Krieg in der Ukraine

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
muck
Beiträge: 1269
Registriert: Do 9. Jul 2020, 05:10

Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Die russische Militärführung in der Ukraine erleidet weiterhin Verluste, die allmählich auch mit dem mutmaßlichen Befehl des Kremls, gefälligst mit dem Säbel in der Hand an der Front den Kerls ein Beispiel zu geben, nicht mehr erklärt werden können.

Hier macht sich wohl die westliche Unterstützung der Ukraine mit Aufklärungsergebnissen bemerkbar.

Der Tod folgender russischer Verbandsführer darf als gesichert gelten – größtenteils durch Meldungen aus Russland selbst, teils aber auch durch vor Ort gefundene Belege wie z.B. Leichenfunde, Ausweispapiere (den Link zu den ukrainischen Quellen lasse ich aufgrund der Forenregeln zu sensiblem Bildmaterial aus):

Generalleutnant Andrei Nikolajewitsch Mordwitschew, Kommandeur 8. Garde-Armee
Generalleutnant Jakow Wladimirowitsch Resanzew, Kommandeur 49. Armee
Generalmajor Andrei Alexandrowitsch Suchowetzki, stellvertretender Kommandeur 41. Armee
Generalmajor Andrei Borissowitsch Kolesnikow, 29. Armee (mit der Führung betraut)
Generalmajor Oleg Jurjewitsch Mitjajew, Kommandeur 150. Mot-Schützen-Division
Generalmajor Witali Petrowitsch Gerassimow, Stabschef 41. Armee
Oberst Alexei Nikolajewitsch Scharow, Kommandeur 810. Garde-Marineinfanteriebrigade
Oberst Andrei Nikolajewitsch Palii, stellvertretender Kommandeur der Schwarzmeerflotte
Oberst Andrei Sacharow, Kommandeur 6. Panzerregiment
Oberst Denis Nikolajewitsch Schischow, Kommandeur 11. Garde-Luftsturmbrigade
Oberst Igor Nikolajew, Kommandeur 252. Mot-Schützen-Regiment
Oberst Juri Medwedew, Kommandeur 37. Mot-Schützen-Brigade
Oberst Konstantin Zizewski, Kommandeur 247. Garde-Luftsturmregiment
Oberst Nikolai Owscharenko, Kommandeur 45. Garde-Pionierbrigade
Oberst Sergei Karassjow, Kommandeur 31. Garde-Luftsturmbrigade
Oberst Sergei Sucharew, Kommandeur 331. Garde-Luftsturm-Regiment
Oberstleutnant Denis Glebow, stellvertretender Kommandeur 11. Garde-Luftsturmbrigade
Oberstleutnant Juri Agarkow, Kommandeur 33. Mot-Schützen-Regiment

Besonders bizarr: Oberst Juri Medwedew wurde von untergebenen Soldaten umgebracht.

Die ukrainische Liste ist sogar noch länger, allerdings habe ich bisher für die hier nicht verzeichneten Namen keine Belege finden können. Zu bedenken ist, dass die russische Armee den Rang des Brigadegenerals nicht kennt, Generalmajor entspricht also "ein Stern", Generalleutnant "zwei Sternen". Ebenso kennen die Stabsoffiziersränge mehrere Abstufungen.

Auch bemerkenswert ist, dass viele dieser Gefallenen für ihren Rang vergleichsweise jung waren. Möglich, dass die im russischen Staat verbreitete Praxis, nach Beziehungen und nicht nach Verdienst zu befördern, auch hier zugeschlagen hat.
theoderich
Beiträge: 20377
Registriert: So 29. Apr 2018, 18:13

Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von theoderich »

muck
Beiträge: 1269
Registriert: Do 9. Jul 2020, 05:10

Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Bild

Öfter konnten die das "Z" nicht auf ihre Panzer pinseln? Hat dieses jetzt politisch vereinbarte Symbol, das seine Karriere als schnöde Freund-Feind-Kennung und taktisches Zeichen für einen Frontabschnitt begann, etwa magische Fähigkeiten? Mann, Mann, Mann. Die Parallelen zu den Armeen gewisser Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts werden immer offensichtlicher.
7L-WF
Beiträge: 125
Registriert: So 29. Apr 2018, 15:30

Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von 7L-WF »

hat seine Streitkräfte grundlos ein Nachbarland überfallen lassen.


wARLOCK
Beiträge: 8
Registriert: Fr 14. Sep 2018, 22:20

Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von wARLOCK »

Ernstgemeinte Frage:
Ist das wirklich das Niveau auf dem du dir deine Informationen suchst?

Zumal in den verlinkten Videos doch überhaupt nichts bewiesen wird, sondern nur die vagen Behauptungen russischer Staatsmedien nachverdaut werden.
Im übrigen die gleichen Medien, die noch vor fünf Wochen felsenfest behauptet haben es werde keinen Angriff auf die Ukraine geben und dass das alles westliche Paranoia und Propaganda sei.
Vor vier Wochen dann der Schwenk zur "militärischen Sonderoperation" um die Ukraine zu "entnazifizieren" und "demilitarisieren".
Die gleiche Truppe die bereits 2014 mit besonders "kreativen" Beiträgen wie den gekreuzigten Kindern im Donbass aufgefallen ist. Etc Etc

Ich kann eine gewisse unzufriedenheit mit der hiesigen Medienlandschaft durchaus nachvollziehen, aber sich deshalb in die Arme der russischen Staatspropaganda zu flüchten ist mir vollkommen unverständlich!
oldcrow
Beiträge: 33
Registriert: Fr 2. Aug 2019, 10:31

Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von oldcrow »

@ 7L-WF
hat seine Streitkräfte grundlos ein Nachbarland überfallen lassen.
Dieser Satz stimmt in deinem Post, der Rest ist leider totaler Blödsinn. So wie Du es hier nebeneinander stellst, könnte man zu der Meinung kommen, du rechtfertigst hier den Überfall der Russen auf die Ukraine. Tust Du das?
muck
Beiträge: 1269
Registriert: Do 9. Jul 2020, 05:10

Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Zum ersten Mal in meinem Leben verspüre ich gewisse Sympathien für eine "Cancel Culture".
muck
Beiträge: 1269
Registriert: Do 9. Jul 2020, 05:10

Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von muck »

Weil Fragen aufkamen zu diesen Zahlen:
muck hat geschrieben: Di 22. Mär 2022, 01:18 Die regierungsnahe russische Zeitung Komsomolskaya Pravda beziffert die russischen Verluste auf bisher 9861 Gefallene und 16153 Verwundete. (Quelle
Informnapalm.org – eine ukrainische und damit natürlich voreingenommene, jedoch mit Belegen arbeitende OSINT-Website – hat durch eine Analyse der russischen Medien und von Posts in den sozialen Netzwerken eine Zahl von 4794 Verleihungen des Russischen Tapferkeitsordens allein bis zum 3. März ermittelt. Diese Zahl lässt sich durch die fortlaufende Nummerierung der ausgegebenen Orden verifizieren; weil nur gezählt werden kann, was bekannt ist, stellt sie die Untergrenze dar.

In der Praxis wird diese Auszeichnung fast ausschließlich posthum verliehen.

— Trennung —

Generell empfehle ich als OSINT-Quellen oryxspioenkop.com, informnapalm.org und russiandefpolicy.com. Vlogger wie Nicholas Moran (alias 'The Chieftain') helfen bei der Einordnung. Gerade Oryx halte ich für unersetzlich, dokumentiert der Blog doch alle Ausfälle an Militärmaterial, für die bildliche Bestätigungen vorliegen. (Durch diese Methodik "hinkt" er den offiziellen Angaben, ob falsch oder richtig, natürlich hinterher; zudem ist der Betreiber zuletzt aus persönlichen Gründen weniger aktiv.)

Oryx gibt zum Stichtag 26. März die Zahl der russischen Verluste an Fahrzeugen aller Art mit mindestens (s.o.) 2019 an:
1004 zerstört,
38 beschädigt,
232 aufgegeben, und
745 erobert.

Darin eingerechnet sind allein 318 Kampfpanzer, darunter
136 zerstört,
6 beschädigt,
42 aufgegeben, und
134 erobert.

Die bildlich bestätigten Verluste der Ukrainer an Fahrzeugen belaufen sich auf 574, darunter
225 zerstört,
16 beschädigt,
37 aufgegeben, und
296 erobert.

79 davon sind Kampfpanzer, davon wurden
26 zerstört,
9 aufgegeben, und
42 erobert.

Die Verluste an Flugzeugen (Starr- und Drehflügler) wie folgt:

Russland 68, darunter
57 zerstört,
4 beschädigt,
2 aufgegeben, und
5 erobert.

Ukraine 22, darunter
19 zerstört,
1 beschädigt, und
2 erobert.

Wasserfahrzeuge:

Russland 3, darunter
1 gesunken, und
2 beschädigt.

Ukraine 13, darunter
2 gesunken, und
11 erobert.

In Anbetracht der Zeitleiste dieser Verluste ist festzustellen, dass Russland trotz anderslautender eigener Angaben keinesfalls die Luftherrschaft über der Ukraine errungen hat. Ebenfalls fällt in der Gesamtschau auf, dass die Russen im direkten Gefecht (d.h. exklusive Distanzschläge z.B. durch Marschflugkörper) den Ukrainern hauptsächlich am vorderen Rand der Verteidigung Verluste zufügen, wogegen die Ukrainer auch im Rücken der Russen zuschlagen.

(Aus diesem Grund halte ich die in vielen Medien kursierenden "zweifarbigen" Karten für untauglich. Da werden selbst Gebiete wie die Sümpfe nördlich von Kiew, die durch Überflutung gar nicht passierbar sind, als "russisch besetzt" eingetragen.)

Die niedrige Zahl an Verlusten ukrainischer Kampfpanzer erklärt sich wohl einerseits dadurch, dass die von westlichen Armeen ausgebildeten und beübten Verteidiger ihre Kräfte für panzergünstiges Gelände zurückhalten, könnte aber auch mit nicht bekannt gewordenen Verlusten an Depotfahrzeugen zu tun haben, die gar nicht zum Einsatz kommen könnten.

Wobei hier zweierlei zur Einordnung gesagt werden muss:

Wir sehen vor allem Bilder russischer Verluste, weil die Ukrainer diese systematisch dokumentieren, wogegen man den russischen Soldaten in der Aufmarschphase nach vielfachen Zeugenberichten alle elektronischen Geräte abgenommen hat. Demgegenüber hat die ukrainische Regierung ihre Soldaten dazu aufgerufen, die eigenen Verluste nicht zu dokumentieren.

Gesagt werden muss aber auch, dass die ukrainischen Meldungen über russische Verluste wesentlich näher an der (bisher?) belegbaren Wahrheit liegen als umgekehrt (so behauptet Russland etwa, in Bereichen bereits das Vielfache des ukrainischen Arsenals vernichtet zu haben) – was nicht nur daran liegen dürfte, dass in der Ukraine durch eine bessere Beachtung der Rede- und Pressefreiheit eine kritischere Öffentlichkeit besteht als in Russland, wo seit Anfang März absolute Zensur herrscht.

Zusammenfassend würde ich sagen, dass die zirkulierenden Angaben zu russischen Verlusten halbwegs zutreffend sein dürften. Fraglich sind gleichwohl die ukrainischen Angaben, gerade zu den eigenen Verlusten.

Dabei sind kollidierende Interessen in Rechnung zu stellen: Einerseits kann die Regierung einer keimenden Mediengesellschaft (s.o.) kaum riskieren, dass plötzlich im Internet viel mehr Totenscheine kursieren, als man selber ausgestellt haben will; auch haben Verluste eine durchaus aufrüttelnde Wirkung; andererseits muss die Moral der Bevölkerung und der Truppe natürlich unterhalten werden. In puncto Auslands-PR ist die Lage ähnlich: aufrüttelnd, bitte, abschreckend, nein.

Historisch betrachtet ist es m.E.n. unwahrscheinlich, dass die Ukrainer mehr Verluste zu verzeichnen haben als die Russen, und in dieser Behauptung berücksichtige ich nicht einmal die zahlreichen dokumentierten taktischen Fehler der russischen Führer vor Ort, die in totaler Verkennung der Lage (v.a. bei Gefechten in Städten) unnötig hohe eigene Verluste provoziert haben.

Solange der vorbereitete Verteidiger nicht geworfen wird, fügt er dem Angreifer regelmäßig höhere Verluste zu, als er erleidet, weswegen man Angriffe auf einen ebenbürtigen oder gar überlegenen Verteidiger auch normalerweise nicht einmal in Erwägung ziehen wird. Hinzu kommen hier nennenswerte Unterschiede im Feld, z.B. dass die Russen an der Befehlstaktik festhalten, wogegen die Ukrainer auf Auftragstaktik setzen (die sich als besser im Vermeiden von Verlusten erwiesen hat.)

Daher nehme ich an, dass die ukrainischen Angaben über die eigenen militärischen Verluste von der Wirklichkeit nicht weit entfernt sein dürften.

Fraglich ist die Zutreffendheit der zivilen Verlustmeldungen. Hier besteht ein größerer Anreiz, möglichst viele zivile Todesopfer zu melden, wie es im Krieg seit jeher gewesen ist. Allerdings erscheint mir diese Aussage selbst beinahe zynisch, angesichts der Bilder aus z.B. Mariupol kann kein sinnvoller Zweifel daran bestehen, dass die Russen die Zivilbevölkerung gezielt angreifen und womöglich schon weit mehr Todesopfer verursacht haben, als die Vereinten Nationen vermelden.

Ich könnte mir (ohne konkrete Anhaltspunkte) allenfalls vorstellen, dass Kiew zur "plausible deniability" greift; Lobbygruppen und Firmen, die Investoren suchen, wenden diese Strategie gerne an. Man lügt nicht, man erfindet keine Zahlen, aber legt Qualitätsstandards an die auszuwertenden Daten an, die an sich zwar stimmig, doch situativ zu streng oder zu nachsichtig sind und das Ergebnis auf subtile Weise beeinflussen. Die Grenze zwischen Bias und Absicht ist fließend.

Im konkreten Fall könnte das etwa so aussehen, dass man wegen der kriegsbedingten Beeinträchtigung der Zivilverwaltung Todesmeldungen berücksichtigt, die nicht gerichtsfest wären. Wohlgemerkt: dieses Argument könnte es durchaus rechtfertigen, zu hoch gegriffene Zahlen zu melden, solange man die eigenen Meldungen nachträglich korrigiert.

Bemerkenswert, weil lehrreich, ist noch, dass die bestätigten russischen Verluste an Technik sowohl den Schaum als auch den Bodensatz umfassen. So wurden T-90A und T-72B3M genauso vernichtet wie T-72A und BMP-1 im Urzustand. Offenbar hat man bereits Depotbestände reaktivieren müssen.

Es wird Russland (zumal angesichts der Sanktionen) schwerfallen, diese Verluste zeitnah zu ersetzen. Der Kreml hat wirklich in jeder Hinsicht das Gegenteil von dem erreicht, was geplant war, eine beeindruckende Verkennung der Umstände.

Ich hoffe, dieser Post ergibt Sinn und ist trotz seiner Länge leidlich informativ.
Milizler
Beiträge: 481
Registriert: So 29. Apr 2018, 17:25

Re: Krieg in der Ukraine

Beitrag von Milizler »

Ich möchte mich ausdrücklich für diesen Post bedanken, die Aussagen scheinen mir durchwegs prüfbar zu sein.
Antworten