Schweiz: Mittelfristige Beschaffungsplanung 2023-2035

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
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theoderich
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Schweiz: Mittelfristige Beschaffungsplanung 2023-2035

Beitrag von theoderich »

Abwehrraketen, Schutzpanzer, Mini-Drohnen
Das ist die neue Einkaufsliste der Armee
In einer Powerpoint-Präsentation gab die Armeespitze mit Armeechef Thomas Süssli (55) an der letzten Sitzung der ständerätlichen Sicherheitskommission Einblick in die Investitionsplanung von 2023 bis 2027. Er präsentierte darüber hinaus auch die grobe Einkaufsplanung bis 2035. Bundesrätin Amherd nahm ebenfalls an der Sitzung teil.
Das interne 21-seitige Dokument liegt Blick vor. Darin verweist die Armee auf wichtige Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg und zieht daraus die folgenden Lehren für die hiesigen Streitkräfte: Von entscheidender Bedeutung sind etwa moderne Panzerabwehrwaffen, eine leistungsfähige, mobile und weitreichende Artillerie, aber auch geschützte Fahrzeuge oder eine geschützte Kommunikation – auch gegenüber Cyberangriffen.

Die Armee verweist auch darauf, dass für das Zurückgewinnen von Gelände «schwere Mittel» nötig seien. Und um Angriffe aus der Luft abzuwehren und eigene Einsätze am Boden zu ermöglichen, brauche es etwa ein «leistungsfähiges Luft-Boden-Feuer mit abhaltender Wirkung».

Abwehrraketen, Schutzpanzer, Sturmgewehre

In der Präsentation finden sich auch die «Eckwerte für mögliche Zusatzbeschaffungen». So will man mehr von dem beschaffen, was man schon hat. Entscheidend ist ebenso, was auf dem Markt überhaupt verfügbar ist. Und schliesslich werden die Zusatzbeschaffungen auf die bestehenden Grundlagenberichte ausgerichtet.

Für die nächsten Jahre stehen folgende Rüstungsvorhaben auf dem «Poschtizettel» der Armee – bereits mit Preisschild versehen:

2023
  • Modernste PAC-3-MSE-Lenkwaffen für das «Patriot»-Flugabwehrsystem (400 Mio. Franken)
  • Zusatzbeschaffung und vollständige Ausrüstung von geschützten Radfahrzeugen für Panzersappeure (200 Mio.)
  • Zusätzliche Munition zur Erhöhung der Durchhaltefähigkeit (200 Mio.)
  • Zusätzliche Sturmgewehre und Maschinengewehre (30 Mio.)
2024
  • Geschützte Führungsfahrzeuge Mowag Eagle V 6x6 als Ersatz für die über 60-jährigen M113-Führungsfahrzeuge (260 Mio.)
  • Weitreichende Boden-Boden-Raketen, um die Fähigkeitslücke bei der weitreichenden Panzerabwehr zu schliessen (200 Mio.)
  • Zusatzkredit für die Digitalisierungsplattform im VBS-Rechenzentrum (130 Mio.)
  • Passivradar zur Luftüberwachung zur Verdichtung des Luftlagebildes (120 Mio.)
  • Werterhalt der Pilatus-Flieger PC-7 Turbo Trainer (60 Mio.)
  • Einheitliche Verschlüsselungslösungen (50 Mio.)
  • Standardisierte Verwaltung von digitalen Identitäten (40 Mio.)
  • Zusatzkredit für Kommunikationssysteme des Flugfunkbodensystems 20 (20 Mio.)
  • Mini-Drohnen zur Aufklärung auf taktischer Stufe (20 Mio.)


Weitere Milliarden eingeplant

Für die darauffolgenden Jahre sind die Investitionskosten nur grob zusammengefasst und nicht mehr detailliert aufgeschlüsselt. Das geschätzte Investitionsvolumen beläuft sich 2025 auf rund 1,5 Milliarden Franken. Geplant sind dann etwa die Nutzungsdauerverlängerung der Leopard-Kampfpanzer, ein teilmobiler Radar grösserer Reichweite für die Überwachung des mittleren und oberen Luftraums. Ebenso jeweils eine weitere Tranche geschützter Führungsfahrzeuge und Mini-Drohnen.

In den Jahren 2026/27 sollen rund 2,8 Milliarden Franken investiert werden. Zu den wichtigsten Ausgabeposten gehören Artillerie-Unterstützungsfeuer für Boden-Boden mit mittlerer Reichweite, die die Panzerhaubitzen ablösen sollen. Ebenso die bodengestützte Luftverteidigung mittlerer Reichweite zur Bekämpfung von Zielen im unteren und mittleren Luftraum wie etwa Marschflugkörper, bewaffnete Drohnen oder Kampfflugzeuge. Weitere Investitionen sind in Lastwagen, elektronische Kriegsführung oder Unterstützungsbrücken-Trägerfahrzeuge für die Genietruppen vorgesehen.

Auch neue Helikopter auf der Wunschliste

Und schliesslich wird in der Präsentation auch die mittel- und langfristige Planung skizziert. So sind im Zeitraum von 2028 bis 2035 Investitionen in die Luftlagebild-Sensorik, in den Fähigkeitserhalt geschützter Mannschaftstransportfahrzeuge und in den Lufttransport (Helikopter) sowie die bodengestützte Luftverteidigung eingeplant.

Der Armeestab betont aber, dass die Rüstungsvorhaben und Investitionsbeträge auf der Annahme beruhten, «dass die Armeeausgaben bis 2030 schrittweise auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöht werden». Wobei es sich auch stets um eine rollende Planung handle.

Schliesslich zeigten die Armeeverantwortlichen auch auf, welche Hauptsysteme in den nächsten Jahren ausser Dienst gestellt werden sollen. Dazu gehören die Tiger-Kampfjets, der Panzerjäger 90, das Fliegerabwehrsystem Rapier und der Pilatus PC-9.
https://www.blick.ch/politik/abwehrrake ... 22415.html
theoderich
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Re: Schweiz: Mittelfristige Beschaffungsplanung 2023-2035

Beitrag von theoderich »

Sicherheitspolitik: Verstärkte internationale Zusammenarbeit unter Einhaltung der Neutralität
Lücken bei militärischen Fähigkeiten rascher schliessen

Der Bericht befasst sich weiter mit den militärischen Erkenntnissen aus dem Krieg und den Konsequenzen für die Fähigkeitsentwicklung der Armee. Die laufende Umsetzung aus den Grundlagenberichten zur Luftverteidigung, den Bodentruppen und den Cyberfähigkeiten wurde überprüft. Daraus geht hervor, dass die Fähigkeitsplanung auf Kurs ist, namentlich bezüglich Führungsfähigkeit und Cyberdefence, Mobilität, Schutz vor Luftangriffen und indirekter Feuerunterstützung. Parallel zur verstärkten Zusammenarbeit soll deshalb die Modernisierung der Fähigkeiten und Mittel der Armee vorangetrieben werden, wobei die Erkenntnisse aus dem Krieg laufend einfliessen müssen. Die Erhöhung der finanziellen Mittel für die Armee ermöglicht, wichtige Fähigkeiten rascher aufzubauen und Lücken zu schliessen.

Kritische Fähigkeitslücken bestehen bei der Panzerabwehr und bei der Durchhaltefähigkeit, vor allem der zu geringen Bevorratung von Munition. Zur Deckung dieser Lücken beabsichtigt das VBS unter anderem, eine weitreichende Boden-Boden-Lenkwaffe zu beschaffen und mit dem Rüstungsprogramm 2023 mehrere hundert Millionen Franken für eine Erhöhung der Munitions- und Lenkwaffenbestände zu beantragen.
https://www.vbs.admin.ch/de/aktuell/die ... 90261.html


Investitionsplanung der Armee 2023 bis 2035

https://www.vbs.admin.ch/de/home/suche/ ... 5.pdf.html
Albert
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Re: Schweiz: Mittelfristige Beschaffungsplanung 2023-2035

Beitrag von Albert »

"Zur Deckung dieser Lücken beabsichtigt das VBS unter anderem, eine weitreichende Boden-Boden-Lenkwaffe zu beschaffen"

Ich erwarte hier eine Panzerabwehrwaffe auf die mittlere Distanz von 2-4 km. Also eine neue Javelin ER (extended range) oder die entsprechenden Konkurrenzmodelle von MBDA oder EuroSpike. Hellfire, Boden-Boden-Brimstone, und andere weitreichende Waffen sind teuer und können bis Ende 2023 (Rüstungsprogramm 2024) gar nicht evaluiert werden.

Aber ich lag mit einer Beurteilung auch schon total daneben.
cliffhanger
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Re: Schweiz: Mittelfristige Beschaffungsplanung 2023-2035

Beitrag von cliffhanger »

Was mich fasziniert sind die 60mio. zum Werterhalt der PC-7 ... da kannst ja fast gleich neue kaufen...
Albert
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Re: Schweiz: Mittelfristige Beschaffungsplanung 2023-2035

Beitrag von Albert »

cliffhanger hat geschrieben: Do 8. Sep 2022, 15:03 Was mich fasziniert sind die 60mio. zum Werterhalt der PC-7 ... da kannst ja fast gleich neue kaufen...
Die Schweizer Armee betreibt 27 PC-7 Turbo-Trainer. Bei CHF 60 Mio. Werterhalt macht das etwa CHF 2 Mio. pro System, wobei in der Schweiz üblicherweise die Ersatzteile für 15-20 Jahre Betrieb und die Aufdatierung der Simulatoren dabei sind.
Ein neuer PC-7 MKX kostet nach meiner Schätzung CHF 4 Mio. oder mehr. Bei 27 Stück wären das CHF 108 Mio. nur für die Flugzeuge. Inklusive Ersatzteile und neue Simulatoren wären wir bei ca. CHF 150 Mio.
m.ileduets
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Re: Schweiz: Mittelfristige Beschaffungsplanung 2023-2035

Beitrag von m.ileduets »

Die Überlegung mag stimmen, dass der Werterhalt immer noch billiger ist als eine Neubeschaffung von PC-7 MKX.
Die Überraschung liegt für mich eher darin, dass noch so viel "Lebenszeit" in der Zelle der alten PC-7 drin liegt.
Die sind immerhin seit 1979 im Betrieb und wurden bereits einmal, 2011, generalüberholt und mit modernen Glascockpits ausgestattet.

Bild

Dass sie ab Mitte-Ende der 20-er Jahre noch für weitere 20 Jahre Nutzungsdauer modernisiert werden können, spricht für eine ziemliche Langlebigkeit der Zelle. Die wären dann annähernd 60 Jahre im Betrieb und damit etwa 3x so alt wie die Piloten, die darin trainiert werden...

Die Präsentation vom Juli ist aber wohl mit Vorsicht zu geniessen: Im neusten Planungsbericht erscheint die PC-7 Werterhaltung im 2024 nicht mehr, dafür 2025 bereits die Werterhaltung der EC-635, welche ich noch nicht wirklich "auf dem Radar" hatte. https://www.vbs.admin.ch/content/vbs-in ... 3-2035.pdf

Ich kann mir gut vorstellen, dass im Zuge des Ukrainekrieges und den Erkenntnissen daraus die Prioritäten periodisch neu gesetzt und die Planung angepasst wird.
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