Krieg in der Ukraine

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
cliffhanger
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von cliffhanger »

muck hat geschrieben: Di 5. Sep 2023, 00:43 Nicht schon wieder dieses Thema!
Ausserdem handelt es sich um die Ukraine ... dort fällt das erst ercht nicht ins Gewicht (Tschernobyl) !
theoderich
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von theoderich »

Bodenschätze in der Ukraine: Ein Grund für den Krieg, über den kaum jemand spricht
Als Wladimir Putin am Vorabend der Invasion vor die Kameras trat, sprach er davon, dass der „Westen diesen Krieg losgetreten“ habe, dass in Kiew ein Hitler-gleiches Nazi-Regime herrsche, dass die Ukraine ohnehin „historisch russisches Gebiet“ sei.

Seitdem herrscht im Westen Einigkeit, dass Putins imperialer Ideologie Einhalt geboten werden muss. Es geht um das Recht zur Selbstverteidigung, sagte etwa der deutsche Kanzler Scholz, manchen um die Verteidigung der Demokratie per se.

Aber wirtschaftliche Interessen? Geostrategie? Globale Abhängigkeiten? All das spielt im öffentlichen Diskurs kaum eine Rolle.

Dabei ist die Ukraine „weltweit eines der attraktivsten Länder in puncto Bodenschätze“, sagt Olivia Lazard, die beim Brüsseler Thinktank Carnegie Europe zur Geopolitik des Klimawandels forscht. Lithium, Kobalt, Titan, Uran und eine Reihe seltener Erden lagern im Boden des Landes, dazu riesige Öl- und Gasvorkommen. Ihr geschätzter Wert: Mindestens 6,7 Billionen Euro. Ihr geostrategischer Wert: unbezahlbar.

Abhängiges Europa

Das weiß Russland – aber auch die EU. Nur wenige Monate, bevor die Panzer rollten, ging man eine wirtschaftliche Kooperation mit der Ukraine ein, um die riesigen Mengen kritischer Rohstoffe dort auszubeuten. Kurz danach wurde mit der Versteigerung der Abbaulizenzen begonnen.

„Krieg kann nie mit nur einer Begründung erklärt werden. Er ist immer das Ergebnis einer Vielzahl komplexer Faktoren und Motive. Aber Rohstoffe und andere Bodenschätze waren jedenfalls einer der Gründe für die Invasion“, sagt Lazard. Und mehr noch: „Die Ukraine ist sogar Teil einer größeren Strategie Russlands.“

Russland versucht schon seit mehr als einer Dekade, sich genau dort Einfluss zu sichern, wo jene teuren Ressourcen schlummern, die die Welt – und da vor allem der Westen – in den nächsten Jahren mehr und mehr brauchen wird. Rohstoffe, mit denen der Klimawandel bewältigbar scheint, die für Computer, Solarpaneele, E-Autos genauso nötig sind wie für klimafreundliche Energieversorgung oder Hightech-Militärgerät.

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So sei auch das Engagement Russlands in Afrika zu sehen, sagt Lazard. Die Wagner-Truppen wurden dort vordergründig mit dem Angebot aktiv, politische Verhältnisse zu stabilisieren und die Länder gegen angebliche „neokoloniale Bestrebungen Europas“ zu rüsten. Der angenehme Nebeneffekt für Russland: Abbaulizenzen für Gold – und für Rohstoffe, die Europa und die USA bitter nötig haben.

Ähnliches gilt wohl auch für die Ukraine. Lazard mutmaßt, dass der Kreml schon 2014 davon getrieben war, sich neben politischer auch wirtschaftliche Macht zu sichern. Damals spielte vor allem Gas eine Rolle; im Schwarzen Meer okkupierten die Russen Gas- und Ölplattformen, seit der Invasion 2022 kontrollieren sie fast alle ungehobenen Ressourcen im Wasser, geschätzt mehr als zwei Milliarden Kubikmeter Gas. Besonders große Reserven vermutet der Konzern Naftogaz, der vor dem Krieg mit einer OMV-Tochter kooperierte, um die Schlangeninsel – das Eiland vor Odessa, das Russland zu Kriegsbeginn schlagzeilenträchtig besetzte.

Rohstoffreicher Donbass

Heute gehe es dem Kreml eher um seltene Ressourcen, sagt Lazard. In der Ukraine gebe es 20 jener 30 Rohstoffe, die die EU als kritisch einstuft. Die meisten davon – speziell das für Batterien nötige Lithium – lagern dort, wo heute Moskau herrscht: im Osten, in den annektierten Gebieten.

Fünf bis zehn Prozent der globalen Lithiumreserven sind dort zu finden, schätzen die USA. Genauere Zahlen hat wohl Moskau: „Russland hat geologische Informationen über die Rohstoffe in den Ex-Sowjetrepubliken“, sagt die Expertin – Wissen, das heutzutage aus gutem Grund wie ein Staatsgeheimnis gehütet wird.

Während Russlands Griff nach Ressourcen in der Ukraine heftig debattiert wird – man erinnere sich an den Oligarchen Dmytro Firtasch, der die größten Titanreserven des Landes hielt und dem die Kooperation mit Moskau zum Verhängnis wurde –, wird dieser Faktor im Westen eher vernachlässigt. Warum, ist für Lazard kaum nachvollziehbar, zumal Russland seine Ziele sogar selbst formuliert hat: Schon in Strategiedokumenten aus 2009 ist zu lesen, dass Moskau dem Klimawandel vor allem wirtschaftlichen Nutzen ziehen will – indem es massive Abhängigkeiten bei kritischen Gütern schafft. Dass Putin die Erderhitzung zeitgleich leugnet, passt durchaus ins Bild: „Folgt man dieser Logik, glaubt er, dass der Klimawandel die ‚natürliche‘ Vormachtstellung Russlands als Supermacht wiederherstellen wird.“

Die Strategie, durch Abhängigkeiten Erpressungspotenzial zu schaffen, kann man jetzt schon beim Getreide beobachten. Spüren werde die Welt das aber auch bei der Atomenergie, sagt die französische Forscherin. 50 Prozent aller neuen AKW weltweit würden mit russischem Know-how errichtet, das erzeuge vor allem im globalen Süden Abhängigkeiten über Jahrzehnte. Möglich hält die Expertin das auch beim Wasser. Russland hält schon jetzt 20 Prozent der globalen Wasservorkommen, in Afrika hat Moskau mit hydrologischen Forschungsprojekten begonnen, und die Ukraine gilt ohnehin als eines der fruchtbarsten Gebiete der Welt – auch wegen ihres Wassers.

Dass hierzulande kaum über diese bewusst herbeigeführten Abhängigkeiten diskutiert wird, auch Brüssel das vernachlässige, kritisiert Lazard darum scharf. „Europa muss sich zusammenreißen. Es sieht den Sturm nicht, der da auf uns zukommt.“
https://kurier.at/politik/ausland/boden ... /402582275


Russia’s Lesser-Known Intentions in Ukraine (14. Juni 2022)

https://carnegieeurope.eu/strategiceurope/87319


In diesem Zusammenhang interessant. Russland hat Zirkonkonzentrat aus der Ukraine importiert:

Ерёмин Н.И.: ЛИТИЙ, БЕРИЛЛИЙ И ЦИРКОНИЙ КАК СТРАТЕГИЧЕСКОЕ МИНЕРАЛЬНОЕ СЫРЬЕ ЯДЕРНОЙ ЭНЕРГЕТИКИ [Lithium, Beryllium und Zirkon als strategische Mineralien der Atomenergie]
Цирконовый концентрат РФ импортирует из Украины.
https://conf.msu.ru/file/event/5604/eid ... 57b4d9.pdf


ПРАВИТЕЛЬСТВО РОССИЙСКОЙ ФЕДЕРАЦИИ (Moskau, 22. 12. 2018)
p. 4-5 hat geschrieben:К третьей группе относятся дефицитные полезные ископаемые, внутреннее потребление которых в значительной степени обеспечивается вынужденным импортом и (или) складированными запасами. К этой группе относятся полезные ископаемые, минерально-сырьевая база которых в России характеризуется преимущественно низким качеством (уран, марганец, хром, титан, бокситы, цирконий, бериллий, литий, рений, редкие земли иттриевой группы, плавиковый шпат, бентониты для литейного производства, полевошпатовое сырье, каолин, крупнолистовой мусковит, йод, бром, оптическое сырье).
http://static.government.ru/media/files ... zY14VE.pdf

In dieser Strategie werden die Mineralien, die für die russische Wirtschaft von Bedeutung sind, in drei Gruppen aufgeteilt:
  1. Mineralien, deren Reserven bei jeder denkbaren wirtschaftlichen Entwicklung den Bedarf bis 2035 und darüber hinaus decken werden (Erdgas, Kupfer, Nickel, Zinn, Wolfram, Molybdän, Tantal, Niob, Kobalt, Scandium, Germanium, Platinmetalle, Apatit, Eisenerz, Kalium, Kohle, Zement)
  2. Mineralien, deren Bedarf von den bis 2035 in Entwicklung befindlichen Vorkommen nicht in ausreichendem Maß gedeckt wird (Öl, Blei, Antimon, Gold, Silber, Diamanten, Zink, besonders Quarz)
  3. Mineralien, deren Bedarf vorwiegend durch Importe und/oder eingelagerte Vorräte gedeckt wird und deren Vorkommen in Russland von niedriger Qualität sind (Uran, Mangan, Chrom, Titan, Bauxit, Zirkon, Beryllium, Lithium, Rhenium, Seltene Erden aus der Yttriumgruppe, Feldspat, Kaolin, Muskovit, Jod, Brom, Rohstoffe für optische Anwendungen)
Gleichzeitig gibt es in verschiedenen Regionen Russlands einen Mangel an Kohlenreserven (europäischer Teil Russlands, Ural), Eisenerz (Ural, südliches Westsibirien), Phosphaterzen und Kalium (Nordkaukasus, Zentrale Schwarzerderegion, Wolgaregion).


Und die USA sind ebenfalls bei gewissen Rohstoffen in hohem Maß von Lieferungen aus der Ukraine abhängig:

Multi-Year Program Plan for Division of Minerals Sustainability (October 2021)

https://www.energy.gov/sites/default/fi ... 21_0.pdf#4


U.S. Department of the Interior/U.S. Geological Survey (Hrsg.): Mineral Commodity Summaries 2023

https://pubs.usgs.gov/periodicals/mcs2023/mcs2023.pdf

Die Ukraine gehört zu den Hauptlieferanten der USA für Gallium und Titan und hat von diesen Rohstoffen im Jahr 2022 offenbar jeweils über 50 % des Bedarfes bereitgestellt. Diesem Dokument zufolge war die Ukraine bis zum Krieg auch die Hauptquelle der russischen Industrie für Titankonzentrate.

LIVENTSEVA Hanna: THE MINERAL RESOURCES OF UKRAINE, in: TIERRA Y TECNOLOGÍA Nº 59 (17. 5. 2022)

Bild
https://www.icog.es/TyT/index.php/2022/ ... f-ukraine/


https://rmis.jrc.ec.europa.eu/country-s ... hes-be01b6
Zuletzt geändert von theoderich am Do 7. Sep 2023, 01:25, insgesamt 1-mal geändert.
anastasius
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von anastasius »

theoderich hat geschrieben: Di 5. Sep 2023, 17:51 Bodenschätze in der Ukraine: Ein Grund für den Krieg, über den kaum jemand spricht

Sehr spannend!

Die Böden in den besetzten Gebieten sollen ja schon unter Putins Oligarchen aufgeteilt sein.
muck
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

anastasius hat geschrieben: Di 5. Sep 2023, 20:55Die Böden in den besetzten Gebieten sollen ja schon unter Putins Oligarchen aufgeteilt sein.
Prigoschin hatte das im Juni bereits enthüllt, und auch Namen genannt. Freilich war er selbst beteiligt, er soll Interesse an Bodenschätzen im Raum Bachmut gehabt haben.
7L-WF
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von 7L-WF »







theoderich
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von theoderich »

MSPO 2023: Luch Design Bureau confirms use of Skif-M by Ukrainian forces
The Ukrainian armed forces have received the Skif-M anti-tank guided missile (ATGM) system, a spokesperson for the Luch Design Bureau told Janes at the MSPO 2023 defence exhibition in Kielce, Poland.

The Skif-M was unveiled in 2022 and is an upgraded version of the Skif system. Known as the Stugna-P in Ukrainian service, the Skif ATGM has been in use with the Ukrainian armed forces since 2018, and has also been exported to eight countries.

Improvements brought to the Skif-M include a lighter-weight tripod, a revised traverse and elevation housing, a new lightweight remote-control panel, new batteries to power the launcher and remote-control panel, and the new PN-U sighting and guidance unit (SGU). The SGU includes a laser rangefinder, which was incorporated following requests from Ukrainian forces. Experience from combat in Ukraine demonstrated that the risk of the laser unit being detected was low, as Russian forces did not seem to equip many of their vehicles with laser warning receivers.
https://www.janes.com/defence-news/weap ... ian-forces


“SKIF” man portable antitank missile system

Bild
https://www.luch.kiev.ua/en/production/ ... ile-system

https://www.luch.kiev.ua/en/catalogue-of-product
theoderich
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von theoderich »

theoderich hat geschrieben: Di 7. Mär 2023, 22:24 Ukraine verschärft die 155-Millimeter-Krise der EU
Dieses Problem ist in Brüssel spätestens seit Mai vorigen Jahres ein Thema. Damals warnte Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, die Mitgliedstaaten davor, dass ihre ohnehin schon dürren Munitionsarsenale sich durch die Hilfe für die Ukraine rasant leerten. Doch geschehen ist seither wenig. So legte die Europäische Kommission im Juli den Vorschlag auf den Tisch, in den Jahren 2022 bis 2024 eine halbe Milliarde Euro aus dem Unionsbudget dafür einzusetzen, um Gruppen von zumindest drei Mitgliedstaaten zu fördern, um die Fertigung und Lieferung von Artilleriemunition zu modernisieren. Dieser Gesetzesvorschlag hängt acht Kriegsmonate später noch immer im Europaparlament fest. Erst im April plant es darüber abzustimmen, die Einigung mit den Mitgliedstaaten dürfte nicht vor Ende Juni erfolgen, erfuhr „Die Presse“ unlängst.
Parlament billigt gemeinsame Rüstungsbeschaffung

https://orf.at/#/stories/3330934/


Stärkung der EU-Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung

https://www.europarl.europa.eu/news/de/ ... eschaffung


Zuletzt geändert von theoderich am Fr 6. Okt 2023, 23:24, insgesamt 1-mal geändert.
cliffhanger
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von cliffhanger »

Anscheinend gehn den Russen die Ideen aus ....

https://x.com/nexta_tv/status/1701982327516147976?s=20

... das erste mal seit langem das ein Russe ehrlich ist...
maro-airpower
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von maro-airpower »

Bilder der Drohnen die das S400 auf der Krim zerstört haben.

Sensorabdeckung und Abwehr von low and slow moovern....

theoderich
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Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von theoderich »

Ukraine lessons: is bringing an attack helicopter to a missile fight too dangerous?
Why has Russia lost so many helicopters in Ukraine?

When Russian rotorcraft have been active over Ukraine, they have generally performed in small groups with little apparent coordination and forward air control (FAC) has been noticeably lacking. Helicopters have been seen pitching up rapidly from over their own lines to fire rockets in a vague direction before dropping down while turning back.

This latterly ineffective approach provides clues as to the problems suffered by Russian forces (and some solutions found). As this piece was being written, the Ukrainian counter-offensive was making slow progress, and the effectiveness of Moscow’s attack helicopters appears to have increased.
Russian helicopters have overwhelmingly fallen at the hands of ground forces using SHORADS, machine guns and anti-armour rockets. This massive firepower direction is another part of the lesson concerning what attack helicopters can and cannot do.

During the first few months, the Ka-52, fast but relatively lightly armoured, operated tens of kilometres behind enemy lines on ‘armed reconnaissance’ flights, looking for known targets and those of opportunity, utilising speed and surprise.

Ukraine’s air defences proved extremely mobile, frequently surprising Ka-52 crews. The former could not easily be located and – being mostly passively guided – could shoot first. Plus, the distance from Russian lines meant a damaged aircraft had less chance of getting home.

What has Russia done to reduce helicopter losses?

By this summer, less ambitious Russian operations, stretched Ukrainian forces and a paucity of air defence units have reduced losses. Russian fast jets appear to have stepped up SEAD/DEAD activity, further reducing the threat to attack helicopters.

Night attacks have increased, making use of the Ka-52’s comparatively advanced all-weather capabilities. Finally, a combination of slightly newer helicopters and a Darwinian effect on Russian crews has likely increased survivability, and concurrently their destruction of Ukrainian air defences.

In short, they have become more realistic, more creative, more capable and have better managed their impact-versus-risk calculation.

As a counterpoint, the heavier Mi-28 seem to have suffered fewer casualties and seen less operational changes. These are used in a more conservative role as ‘flying artillery’ and closer to home, and their heavier construction and armour reduce vulnerability.
https://www.shephardmedia.com/news/air- ... dangerous/
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