opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52Russland war nie und wird speziell jetzt in den nächsten Jahrzehnten zu keinem konventionellen Angriff auf Westeuropa in der Lage sein. Eher werden sie mit Gruppen wie "Wagner" oder ähnlichen paramilitärischen Organisationen dort für Unruhe sorgen, wo man sie lässt.
Vor zwei Jahren verkündeten angeblich ernstzunehmende Experteni noch, dass von Russland keine militärische Gefahr für Westeuropa ausgehe. Ich wäre mit solchen Ankündigungen vorsichtig, zumal sie eine rationale strategische Planung unterstellen, die im Falle des Ukrainekriegs nicht stattgefunden hat. Stattdessen gaben ideologische Gesichtspunkte den Ausschlag.
Und dass Russland "nie" zu einem Angriff auf Westeuropa in der Lage gewesen sei, halte ich für ein Gerücht.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52Mit dem Argument "von Gerät XY wird in der Ukraine viel zerstört, also ist es eh nutzlos" können wir gleich das halbe Bundesheer abschaffen.
Aber Sie waren es doch, der das Argument eingeführt hat, dass die Österreicher Verluste scheuen würden. Wenn Sie dieses Argument für entscheidungserheblich halten, müssten Sie eigentlich die Beschaffung von Plattformen geringer Überlebensfähigkeit ablehnen. Ich weiß wirklich nicht, worüber wir uns hier streiten.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52 Eine voll ausgestattete M-346FA (siehe weiter vorne) ist air-to-air unseren (überschallschnellen!) Eurofightern oder auch den (überschallschnellen!) ukrainischen MiG-29 überlegen. Und zwar BVR und WVR. MRAAM (Medium Range Air-to-Air Missile) können laut Hersteller mit den M-346 verwendet werden, z. B. AIM-120 oder Meteor fallen in diese Kategorie.
Warum also flotten die Luftwaffen dieser Welt ihre teuren Mehrzweckkampfflugzeuge wie die Typhoon nicht aus, um sie durch die billigere und angeblich überlegene M-346 zu ersetzen? Sie müssen doch selber merken, dass Ihr Argument nicht Hand noch Fuß hat. Oder: Warum haben die Ukrainer ein Jahr lang F-16 erbeten und nicht M-346, obwohl die politischen Hürden geringer gewesen wären? (Diese Frage stellte ich schon vor etlichen Tagen, Sie haben sie noch nicht beantwortet.)
1. Die Mig-29 ist ein leichter Luftüberlegenheitsjäger aus den 1980ern, dazu entwickelt, von einem Leitstand geführt zu werden. Allein deshalb ist sie etwas schwach auf der Brust, was ihr Radar angeht, und modernen westlichen Kampfflugzeugen, aber auch z.B. der Su-27/30/33/35-Reihe, im BVR-Regime unterlegen. Dennoch ist sie der M-346 mit Sicherheit nicht unterlegen. Sie trägt eine breitere Waffenpalette und zeigt deutlich überlegene Flugleistungen.
2. Die M-346 ist der Typhoon nicht überlegen. Haben Sie sich allein mal mit den Leistungsparametern des Grifo-Radars im Vergleich selbst zum Ur-CAPTOR auseinandergesetzt? Mit den Sensorfusion-Features der Typhoon, die die M-346 nicht besitzt? Und von der Technik abgesehen sind ihre Flugleistungen unterlegen. Sie ignorieren beharrlich, dass Geschwindigkeit, Wendigkeit und Beschleunigung auf alle Distanzen – BVR wie auch WVR – überlebenswichtig sind.
3. Es scheint mir, dass Sie sich völlig falsche Vorstellungen von einem Luftkampf im BVR-Regime machen. In 30.000 Fuß Höhe hat eine R-77 bzw. eine AIM-120C eine Minimum Abort Range von grob 30 nm, das heißt, dass in einem solchen Umkreis um das Trägerflugzeug kein Entkommen möglich ist. Wie wollen Sie sich mit einem unterschallschnellen Flugzeug kinetisch gegen einen Lenkflugkörper verteidigen, der viermal schneller ist als Sie? Das kann doch offensichtlich nicht gelingen.
LFK werden nur für kurze Zeit angetrieben, nach dem Abbrand des Triebwerks verlieren sie konstant an kinetischer Energie, und diesen Vorgang kann – und muss – das Ziel beschleunigen, indem es den LFK zwingt, ihm durch Kurven (Vorhalt) und in tiefere Luftschichten mit höherem Luftwiderstand zu folgen. Ein BVR-Kampf findet deshalb dergestalt statt, dass beide Piloten versuchen, den Gegner jeweils aus einer Distanz zu bekämpfen, in der sie dessen LFK noch kinetisch abwehren können.
Man feuert einen LFK ab und fliegt sofort Ausweichmanöver ("defending") entlang der kardanischen Grenzen des eigenen Radars ("crank"), sodass der Suchkopf des eigenen LFK noch mit Zieldaten zur Erhöhung der Trefferwahrscheinlichkeit gefüttert wird, aber gleichzeitig der Energieverlust des angreifenden LFK beschleunigt wird. Falls kein Treffer verzeichnet wird oder nicht eine der beiden Seiten das Gefecht abbricht, kommen sie sich dabei immer näher.
Dabei können Situationen entstehen, in der der angegriffene Pilot sofort den größtmöglichen Abstand zwischen sich und den angreifenden LFK bringen muss ("going cold"), um ihn abzuwehren, was offensichtlich nur bei extremen Geschwindigkeiten möglich ist. Darum ist bspw. die F-16 immer noch den meisten Flugzeugen im BVR-Regime überlegen, mit ihrem Schub-Gewicht-Verhältnis und ihrer Agilität kann sie einem LFK unter günstigen Bedingungen buchstäblich davonfliegen.
Davon abgesehen müssen Sie noch das Phänomen des "running start" bedenken. Newtons erstes Gesetz besagt, stark vereinfacht, dass ein Objekt, dass sich in Bewegung befindet, in Bewegung bleibt. Eine bei Vmax von der M-346 abgefeuerte AIM-120C hat in dem Augenblick, in dem sie sich von der Unterflügelstation löst, ihrerseits eine Geschwindigkeit von Mach 0,91. Wird dieselbe Rakete von einer Typhoon bei deren Vmax abgefeuert, hat sie da bereits über Mach 2,0, und dementsprechend eine höhere Reichweite.
Und darum: Nein, eine M-346 ist der Typhoon nicht im Luftkampf überlegen, selbst dann nicht, wenn man ihr die gleichen Sensoren und Effektoren verpassen würde.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52Und beim "Kurvenkampf" ist es mit modernen Kampfflugzeugen wie M-346 nicht nötig, die Nase des Flugzeugs zum Gegner zu drehen, um einen Abschuss zu erzielen
Darum geht es nicht. Auch im WVR-Regime müssen Sie schnell und wendig sein, um auf Sie abgefeuerte LFK kinetisch abwehren zu können, es sei denn, Sie wollten sich allein auf Täuschkörper verlassen. Was nicht ratsam ist, da moderne LFK eine hohe Resistenz gegen Täuschkörper aufweisen.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52 Aber dadurch dass - wie von mir bereits erwähnt - derartige Systeme sinnvollerweise nicht als isoliertes System betrieben werden sollten, ist es heutzutage weniger entscheidend was ein einzelnes System kann, sondern was der Verbund leistet, in den dieses System eingebettet ist.
Im Verbund mit welchem System soll die M-346 operieren, wenn nicht mit der Typhoon? Dann können Sie auch gleich weitere Typhoon kaufen, anstatt der Typhoon ein derart verletzliches Anhängsel zu verpassen.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52Ich frage mich welchen Fetisch du bezüglich Überschall hast? Ein Flugzeug mit Mach 0.95 ist schlecht, eines mit Mach 1.05 ist dann plötzlich gut, weil Hauptsache Überschall oder wie?
Sie bauen hier einen Strohmann auf. Ich habe nie behauptet, dass ein Flugzeug bloß etwas schneller als der Schall sein müsste, um bei Angriffen auf Bodenziele nicht länger bedroht zu sein bzw. um für Luftkämpfe und Luftpolizeiaufgaben geeignet zu sein.
Diese Diskussion hatten wir nun doch wirklich mehrmals.
1. Sie müssen so schnell wie möglich sein, um sich gegen Boden-Luft- oder Luft-Luft-Raketen zu verteidigen (wobei ersteres etwas leichter ist als letzteres). Eine in 30.000 Fuß abgefeuerte AIM-120C kann für 30 nm Mach 4 aufrechterhalten. Selbst wenn das Ziel sich kinetisch zu verteidigen versucht, ist der LFK nach 30 nm immer noch um Mach 2 schnell, wie Luftkämpfe über Jugoslawien gezeigt haben. Sie können dem LFK mit einem Mach 0,91 schnellen Flugzeug also unmöglich entkommen.
2. Sie müssen so schnell wie irgend möglich sein, um einen Luftraum aktiv überwachen und ggf. verteidigen zu können. Dies gilt selbst bei Luftpolizeieinsätzen gegen einen Ferienflieger, dessen Funkkontakt abgebrochen ist. Stellen wir uns vor, ein von Frankfurt nach Athen fliegender Airbus A320 überfliegt Österreich, ohne mit Austrocontrol zu kommunizieren. Dabei würde die Maschine den FIC-Sector South durchqueren, also östlich von Salzburg, und mit etwa Mach 0,65.
Der Alarmstart der bereitstehenden Rotte erfolgt nach frühestens 5 und spätestens 15 Minuten. Die Distanz von Zeltweg aus zum geographischen Mittelpunkt des überflogenen Gebiets beträgt mindestens 150 km.
Sie können sich selber ausrechnen, wie lange ein maximal Mach 0,91 schnelles Flugzeug von Zeltweg aus zu dem Kontakt bräuchte, und wie lange eine Typhoon, die Alarmstarts bei innerösterreichischen Distanzen mit Geschwindigkeiten zwischen Mach 1,4 und Mach 1,6 fliegt. Spoiler: Die M-346 könnte zu der A320 nicht aufschließen, die Typhoon schon.
Deswegen ist die Übertragung von Luftpolizeiaufgaben auf unterschallschnelle Flugzeuge etwas, das nur unter bestimmten Bedingungen gelingen kann. Was im Übrigen der Grund dafür ist, dass niemand auf der Welt subsonische Hilfsjäger nutzt.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52Die T-7 bzw. zukünftigen F-7 Red Hawk schaffen etwas mehr als Überschall. Sind sie deswegen als Erdkampfflugzeuge besser geeignet als M-346?
Nein, sind sie nicht. Sie sind genauso schlecht geeignet. Und werden deswegen auch für den Erdkampf nicht genutzt werden.
Nochmal: Das Erdkampfflugzeug ist tot. Für Angriffe auf Bodenziele über verteidigtem Luftraum taugen nur noch Mehrzweckkampfflugzeuge, die gegenüber Boden-Luft- und Luft-Luft-Bedrohungen halbwegs überlebensfähig sind.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52Gegen langsam und niedrig fliegende Objekte wie UAVs, Hubschrauber, Leichtflugzeuge ist M-346 bestens als Jagdflugzeug geeignet, auch Marschflugkörper und manche Kurzstreckenraketen lassen sich damit abschießen.
Warum will dann kein Staat "Hilfsjäger" für derartige Nischen beschaffen, obgleich es doch billiger wäre?
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52Tatsache ist, dass wir keine 40 Eurofighter oder F-35 erhalten werden. Das ist unrealistisch.
Wenn Österreich Geld für "Hilfsjäger" ausgibt, wird es natürlich umso unrealistischer.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52Tatsache ist weiters, dass es Nachfolger für Saab-105 und in weiterer Folge PC-7 braucht.
Ja, aber die Frage ist: welche. Und wenn die Antwort so simpel wäre, warum hat die Politik sie noch nicht gegeben?
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 27. Mai 2023, 23:52Das Bundesheer ist nicht daran interessiert, die Aufgaben, die die gerade genannten Flieger erfüllten bzw. erfüllen zu verlieren oder weiter einschränken zu müssen.
Ein Fähigkeitsverlust kann aber die ungewollte Folge einer Investition sein, die Finanzmittel aus anderen Bereichen abzieht. Beispiele dafür sehen wir doch überall in Europa, wo auch immer wir uns umschauen. Irgendjemand setzt seinen Dickkopf durch, weil er meint, damit Geld zu sparen, der Plan geht nach hinten los, und plötzlich ist man gezwungen, andere Bereiche zu vernachlässigen. Und in Österreich regiert gerade eine Partei, die die Typhoon durch M-346 sogar ersetzen wollte.