intransparentes Vorgehen bei Sky Shield-Plänen (16915/J)
1. In welcher Form nimmt Österreich nun konkret am "Europäischen Luftabwehrsystem" teil?
2. Welche Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten ergeben sich daraus für Österreich?
3. Ist es tatsächliche eine gemeinsame Kooperation zum militärischen Schutz des europäischen Luftraums oder ist es lediglich eine Beschaffungskooperation zum Ankauf von Waffensystemen zur Luftabwehr? Wie wird das sichergestellt?
4. Wenn es eine gemeinsame Kooperation zum Schutz des europäischen Luftraums ist, wo werden die Systeme stationiert?
5. Wer entscheidet über den Einsatz? Wird die österreichische Luftverteidigung in die NATO-Kommandostruktur eingebettet? Wenn ja, wie ist das mit der militärischen Neutralität vereinbar?
6. Wenn es nur eine Beschaffungskooperation ist, welche Anforderungen wurden durch die Experten des BMLV für so ein System formuliert und nach welchen Kriterien fand die transparente und nachvollziehbare Auswahl der anzuschaffenden Luftverteidigungssysteme statt?
13. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass zukünftige Beschaffungen den demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechen?
14. Wie ist die Kommandostruktur von Sky Shield aufgebaut?
Zu 1 bis 6, 13 und 14:
Hinsichtlich der beabsichtigten Teilnahme Österreichs an der European Sky Shield Initiative (ESSI) habe ich einen Letter of Intent (LOI) unterzeichnet, dessen Fokus auf der Beschaffung von Luftabwehrsystemen liegt. Aus dieser Absichtserklärung ergeben sich keine Verpflichtungen oder Verantwortlichkeiten für Österreich. Im Rahmen der ESSI obliegen die Beschaffung und Stationierung von Luftabwehrsystemen sowie die Befehlsgewalt über Luftabwehrsysteme ausschließlich dem jeweiligen teilnehmenden Staat im Rahmen seiner Souveränität. Synergien bei der Beschaffung von Rüstungsgütern sollen vor allem im Hinblick auf eine weitere Zusammenarbeit und finanzielle Vorteile genutzt werden; mögliche Beschaffungen in diesem Rahmen werden dem Vergaberecht entsprechend abgewickelt. Die Entscheidung über den Einsatz von Waffensystemen gegen Ziele im österreichischen Luftraum erfolgt ausschließlich national. Die Nutzung des österreichischen Luftraums durch andere Nationen würde eine Verletzung der österreichischen Lufthoheit und der Souveränität darstellen.
7. Gab es auch andere Kooperationsoptionen und wenn ja, wie erfolgte die Auswahl?
Zu 7:
Nein, es gab keine weiteren Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen der ESSI.
8. Welche transparenten und rechts sicheren Vergabeverfahren kamen bei der Auswahl zur Anwendung?
9. Warum wurde das Parlament nicht frühzeitig über die Absicht, Langstreckenraketen zu beschaffen, informiert?
12. Wie werden die Kosten für Sky Shield aktuell eingeschätzt, insbesondere nach den jüngsten Informationen über eine Kostensteigerung und wie setzen sich diese Kosten genau zusammen?
18. Durch wen und wann wurden im BMLV die Realisierungsziele, die zur Teilnahme an Sky Shield führten, erstellt und genehmigt?
19. Durch wen und wann wurde im BMLV die Vorhabensabsicht, die zur Teilnahme an Sky Shield führten, erstellt und genehmigt?
21. Welche anderen Optionen zur Schließung der Fähigkeitslücken für die bodengebundene Luftabwehr des Bundesheeres gab es?
22. Durch wen, wann und wie erfolgte die Bewertung der unterschiedlichen Optionen?
23. Hat es ein vergaberechtskonformes Vergabeverfahren gemäß Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit gegeben? Wenn nein, warum nicht?
24. Wie hoch sind die Kosten für die geplanten Ausbauschritte? Nach geplanten Anschaffungsjahren aufschlüsseln.
27. Stimmt die Information der Presse, dass Sie mit Deutschland darüber verhandeln, dass die Bundeswehr hochfliegende Geschosse über Österreich abschießen soll? Wird dafür eine finanzielle Kompensation angedacht?
Zu 8, 9, 12, 18, 19, 21 bis 24 und 27:
Bestehende Fähigkeitslücken der bodengebundenen Luftabwehr in den Wirkungsbereichen von kurzer bis großer Reichweite können nur durch Beschaffung der entsprechenden Rohrwaffen-, Drohnenabwehr- und Lenkwaffensysteme geschlossen werden. Für die Beschaffung von Luftabwehrsystemen kurzer und mittlerer Reichweite wurden im Aufbauplan ÖBH 2032+ bis zu 2,5 Mrd. Euro vorgesehen. Um eine transparente Auswahl der anzuschaffenden Luftverteidigungssysteme zu garantieren, werden die taktischen und funktionalen Anforderungen produktneutral in einer Vorhabensabsicht formuliert, die derzeit in meinem Ressort erstellt wird. Es wurde noch kein Vergabeverfahren eingeleitet; eine Aufschlüsselung der entsprechenden Kosten ist erst nach Abschluss der Kaufverträge möglich. Dem Aufbauplan ÖBH 2032+ ist auch die Intention zur Beschaffung von Langstreckenlenkwaffen zu entnehmen. Die Fähigkeit zur Abwehr von ballistischen Raketen und anderen Bedrohungen aus der Luft, die eine mittlere Reichweite übersteigen, wurde im Aufbauplan jedoch nicht vorgesehen, da die finanzielle Deckung dieses Vorhabens nicht gewährleistet werden konnte. Mit den nun geplanten Beschaffungen, insbesondere im Bereich der Mittel- und Langstreckenabwehr, soll Österreich zukünftig in der Lage sein, auf jegliche Bedrohungen eigenständig und wirksam zu reagieren.
10. Wie wird sichergestellt, dass Sky Shield mit den neutralitätspolitischen Grundsätzen Österreichs vereinbar ist, ohne umfassende Analyse des Verfassungsdienstes?
11. Ist eine umfassende Analyse des Verfassungsdienstes geplant, wenn ja wann, wenn nein warum nicht?
Zu 10 und 11:
Insbesondere auf Grund des abgegeben Neutralitätsvorbehaltes besteht sowohl in meinem Ressort als auch im Völkerrechtsbüro des Bundesministeriums für Europäische und Internationale Angelegenheiten Einigkeit darüber, dass alle bisher gesetzten Schritte zur beabsichtigten Teilnahme an der ESSI mit der österreichischen Neutralität vereinbar sind. Eine zusätzliche Befassung des Verfassungsdienstes war daher nicht notwendig. Selbstverständlich wird auch jede weitere Beteiligung an Entwicklungsschritten der ESSI neutralitätsrechtlich geprüft werden.
15. Gibt es spezifische Budgetgrenzen oder Kontrollmechanismen, um sicherzustellen, dass die Kosten im Rahmen bleiben?
Zu 15:
Die Vergabe erfolgt gemäß den ressortinternen Beschaffungsrichtlinien, die eine breite Einbindung unterschiedlichster Stellen, wie unter anderem der internen Revision, vorsehen. Zudem wird auch die wirkungsorientierte Folgeabschätzung mit dem Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport und dem Bundesministerium für Finanzen abgestimmt und die beabsichtigte Vergabe gemäß dem Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz im Landesverteidigungsbericht ausgewiesen, der jährlich dem Nationalrat vorzulegen ist.
16. Wie wird die finanzielle Verantwortlichkeit zwischen den beteiligten Ländern aufgeteilt, insbesondere im Hinblick auf unvorhergesehene Kosten?
17. Gibt es die Möglichkeit eines Ausstiegs aus Kaufverträgen mit der Bundesrepublik Deutschland, wenn diese keine transparente und nachvollziehbare Kaufentscheidung trifft, die erhöhte Kosten für Österreich bedeuten?
Zu 16 und 17:
Die Vorgehensweise der Vertragspartner bei der gemeinsamen Beschaffung im Rahmen der ESSI wird in einem Memorandum of Understanding (MoU) geregelt. Der Inhalt des MoU-Entwurfs wird derzeit in meinem Ressort geprüft.
20. Durch wen und wann wurde im BMLV die Kooperationsanalyse, die zur Teilnahme an Sky Shield führte, erstellt und genehmigt?
Zu 20:
Militärische Kooperationen bilden, insbesondere im Lichte der verfassungsmäßigen Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, ein Grundprinzip der österreichischen Verteidigungspolitik.
25. Welche Raketentypen sollen nach Ihrem aktuellen Plan angeschafft werden? Welche Fluglänge sollen diese haben? Wie hoch sind die Kosten für die verschiedenen Raketentypen gesamt? Wieviel kostet das System im Vollaufbau?
26. Sollen Raketenabwehrsysteme vom Typ Arrow 3 oder einem anderem System, die einen Radius von 200km Reichweite abdecken angeschafft werden? Wie hoch sind die Kosten für diesen Ausbauschritt?
29. Wie stellen Sie sicher, dass Österreich nicht zu hohe Kosten für das Sky Shield System entstehen? Werden Alternativen, wie die französischen Raketensysteme, die sich gerade in Entwicklung befinden geprüft?
Zu 25, 26 und 29:
Lenkwaffen im Wirkungsbereich weiter Reichweite werden von verschiedenen Herstellern produziert. Eine detaillierte Kostenerhebung erfolgt im Rahmen des Informationsaustausches mit relevanten Betreiberländern. Der konkrete Reichweitenbedarf wird im Rahmen einer Bedrohungsanalyse abgeleitet und festgelegt. Für das Schließen bestehender Fähigkeitslücken ist eine Bereitstellung nur von bereits eingeführten Systemen relevant. Eine gemeinsame Beschaffung der Lenkwaffensysteme im Rahmen der ESSI garantiert eine transparente und kosteneffiziente Abwicklung.
28.
Bis wann werden Sie dem Nationalrat das Haushaltsgesetz, das Sie im Ministerrat am Mittwoch angekündigt haben, vorlegen? Was soll dieses beinhalten?
Zu 28:
Dieses Gesetz soll die Beschaffung im Rahmen der ESSI normieren. Ziel dabei ist, die Darstellung des Systems, der zu beschaffenden Typen und der Beschaffungskosten sowie der Finanzierung. Da die Ausarbeitung derzeit noch in Arbeit ist, ersuche ich um Verständnis, dass ein konkreter Vorlagetermin noch nicht genannt werden kann.
30. Wird sich die Schweiz ebenfalls an der Anschaffung von Mittel- und Langstreckenraketen beteiligen?
31. Stehen sie mit der schweizerischen Verteidigungsministerin Lambrecht in regelmäßigem Austausch über die Sky Shield-Beschaffungen? Wie ist der Umsetzungsstatus des Projekts in der Schweiz?
Zu 30 und 31:
Ich habe gemeinsam mit meiner Schweizer Amtskollegin, Viola Amherd, den LOI und einen entsprechenden Neutralitätsvorbehalt unterzeichnet. Da diese Fragen darüber hinaus keinen Gegenstand der Vollziehung meines Ressorts darstellen, ist eine weitergehende Beantwortung nicht möglich.
https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/16915
An der Einleitung der Anfrage erkennt man wieder einmal das völlige Desinteresse, die Ahnungslosigkeit bezüglich der Rechtslage und die Inkompetenz der Nationalratsabgeordneten:
16915/J XXVII. GP hat geschrieben:Die Entscheidung von Verteidigungsministerin Tanner, Langstreckenluftabwehrraketen zu beschaffen, ohne das Parlament im Vorhinein einzubeziehen ist demokratiepolitisch bedenklich. Es ist daher von wesentlicher Bedeutung, dass die demokratischen Rechte gewahrt werden und das Parlament über die Angelegenheit im Vorfeld informiert wird und nicht über die Medien über eine Beschaffung in der Größenordnung von bis zu 7 Mrd. Euro erfahren muss.
16915/J XXVII. GP hat geschrieben:Eine parlamentarische Einbindung in diesem Prozess ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Interessen der Bevölkerung gewahrt bleiben und demokratische Kontrolle ausgeübt wird.