrainischen Vorstoß auf Kursk:

Laut 'Rusich_Army', einem der größten russischen Z-Blogger-Kanäle, haben die Ukrainer starke Kräfte aufgebracht. Identifiziert wurden Kräfte der Mechanisierten Brigaden 22, 54, 61, 88 und 150, der 123. Heimatschutzbrigade, den Luftlandebrigaden 80 und 82, der 5. Sturmbrigade, sowie dreier Bataillone von Heimatschutz und Grenztruppen. Bemerkenswert ist, dass nur eine dieser Brigaden der strategischen Reserve angehört (150.), die Sukonkin im Frühjahr erwähnte. (Quelle) Es handelt sich mit Ausnahme der 82. sicher nur um Teile dieser Verbände, trotzdem ist die Offensive damit weit größer als angenommen. Ich kann nirgendwo Hinweise finden, dass Verbände, die diesen Brigaden unterstellt sind, sich derzeit anderswo im Gefecht befinden. Sie könnten also mit ihrem Ist-Personal- und Materialbestand zur Verfügung stehen.

Der Z-Blogger-Kanal 'Voenkor' sieht Anzeichen für eine zweite Angriffsachse auf der E38, die auf Kursk zielen soll. (Quelle)

Aus Stepanowka, 50 km von Sudscha entfernt (hier), werden große Brände infolge ukrainischen Beschusses gemeldet. (Quelle)

In der Defensive wird das russische Arbat-Bataillon eingesetzt, das durch Wagner-Söldner aus Weißrussland wieder aufgefüllt wurde. Es dürfte das erste Mal seit Juni 2023 sein, dass Wagner wieder an dieser Front eingesetzt wird. (Quelle)

Sukonkin und 'Zwei Majore' kritisieren offen die Informationspolitik der Regierung, sie habe Zivilisten großer Gefahr ausgesetzt. Ihre Lageeinschätzung ist pessimistisch: "In Erwartung von Stimmungsmache antworten wir, dass der Feind unsere vorbereiteten Stellungen besetzt hat, die Stärke an Personal und Material hoch ist und dass seine Luftabwehr funktioniert. Mit anderen Worten: Die Region kann nicht in einem halben Tag befreit werden, um es gelinde auszudrücken." (Quelle)

Zur Lage Russlands:

In der Nacht hat ein ukrainischer Drohnenangriff auf den russischen Fliegerhorst Lipetsk stattgefunden. Anwohner haben große Explosionen und Sekundärexplosionen gefilmt. (Quelle) Das Schadensbild könnte durchaus ähnlich ausfallen wie in Morosowsk.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Zur Lage in Russland:

Der Angriff auf den Fliegerhorst Lipetsk war erheblich, vier Dörfer in der Umgebung werden evakuiert, weil sie durch Kampfmittel bedroht sind, die durch die Sekundärexplosionen aus der Munitionsniederlage geschleudert wurden. (Quelle)

Das sieht aus wie in Morosowsk, die Munition wurde offenbar in gewöhnlichen Lagerhallen unter freiem Himmel gelagert, geschützt nur durch Erdwälle. Unverständlich bei solcher Nähe zur Front, aber auch eine Mahnung hinsichtlich der Möglichkeiten des Drohnenkriegs.
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