Reaktionsmiliz?

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Acipenser
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Reaktionsmiliz?

Beitrag von Acipenser »

Gerade hab ich vom Aufbau einer Reaktionsmiliz in Österreich gelesen. Was verbirgt sich hinter dieser neuen Wortkreation, ich bitte um Aufklärung
muck
Beiträge: 1260
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Re: Reaktionsmiliz?

Beitrag von muck »

Der erste offizielle Google-Treffer erklärt nur in Parenthese das Offensichtliche: Die "Reaktionsmiliz" ist eine "Milz in höherer Bereitschaft". Interessanterweise beschäftigen sich die Diskussionen in den sozialen Medien zu diesem Thema mit der Inübunghaltung der Miliz (mindestens 30 Tage im Jahr), nicht mit der Herstellung einer erhöhten Bereitschaft. Wie schnell kann denn die Miliz des ÖBH zurzeit alarmiert werden, und mit welchen Mitteln wird die Alarmierung durchgeführt?
theoderich
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Re: Reaktionsmiliz?

Beitrag von theoderich »

Im Teilheft zur "Untergliederung 14. Militärische Angelegenheiten" des Bundesvoranschlags 2023 wird der Begriff etwas präzisiert:
Kennzahl 14.2.1 Bereitgestellte Reaktionskräfte für Einsätze des ÖBH

Berechnungsmethode Soldatinnen und Soldaten werden als Reaktionskraft designiert und gezählt, wenn sie die geforderten Fähigkeiten nachweislich erbringen.

[...]

Neue Kennzahl – Da es sich um designierten Kräfte der Generaldirektion Landesverteidigung (GDLV)
für eine militärische Erstreaktion in unterschiedlichen Szenarien handelt, wird die Reaktionsfähigkeit zeitlich auf 24 bis 72 Stunden festgelegt. Diese bilden grundsätzlich die strukturierte militärische Erstreaktionskraft bei überraschend auftretenden Krisensituationen.

Die Designierung der Kräfte für eine militärische Erstreaktion aus dem gesamten ÖBH ist angeordnet. In Folge dessen werden ein infanteristisches Bataillonsäquivalent, mit den ergänzenden Fähigkeiten „Führungselement, Aufklärungskräfte, Militärpolizeikräfte, ABC-Abwehrkräfte, Pionierkräfte, Cyber-Kräfte, Informationskräfte, Luftunterstützungselemente“ sowie zusätzlich eine verminderte Special Operation Task Group (ca. 50 Personen mit speziellen Fähigkeiten im Bereich Terrorbekämpfung) im Umfang von zumindest 1.000 Soldatinnen und Soldaten bereitgestellt. Die Reaktionskräfte erfordern
für die Bereitstellung einen Befüllungsgrad von zumindest 90%.

Ab 2024 ist eine Integration von zumindest 2 Kompanien aus der Reaktionsmiliz geplant, wodurch der Umfang auf zumindest 1.200 Soldatinnen und Soldaten erhöht wird.
https://service.bmf.gv.at/Budget/Budget ... t_2023.pdf

Wahrscheinlich handelt es sich dabei vor allem um eine "Reaktion" auf den unerfreulichen Rechnungshofbericht vom vergangenen Dezember:
  • Miliz nicht voll einsatzbereit

    https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/ ... ereit.html
    Übungen

    13.1 (1) Laut Ministerium war die Erreichung der Einsatzbereitschaft der Miliz u.a. von regelmäßigen und strukturellen Übungstätigkeiten abhängig. Infolgedessen entwickelte das Ministerium einen Plan für Milizübungen, um damit die Bedarfe der Übungstätigkeit der Miliz mit den dafür benötigten budgetären Mitteln planbar in Einklang zu bringen. Dieser Plan sah im Wesentlichen drei Übungstypen vor (mit unterschiedlicher Dauer und unterschiedlichem Inhalt), wobei alle zwei Jahre eine Übung der Truppe und dazwischen eine Kommandanten– und Stabsausbildung – jeweils in der Dauer von einer Woche – vorgesehen waren.
    Aus Sicht des Ministeriums wären jedoch jährlich Übungen im Ausmaß von zehn bis vierzehn Tagen sowie Kommandanten– und Fachpersonalschulungen im Ausmaß von bis zu einer Woche nötig, um die Einsatzbereitschaft der Miliz auf einen höheren Stand zu bringen und Einsatzvorbereitungszeiten zu reduzieren. Dies würde jedoch zu einem höheren Budgetbedarf und einer annähernden Halbierung der Verwendungsdauer von Wehrpflichtigen in der Einsatzorganisation führen. Für Mannschaftsfunktionen mit einer Verpflichtung zu 30–Tage–Milizübungen würde sich im Falle eines jährlichen Übungsrhythmus die Verwendungsdauer bei Übungen im Ausmaß von zwei Wochen statt auf fünf auf drei Jahre und bei Übungen im Ausmaß von einer Woche statt auf neun auf fünf Jahre erstrecken.
    21.2 Der RH hielt fest, dass sowohl der Aufschubpräsenzdienst als auch die Teilmobilmachung in Summe weniger als 5.000 Personen umfassten und daher innerhalb der Verfügungsbefugnis der Bundesministerin lagen. Er wies jedoch darauf hin, dass zwischen der erstmaligen medialen Ankündigung der Überlegungen zu einer Teilmobilmachung Mitte März 2020 bis zur tatsächlichen Einberufung Mitte April und Formierung Anfang Mai 2020 ein Zeitraum von vier bis sechs Wochen lag. Der vom Ministerium definierte Zeitrahmen für eine Teilmobilmachung von fünf bis maximal sieben Tagen (Dauer Auslösung, Einberufung und Formierung) war aus Sicht des RH aufgrund der pandemiebedingten besonderen Situation nicht umsetzbar. Weitere Rückschlüsse auf die zeitliche und organisatorische Umsetzbarkeit des Normablaufs waren aufgrund des vorgegebenen Zeitrahmens der Teilmobilmachung nicht möglich.
    25.2 Der RH hielt fest, dass das Ministerium im Zuge der Teilmobilmachung vom Normablauf der Mobilmachung abwich; so entfielen u.a. die Vorstaffelung des Mobilmachungsschlüsselpersonals und die Aufbietung nach Truppennummern.

    Weiters wies der RH kritisch auf die Personalreserve von 5 % hin, die im Hinblick auf die durchschnittlichen Ausfallsquoten bei Milizübungen von 26 % nicht nachvollziehbar war.

    Der RH empfahl dem Ministerium, seine Mobilmachungsabläufe hinsichtlich aktueller Bedrohungsszenarien zu evaluieren, um einen störungsfreien Ablauf sicherzustellen und arbeitsaufwändige Verfahrensschritte hintanzuhalten.
    https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/ ... _Miliz.pdf
muck
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Re: Reaktionsmiliz?

Beitrag von muck »

Wenn ich das Wort "Reaktionsmiliz" höre, wundere ich mich, dass sich niemand in Europa (nicht einmal die gerade hyperaktiven Polen) an einem Schweizer Konzept des Kalten Kriegs orientiert, nämlich an den Flughafen-Alarmformationen. Diese in den 1980ern aufgestellten und 2003 aufgelösten Bataillone bestanden aus Personal, das im Umkreis einer halben Autostunde um die zu schützenden Flugplätze wohnte und im Ernstfall binnen 2-3 Stunden hätte aufgeboten werden können.

Das ist meines Erachtens das sinnvollste und zugleich effektivste Reaktionskonzept im deutschen Sprachraum gewesen. Wenn es um den militärischen Objektschutz geht, haben mitteleuropäische Länder nämlich nur an Flugplätzen ein zeitkritisches Problem. Auf allen anderen Zugangskorridoren droht realistischerweise keine feindliche Annäherung ohne Vorwarnzeit, dass man große Reaktionskräfte vorhalten müsste. Aber die Flughäfen, die sind verwundbar, wie die Schlacht von Hostomel gezeigt hat.
Acipenser
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Re: Reaktionsmiliz?

Beitrag von Acipenser »

Eine Reaktionsmiliz mit EURO 6000.- Jahresanreiz hoffentlich auch mit ausreichend Ausbildungsmodulen und nicht nur als Lückenbüßer für Assistenzeinsätze (Beispiel CoV Assieinsatz dürfte etwas abschreckend gewesen sein bei Neumeldungen?)
Gesamt ein Monat Ausbildung in zwei Jahren hört sich gut an und weitere beorderte Übungen sowieso, aber was wenn wieder ein ehemaliger Polizei-General mit so dringlichen Anliegen wie Bundesheer in Zivilspitäler und Altersheimen wegen Personalmangel ebendort an die Miliz herantritt, wie soll man dann reagieren?

Aufgaben die eher Samariterbund und Rotes Kreuz zukommen sollte, eventuell mit Ersatzdienst auch für Frauen bei Wehrpflicht für alle!

Dann würden sich sicher wieder mehr beim ÖBH zur Miliz freiwillig bewerben
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Doppeladler
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Re: Reaktionsmiliz?

Beitrag von Doppeladler »

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Verweigerer
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Re: Reaktionsmiliz?

Beitrag von Verweigerer »

Infanterie und Aufklärung - Bundesheer stellt Reaktionsmiliz auf

https://soldat-und-technik.de/2023/09/s ... miliz-auf/

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Verweigerer
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Re: Reaktionsmiliz?

Beitrag von Verweigerer »

Standort für Reaktionsmiliz in Spittal

https://kaernten.orf.at/stories/3225767/

Bundesheer stellt "Elitemiliz" auf

Bild

https://www.krone.at/3115653
theoderich
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Re: Reaktionsmiliz?

Beitrag von theoderich »

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