Entwicklungen Luftraumüberwachung

Flächenflugzeuge, Hubschrauber, Großgerät, Fliegerhorste, ...
maro-airpower
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von maro-airpower »

muck hat geschrieben: Fr 19. Mai 2023, 23:45 Ich verstehe den Einwand nicht, @maro-airpower.

Flugabwehrsysteme wie Patriot oder IRIS-T SL_ verfügen über Bedrohungsdatenbanken.

Wenn Österreich die fliegende Komponente seiner Luftstreitkräfte nicht derart aufstockt, dass die entsprechenden Wirkmittelträger schon auf große Distanzen abgewehrt werden können, muss eine entsprechende bodengebundene Fähigkeit zur Abwehr der Wirkmittel geschaffen werden.

Idealerweise in dem Ausmaß, dass zumindest die Ballungsräume der fünf östlichen Bundesländer geschützt sind.
Und womit befüllt man sie...die Bedrohungsdatenbanken?

So einen Schutz schafft aktuell mit all den Mitteln nicht mal die Ukraine. Die bekommt aktuell täglich ~40 Marschflugkörper und ~30 schießt sie ab. Tendenzen steigend.

Polen beschafft übrigens schwedische AEW&C....bessere Vorwarnzeiten bekommt man nur mit luftgestützten Sensoren.
muck
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von muck »

maro-airpower hat geschrieben: Fr 26. Mai 2023, 22:06So einen Schutz schafft aktuell mit all den Mitteln nicht mal die Ukraine. Die bekommt aktuell täglich ~40 Marschflugkörper und ~30 schießt sie ab. Tendenzen steigend.
Wie wollen Sie auch mit zwei Feuereinheiten IRIS-T SLM und drei Feuereinheiten Patriot sowie ein paar FlakPz Gepard ein Land von der Größe der Ukraine schützen? Wenn Sie Glück haben, decken Sie damit den Großraum Kiew komplett ab.
maro-airpower hat geschrieben: Fr 26. Mai 2023, 22:06Polen beschafft übrigens schwedische AEW&C....bessere Vorwarnzeiten bekommt man nur mit luftgestützten Sensoren.
Polen ist wesentlich größer als Österreich, hat große Territorialgewässer und grenzt an potentiell feindliche Staaten.
opticartini
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von opticartini »

muck hat geschrieben: Fr 19. Mai 2023, 20:45 gekürzt
Tatsache ist dass Erdkampfflugzeuge nicht überschallschnell fliegen können müssen. Ein Erdkampfflugzeug ist kein Kampfbomber.

In extrem bedrohten Umfeld wird Österreich ohnehin keine Kampfflugzeuge einsetzen können, egal welche, da wir nicht die Quantität und die psychologische Resilienz der Russen (oder auch der Ukrainer) haben, um Verluste als Normalität eines Kriegs wegstecken zu können. Allerdings gibt es zwischen totalem Krieg und Weltfrieden auch Zwischenzustände.
Verweigerer hat geschrieben: Do 25. Mai 2023, 22:26 Ich vermeine, dass ebenso Leonardo nicht gerade hinausposaunt, mit der M-346FA jetzt DEN Hilfsjäger schlechthin produziert zu haben.
Ja, der "sales pitch" auf deren Webseite lautet:

The M-346FA (Fighter Attack) is a ‘light combat’ version of the M-346 advanced trainer with multi-role capabilities including close air support missions, even in urban areas, battlespace air interdiction for national defence and tactical reconnaissance.

In der Broschüre steht:

The M-346FA is equally well suited to air-to-ground (CAS/COIN and Interdiction with Precision Guided Munitions), air-to-air (air policing and homeland defence) and tactical reconnaissance missions.

Aber für die Medien ist alles was nach Kampfflugzeug aussieht automatisch auch ein Jagdflugzeug.
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von Verweigerer »

opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 12:41 Aber für die Medien ist alles was nach Kampfflugzeug aussieht automatisch auch ein Jagdflugzeug.
Leider wahr. Bis auf ein paar wenige Qualitätsmedien.
muck
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von muck »

opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 12:41 Tatsache ist dass Erdkampfflugzeuge nicht überschallschnell fliegen können müssen. Ein Erdkampfflugzeug ist kein Kampfbomber.
Ich verstehe den Einwand nicht. Erdkampfflugzeuge sind langsam, deshalb verwundbar und werden von den meisten Luftwaffen deshalb für obsolet gehalten. Bewaffnete Strahltrainer für den Erdkampf werden heute im Prinzip nur von solchen Staaten gekauft, die durch bewaffnete Gruppierungen im Inland bedroht sind.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 12:41In extrem bedrohten Umfeld wird Österreich ohnehin keine Kampfflugzeuge einsetzen können, egal welche, da wir nicht die Quantität und die psychologische Resilienz der Russen (oder auch der Ukrainer) haben, um Verluste als Normalität eines Kriegs wegstecken zu können. Allerdings gibt es zwischen totalem Krieg und Weltfrieden auch Zwischenzustände.
1. Welche "Zwischenzustände" erwarten Sie, wenn nicht asymmetrische Konflikte, die sich eher im Ausland zutragen würden? Würde Österreich M-346 auf dem Balkan gegen eine UÇK 2.0 einsetzen?

2. Österreich ist von Freunden und Verbündeten umgeben. Die einzige halbwegs realistische konventionelle militärische Bedrohung Österreichs besteht auf absehbare Zeit in einem Angriff Russlands auf die Staaten Westeuropas mit dem Ziel, die Grenzen von 1989 wiederherzustellen. In dem Falle müsste man sich auf einen Konflikt mit einem technisch gleichwertig oder überlegen ausgestatteten Gegner einstellen.

3. Ist es wirklich sinnvoll, die von Ihnen geschilderte Mentalität zur Prämisse der eigenen militärischen Planung zu machen?

4. Wenn, wie Sie sagen, die Österreicher militärische Verluste im Kriegsfall scheuen würden, dann wäre es doch sicherlich sinnvoll, auf Systeme mit hoher Überlebensfähigkeit zu setzen. Die M-346 erfüllt dieses Kriterium meines Erachtens nicht.
Verweigerer hat geschrieben: Do 25. Mai 2023, 22:26 Ich vermeine, dass ebenso Leonardo nicht gerade hinausposaunt, mit der M-346FA jetzt DEN Hilfsjäger schlechthin produziert zu haben.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 12:41Ja, der "sales pitch" auf deren Webseite lautet:

The M-346FA (Fighter Attack) is a ‘light combat’ version of the M-346 advanced trainer with multi-role capabilities including close air support missions, even in urban areas, battlespace air interdiction for national defence and tactical reconnaissance.

In der Broschüre steht:

The M-346FA is equally well suited to air-to-ground (CAS/COIN and Interdiction with Precision Guided Munitions), air-to-air (air policing and homeland defence) and tactical reconnaissance missions.

Aber für die Medien ist alles was nach Kampfflugzeug aussieht automatisch auch ein Jagdflugzeug.
Also, ich würde da schon eine Bewerbung als "Hilfsjäger" aus dem Werbematerial herauslesen.

Die Eignung des Flugzeugs für "air-to-air" ist indes mehr als fraglich. Es fehlt an weitreichenden Sensoren und BVR-Lenkwaffen. Im WVR-Regime besitzt das Flugzeug nicht die Eigenschaften, um gegen moderne Mehrzweckkampfflugzeuge im Kurvenkampf zu bestehen – was angesichts der Verwundbarkeit auf weite Distanzen eine akademische Überlegung ist.

Und dass die Idee, Luftpolizeiaufgaben mit einem subsonischen* Muster durchzuführen, allenfalls in Einzelfällen durchführbar ist – was wiederum die Frage aufwirft, ob es wirtschaftlich wäre, eine solche Nischenlösung eigens anzuschaffen –, haben wir oft genug diskutiert. Mir scheint, einen "Hilfsjäger" anzuschaffen wäre etwa so, wie eigens einen Zweitwagen kaufen, um morgens damit die fünf Minuten zum Bäcker zurückzulegen. (* Die M-346 kann die Schallmauer im Horizontalflug nicht durchbrechen, dies ist nur ohne Unterflügellasten und im Sinkflug möglich.)
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von Verweigerer »

Ja aber die Geschwindigkeit im Sturzflug war jetzt auch noch nie ein entscheidendes Erfüllungskriterium. Seien wir uns ehrlich. Warum also jetzt ins Treffen führen;-)

Und dann schreiben Sie wieder von befreundeten Nachbarstaaten, außer Ungarn schert mal wieder aus. Was jetzt? Wie man‘s macht ist es scheinbar falsch.

Bitte nicht falsch verstehen, mir gefallen Einwände, konstruktive Kritik und harte Bandagen. Aber Österreich wäre nicht Österreich, wenn alles auf Anhieb jedem in der Beschaffung und vom Grundgedanken her gefallen würde. Wir feilschen da um Nuancen. Auf höherem Niveau, kann man ruhig mal sagen;-)
muck
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von muck »

Wenn Ungarn aus der NATO austräte, würde sich die militärische Topographie des östlichen Mitteleuropa in der Tat entscheidend verändern, wie eine ISW-Studie zur Rolle Ungarns und der Türkei kürzlich ergab. Dann würde sich die österreichische Regierung wahrscheinlich gezwungen sehen, mehr in die eigene Verteidigung zu investieren, auch in Flugzeuge. Ich meine mich zu erinnern, eine solche Entwicklung sei als explizites Beispiel für eine Situation genannt worden, in der sich Wien entschließen könnte, F-35 zu kaufen.

Es sei denn, natürlich, es befänden sich gerade Akteure wie Kickl oder auch Doskozil in der Regierung, die mit Orban zusammenarbeiten wollen.
opticartini
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von opticartini »

muck hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 17:05 gekürzt
- Russland war nie und wird speziell jetzt in den nächsten Jahrzehnten zu keinem konventionellen Angriff auf Westeuropa in der Lage sein. Eher werden sie mit Gruppen wie "Wagner" oder ähnlichen paramilitärischen Organisationen dort für Unruhe sorgen, wo man sie lässt.

- Mit dem Argument "von Gerät XY wird in der Ukraine viel zerstört, also ist es eh nutzlos" können wir gleich das halbe Bundesheer abschaffen.

- Eine voll ausgestattete M-346FA (siehe weiter vorne) ist air-to-air unseren (überschallschnellen!) Eurofightern oder auch den (überschallschnellen!) ukrainischen MiG-29 überlegen. Und zwar BVR und WVR. MRAAM (Medium Range Air-to-Air Missile) können laut Hersteller mit den M-346 verwendet werden, z. B. AIM-120 oder Meteor fallen in diese Kategorie. Und beim "Kurvenkampf" ist es mit modernen Kampfflugzeugen wie M-346 nicht nötig, die Nase des Flugzeugs zum Gegner zu drehen, um einen Abschuss zu erzielen. Aber dadurch dass - wie von mir bereits erwähnt - derartige Systeme sinnvollerweise nicht als isoliertes System betrieben werden sollten, ist es heutzutage weniger entscheidend was ein einzelnes System kann, sondern was der Verbund leistet, in den dieses System eingebettet ist.

- Ich frage mich welchen Fetisch du bezüglich Überschall hast? Ein Flugzeug mit Mach 0.95 ist schlecht, eines mit Mach 1.05 ist dann plötzlich gut, weil Hauptsache Überschall oder wie?

- Die T-7 bzw. zukünftigen F-7 Red Hawk schaffen etwas mehr als Überschall. Sind sie deswegen als Erdkampfflugzeuge besser geeignet als M-346?

- Gegen langsam und niedrig fliegende Objekte wie UAVs, Hubschrauber, Leichtflugzeuge ist M-346 bestens als Jagdflugzeug geeignet, auch Marschflugkörper und manche Kurzstreckenraketen lassen sich damit abschießen. Und diese werden in Zukunft die realistischere Bedrohung sein als russische SU-35.

- Tatsache ist, dass wir keine 40 Eurofighter oder F-35 erhalten werden. Das ist unrealistisch. Tatsache ist weiters, dass es Nachfolger für Saab-105 und in weiterer Folge PC-7 braucht. Das Bundesheer ist nicht daran interessiert, die Aufgaben, die die gerade genannten Flieger erfüllten bzw. erfüllen zu verlieren oder weiter einschränken zu müssen. Ergo ist es erforderlich, dass diese zweite Flugzeugflotte mindestens diese Aufgaben übernehmen kann, im Idealfall noch mehr. So simpel ist es. Alles andere ist sinnbefreites Herumeiern.
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von theoderich »

opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52- Eine voll ausgestattete M-346FA (siehe weiter vorne) ist air-to-air unseren (überschallschnellen!) Eurofightern oder auch den (überschallschnellen!) ukrainischen MiG-29 überlegen. Und zwar BVR und WVR.
Es ist beim Eurofighter des österreichischen Bauzustandes mit gewissen Anpassungen (definitiv bei der Software, aber wahrscheinlich auch hardwareseitig) sowohl die Integration der AIM-120C8 als auch des digitalen Modus der IRIS-T möglich. Zu behaupten, eine M-346 wäre "unseren (überschallschnellen!) Eurofightern" überlegen trifft nur auf die aktuelle durch die Politik kastrierte Ausstattungskonfiguration zu!
muck
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Re: Entwicklungen Luftraumüberwachung

Beitrag von muck »

opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52Russland war nie und wird speziell jetzt in den nächsten Jahrzehnten zu keinem konventionellen Angriff auf Westeuropa in der Lage sein. Eher werden sie mit Gruppen wie "Wagner" oder ähnlichen paramilitärischen Organisationen dort für Unruhe sorgen, wo man sie lässt.
Vor zwei Jahren verkündeten angeblich ernstzunehmende Experteni noch, dass von Russland keine militärische Gefahr für Westeuropa ausgehe. Ich wäre mit solchen Ankündigungen vorsichtig, zumal sie eine rationale strategische Planung unterstellen, die im Falle des Ukrainekriegs nicht stattgefunden hat. Stattdessen gaben ideologische Gesichtspunkte den Ausschlag.

Und dass Russland "nie" zu einem Angriff auf Westeuropa in der Lage gewesen sei, halte ich für ein Gerücht.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52Mit dem Argument "von Gerät XY wird in der Ukraine viel zerstört, also ist es eh nutzlos" können wir gleich das halbe Bundesheer abschaffen.
Aber Sie waren es doch, der das Argument eingeführt hat, dass die Österreicher Verluste scheuen würden. Wenn Sie dieses Argument für entscheidungserheblich halten, müssten Sie eigentlich die Beschaffung von Plattformen geringer Überlebensfähigkeit ablehnen. Ich weiß wirklich nicht, worüber wir uns hier streiten.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52 Eine voll ausgestattete M-346FA (siehe weiter vorne) ist air-to-air unseren (überschallschnellen!) Eurofightern oder auch den (überschallschnellen!) ukrainischen MiG-29 überlegen. Und zwar BVR und WVR. MRAAM (Medium Range Air-to-Air Missile) können laut Hersteller mit den M-346 verwendet werden, z. B. AIM-120 oder Meteor fallen in diese Kategorie.
Warum also flotten die Luftwaffen dieser Welt ihre teuren Mehrzweckkampfflugzeuge wie die Typhoon nicht aus, um sie durch die billigere und angeblich überlegene M-346 zu ersetzen? Sie müssen doch selber merken, dass Ihr Argument nicht Hand noch Fuß hat. Oder: Warum haben die Ukrainer ein Jahr lang F-16 erbeten und nicht M-346, obwohl die politischen Hürden geringer gewesen wären? (Diese Frage stellte ich schon vor etlichen Tagen, Sie haben sie noch nicht beantwortet.)

1. Die Mig-29 ist ein leichter Luftüberlegenheitsjäger aus den 1980ern, dazu entwickelt, von einem Leitstand geführt zu werden. Allein deshalb ist sie etwas schwach auf der Brust, was ihr Radar angeht, und modernen westlichen Kampfflugzeugen, aber auch z.B. der Su-27/30/33/35-Reihe, im BVR-Regime unterlegen. Dennoch ist sie der M-346 mit Sicherheit nicht unterlegen. Sie trägt eine breitere Waffenpalette und zeigt deutlich überlegene Flugleistungen.

2. Die M-346 ist der Typhoon nicht überlegen. Haben Sie sich allein mal mit den Leistungsparametern des Grifo-Radars im Vergleich selbst zum Ur-CAPTOR auseinandergesetzt? Mit den Sensorfusion-Features der Typhoon, die die M-346 nicht besitzt? Und von der Technik abgesehen sind ihre Flugleistungen unterlegen. Sie ignorieren beharrlich, dass Geschwindigkeit, Wendigkeit und Beschleunigung auf alle Distanzen – BVR wie auch WVR – überlebenswichtig sind.

3. Es scheint mir, dass Sie sich völlig falsche Vorstellungen von einem Luftkampf im BVR-Regime machen. In 30.000 Fuß Höhe hat eine R-77 bzw. eine AIM-120C eine Minimum Abort Range von grob 30 nm, das heißt, dass in einem solchen Umkreis um das Trägerflugzeug kein Entkommen möglich ist. Wie wollen Sie sich mit einem unterschallschnellen Flugzeug kinetisch gegen einen Lenkflugkörper verteidigen, der viermal schneller ist als Sie? Das kann doch offensichtlich nicht gelingen.

LFK werden nur für kurze Zeit angetrieben, nach dem Abbrand des Triebwerks verlieren sie konstant an kinetischer Energie, und diesen Vorgang kann – und muss – das Ziel beschleunigen, indem es den LFK zwingt, ihm durch Kurven (Vorhalt) und in tiefere Luftschichten mit höherem Luftwiderstand zu folgen. Ein BVR-Kampf findet deshalb dergestalt statt, dass beide Piloten versuchen, den Gegner jeweils aus einer Distanz zu bekämpfen, in der sie dessen LFK noch kinetisch abwehren können.

Man feuert einen LFK ab und fliegt sofort Ausweichmanöver ("defending") entlang der kardanischen Grenzen des eigenen Radars ("crank"), sodass der Suchkopf des eigenen LFK noch mit Zieldaten zur Erhöhung der Trefferwahrscheinlichkeit gefüttert wird, aber gleichzeitig der Energieverlust des angreifenden LFK beschleunigt wird. Falls kein Treffer verzeichnet wird oder nicht eine der beiden Seiten das Gefecht abbricht, kommen sie sich dabei immer näher.

Dabei können Situationen entstehen, in der der angegriffene Pilot sofort den größtmöglichen Abstand zwischen sich und den angreifenden LFK bringen muss ("going cold"), um ihn abzuwehren, was offensichtlich nur bei extremen Geschwindigkeiten möglich ist. Darum ist bspw. die F-16 immer noch den meisten Flugzeugen im BVR-Regime überlegen, mit ihrem Schub-Gewicht-Verhältnis und ihrer Agilität kann sie einem LFK unter günstigen Bedingungen buchstäblich davonfliegen.

Davon abgesehen müssen Sie noch das Phänomen des "running start" bedenken. Newtons erstes Gesetz besagt, stark vereinfacht, dass ein Objekt, dass sich in Bewegung befindet, in Bewegung bleibt. Eine bei Vmax von der M-346 abgefeuerte AIM-120C hat in dem Augenblick, in dem sie sich von der Unterflügelstation löst, ihrerseits eine Geschwindigkeit von Mach 0,91. Wird dieselbe Rakete von einer Typhoon bei deren Vmax abgefeuert, hat sie da bereits über Mach 2,0, und dementsprechend eine höhere Reichweite.

Und darum: Nein, eine M-346 ist der Typhoon nicht im Luftkampf überlegen, selbst dann nicht, wenn man ihr die gleichen Sensoren und Effektoren verpassen würde.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52Und beim "Kurvenkampf" ist es mit modernen Kampfflugzeugen wie M-346 nicht nötig, die Nase des Flugzeugs zum Gegner zu drehen, um einen Abschuss zu erzielen
Darum geht es nicht. Auch im WVR-Regime müssen Sie schnell und wendig sein, um auf Sie abgefeuerte LFK kinetisch abwehren zu können, es sei denn, Sie wollten sich allein auf Täuschkörper verlassen. Was nicht ratsam ist, da moderne LFK eine hohe Resistenz gegen Täuschkörper aufweisen.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52 Aber dadurch dass - wie von mir bereits erwähnt - derartige Systeme sinnvollerweise nicht als isoliertes System betrieben werden sollten, ist es heutzutage weniger entscheidend was ein einzelnes System kann, sondern was der Verbund leistet, in den dieses System eingebettet ist.
Im Verbund mit welchem System soll die M-346 operieren, wenn nicht mit der Typhoon? Dann können Sie auch gleich weitere Typhoon kaufen, anstatt der Typhoon ein derart verletzliches Anhängsel zu verpassen.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52Ich frage mich welchen Fetisch du bezüglich Überschall hast? Ein Flugzeug mit Mach 0.95 ist schlecht, eines mit Mach 1.05 ist dann plötzlich gut, weil Hauptsache Überschall oder wie?
Sie bauen hier einen Strohmann auf. Ich habe nie behauptet, dass ein Flugzeug bloß etwas schneller als der Schall sein müsste, um bei Angriffen auf Bodenziele nicht länger bedroht zu sein bzw. um für Luftkämpfe und Luftpolizeiaufgaben geeignet zu sein.

Diese Diskussion hatten wir nun doch wirklich mehrmals.

1. Sie müssen so schnell wie möglich sein, um sich gegen Boden-Luft- oder Luft-Luft-Raketen zu verteidigen (wobei ersteres etwas leichter ist als letzteres). Eine in 30.000 Fuß abgefeuerte AIM-120C kann für 30 nm Mach 4 aufrechterhalten. Selbst wenn das Ziel sich kinetisch zu verteidigen versucht, ist der LFK nach 30 nm immer noch um Mach 2 schnell, wie Luftkämpfe über Jugoslawien gezeigt haben. Sie können dem LFK mit einem Mach 0,91 schnellen Flugzeug also unmöglich entkommen.

2. Sie müssen so schnell wie irgend möglich sein, um einen Luftraum aktiv überwachen und ggf. verteidigen zu können. Dies gilt selbst bei Luftpolizeieinsätzen gegen einen Ferienflieger, dessen Funkkontakt abgebrochen ist. Stellen wir uns vor, ein von Frankfurt nach Athen fliegender Airbus A320 überfliegt Österreich, ohne mit Austrocontrol zu kommunizieren. Dabei würde die Maschine den FIC-Sector South durchqueren, also östlich von Salzburg, und mit etwa Mach 0,65.

Der Alarmstart der bereitstehenden Rotte erfolgt nach frühestens 5 und spätestens 15 Minuten. Die Distanz von Zeltweg aus zum geographischen Mittelpunkt des überflogenen Gebiets beträgt mindestens 150 km.

Sie können sich selber ausrechnen, wie lange ein maximal Mach 0,91 schnelles Flugzeug von Zeltweg aus zu dem Kontakt bräuchte, und wie lange eine Typhoon, die Alarmstarts bei innerösterreichischen Distanzen mit Geschwindigkeiten zwischen Mach 1,4 und Mach 1,6 fliegt. Spoiler: Die M-346 könnte zu der A320 nicht aufschließen, die Typhoon schon.

Deswegen ist die Übertragung von Luftpolizeiaufgaben auf unterschallschnelle Flugzeuge etwas, das nur unter bestimmten Bedingungen gelingen kann. Was im Übrigen der Grund dafür ist, dass niemand auf der Welt subsonische Hilfsjäger nutzt.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52Die T-7 bzw. zukünftigen F-7 Red Hawk schaffen etwas mehr als Überschall. Sind sie deswegen als Erdkampfflugzeuge besser geeignet als M-346?
Nein, sind sie nicht. Sie sind genauso schlecht geeignet. Und werden deswegen auch für den Erdkampf nicht genutzt werden.

Nochmal: Das Erdkampfflugzeug ist tot. Für Angriffe auf Bodenziele über verteidigtem Luftraum taugen nur noch Mehrzweckkampfflugzeuge, die gegenüber Boden-Luft- und Luft-Luft-Bedrohungen halbwegs überlebensfähig sind.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52Gegen langsam und niedrig fliegende Objekte wie UAVs, Hubschrauber, Leichtflugzeuge ist M-346 bestens als Jagdflugzeug geeignet, auch Marschflugkörper und manche Kurzstreckenraketen lassen sich damit abschießen.
Warum will dann kein Staat "Hilfsjäger" für derartige Nischen beschaffen, obgleich es doch billiger wäre?
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52Tatsache ist, dass wir keine 40 Eurofighter oder F-35 erhalten werden. Das ist unrealistisch.
Wenn Österreich Geld für "Hilfsjäger" ausgibt, wird es natürlich umso unrealistischer.
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52Tatsache ist weiters, dass es Nachfolger für Saab-105 und in weiterer Folge PC-7 braucht.
Ja, aber die Frage ist: welche. Und wenn die Antwort so simpel wäre, warum hat die Politik sie noch nicht gegeben?
opticartini hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 23:52Das Bundesheer ist nicht daran interessiert, die Aufgaben, die die gerade genannten Flieger erfüllten bzw. erfüllen zu verlieren oder weiter einschränken zu müssen.
Ein Fähigkeitsverlust kann aber die ungewollte Folge einer Investition sein, die Finanzmittel aus anderen Bereichen abzieht. Beispiele dafür sehen wir doch überall in Europa, wo auch immer wir uns umschauen. Irgendjemand setzt seinen Dickkopf durch, weil er meint, damit Geld zu sparen, der Plan geht nach hinten los, und plötzlich ist man gezwungen, andere Bereiche zu vernachlässigen. Und in Österreich regiert gerade eine Partei, die die Typhoon durch M-346 sogar ersetzen wollte.
Zuletzt geändert von muck am So 28. Mai 2023, 09:37, insgesamt 3-mal geändert.
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