Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

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theoderich
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von theoderich »

Berni88 hat geschrieben: Mi 7. Dez 2022, 15:57 Ein Bericht über die deutsche Munitionslage - dann kann man sich ausmalen wie es bei uns diesbezüglich ausschauen muss!!!
In Österreich würde es vermutlich für einen Krieg reichen, der wenige Minuten bis höchstens ein paar Stunden dauert.
Die Bevorratung bei Verpflegung, Treibstoffen und Munition ist aufgrund der ständigen Kürzungen der letzten beiden Jahrzehnte stark eingeschränkt.
Für das gesamte ÖBH ist angesichts der Bedrohungen eine Autarkie von zumindest 14 Tagen erforderlich.
https://www.bundesheer.at/archiv/a2019/ ... er2030.pdf

Ausschreibungen für Artilleriemunition umfassten in den letzten Jahren meistens nur wenige tausend Granaten:

viewtopic.php?p=16826#p16826

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muck
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von muck »

Berni88 hat geschrieben: Mi 7. Dez 2022, 15:57 das würde im aktuellen Ukraine-Konflikt für 2-3 Tage reichen, die Russen verschießen ein vielfaches davon - pro Tag wohlgemerkt!
Die Ukrainer verschießen 6.000-8.000 Granaten pro Tag, und richten viel mehr Schaden als die Russen an, die hauptsächlich mit gezogener Artillerie Mondlandschaften produzieren. Es kommt auch auf den richtigen Waffeneinsatz an.

Grundsätzlich hast Du aber natürlich Recht, die Munitionslage ist prekär. Der Witz in Deutschland ist, dass man nicht einfach Munition dazukaufen kann, denn zwar gäbe es genügend Lagerflächen, aber die sind großteils mit überalterter Munition von vor dreißig Jahren belegt, die erst mal umständlich entsorgt werden muss. Es ist zum Haareraufen.

Und noch ein zweiter Blick über den Gartenzaun:

Die British Army klagt ebenfalls über veraltetes Material, Munitionsmangel und Unterfinanzierung. Generalstabschef Sir Patrick Sanders warnt, es gebe ein allein seit 2015 auf mindestens £30 Milliarden angewachsenes Investitionsloch, die Masse der Ausrüstung stamme aus den 1980ern, es fehle in vielen Bereichen an Munition. Die Kriege in Afghanistan und Irak hätten zu einer "Verödung" der Fähigkeiten des Heeres geführt, es mangele an Durchsetzungskraft. (Quelle, Paywall)

Wie gesagt, ich würde mich sehr wundern, wenn irgendein europäisches Land – außer vielleicht Polen und Finnland – Munitionsbestände für mehr als ein paar Tage vorhalten würden.
Berni88
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von Berni88 »

Ein guter Beitrag im Truppendienst:
(Ich hoffe das hatten wir noch nicht)

https://www.truppendienst.com/themen/be ... rteidigung
Embe
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von Embe »

Berni88 hat geschrieben: Mi 15. Feb 2023, 12:42 Ein guter Beitrag im Truppendienst:
(Ich hoffe das hatten wir noch nicht)

https://www.truppendienst.com/themen/be ... rteidigung
Wirklich ein sehr guter Artikel, welcher in Anbetracht der aktuellen Situation zum Nachdenken anregen sollte.

Nur hier hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen:
Truppendienst.com hat geschrieben:Neue und andere Waffen, wie die 20-mm-Fliegerabwehrkanone (FlAK) und die Panzerabwehrlenkwaffe 2000 (PAL 2000) „BILL“ (Bofors Infantry Light and Lethal), wurden eingeführt.
Die 20mm FlAK58/FlAk65 waren Bestandteil der Raumverteidigung und teilweise ortsfest auf Sonderlafetten in Festen Anlagen (FAn) verbunkert. "Neu" war diese Waffe nach 1991 nicht mehr- sondern vielmehr kurz vor dem Ausscheiden. Die Waffe welche der Autor hier gemeint haben dürfte, ist die lFAL Mistral.
Truppendienst.com hat geschrieben:Verschießen der 12,7-mm-Einschießpatrone mit der 85-mm-Panzerkanone 52.
Bild
Die auf diesem Foto zu sehende Waffe ist die 106mm rPAK M40 (nicht die PAK 52/55). Die 12,7mm Einschießpatrone M48/rPAK ("Spotter Tracer M48A2") konnte aufgrund ihrer baulichen Eigenschaft nur durch ein Sonderschießen am TÜPl Ramsau vernichtet werden.
muck
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Re: Druchhaltefähigkeit des ÖBH bzgl. Munition

Beitrag von muck »

Um die Diskussion noch mal um Vergleichswerte zu bereichern …

Auf WHQ hat ein Angehöriger der deutschen Artillerieschule von den Plänen zur Steigerung der Durchhaltefähigkeit in Sachen Artilleriemunition berichtet. Das Deutsche Heer kalkuliert mit folgender Versorgung pro Bataillon (á 27 Geschütze) und Kampftag:

• 3.600 Sprenggranaten (DM 111)
• 1.440 IR-Nebelgranaten (DM 125)
• 1.440 Leuchtgranaten (DM 116)
• 600 Suchzündergranaten (DM 702)
= 7.080 Granaten aller Sorten pro Kampftag

Sprich, allein der heeresweite projizierte Bedarf an 155 mm-Sprenggranaten beziffert sich auf 32.400 am Tag. Insgesamt will das Heer langfristig (Zielbild 2035) 600.000 Granaten bevorraten, das würde für 10 Kampftage reichen. Und wäre immer noch weit entfernt vom oft zitierten NATO-Standard der dreißig Tage (der indes nicht einmal von den Amerikanern erreicht wird, von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen). Man darf also wohl zehn Tage als das absolut nötige Minimum veranschlagen.

Übertragen auf das Bundesheer (ich rechne mit dem Buchbestand von 53 M109A5) wären dies rund 13.900 Granaten pro Tag, oder eben 139.000 Granaten für zehn Tage. Diese Zahlen verdeutlichen, was für Mammutaufgaben auf das Bundesheer, die Bundeswehr und viele andere europäische Streitkräfte warten! Zumal die Munitionshersteller von Lieferkettenschwierigkeiten berichten, die oft in China sitzenden Zulieferer haben teilweise den Export in den Westen eingestellt. Es wird wohl eher bis 2040 als bis 2030 dauern, bis sich die Depots merklich gefüllt haben. Und Mondpreise kosten. Hoffentlich lernt die Politik endlich einmal daraus.
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