Bundestag billigt Eurodrohne – für Deutschland erstmal nur unbewaffnet
https://augengeradeaus.net/2021/04/bund ... bewaffnet/
29.03.2021
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Karsten Klein, Christian Dürr,Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 19/27430 –
Sachstand Eurodrohne
1. Was bedeutet der Beschluss des Koalitionsausschusses zur unbewaffneten Beschaffung der Eurodrohne für die Planung des Bundesministeriums der Verteidigung, insbesondere für die zukünftige Bewaffnung der Eurodrohne?
Der vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) mit seinen drei europäischen Partnern verfolgte Ansatz der gemeinsamen Entwicklung und Beschaffung des European MALE RPAS (Medium Altitude Long Endurance Remotely Piloted Aircraft System) sieht dessen Entwicklung entlang multinational vereinbarter Systemforderungen mit einem für alle beteiligten Nationen gemeinsamen Design vor. Teil der multinationalen Systemforderung ist die technische Vorbereitung einer Bewaffnungsfähigkeit.
Dieser Ansatz ist geeignet, die Beschlusslage des Koalitionsausschusses zu be-rücksichtigen, ohne das gemeinsame Vorgehen mit den Partnern zu beeinträchtigen, da die souveräne nationale Entscheidung zur tatsächlichen Bewaffnung nicht vorweggenommen wird.
Die vom BMVg zum Schutz eigener Kräfte weiterhin angestrebte tatsächliche Ausrüstung der Systeme mit Effektoren ist mit diesem Ansatz nach entsprechender, gesonderter Befassung des Deutschen Bundestages möglich.
3. Ab wann und in welchen Stückzahlen wird das System Eurodrohne einsatzbereit sein (die erste Bereitstellung eines Systems bis zur vollständi-gen Auslieferung aller erforderlichen Systeme aufführen)?
Der deutsche Beschaffungsanteil beträgt 21 Luftfahrzeuge sowie verlegefähige Bodenkontrollstationen und Ausbildungsbodenstationen bzw. Simulatoren. Bei einem Vertragsschluss im zweiten Quartal 2021 sieht der Lieferplan die Auslie-ferung erster Systeme im Jahr 2029 vor. Der Abschluss der Lieferungen wird im Jahr 2034 erwartet.
Entlang dieser Planung ist vorgesehen, die anfängliche Einsatzbereitschaft im Jahr 2030 zu erreichen.
6. Ab welchem Zweitpunkt wäre es kostengünstiger gewesen, die Heron TP zu erwerben, anstatt zu leasen, betrachtet für den Fall, dass es im Projekt der Eurodrohne zu Verzögerungen kommen könnte und die Heron TP länger als vorgesehen im Einsatz bleiben muss, und wie lautet die Be-gründung der Bundesregierung?
Der Entscheidung zum Leasing des German HERON TP im Rahmen einer Betreiberlösung lag eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aus dem Jahr 2017 zugrunde, welche aufzeigte, dass diese Lösung bei einer Nutzung bis zum Jahr 2029 wirtschaftlicher ist. Dabei wurden mögliche Verzögerungen im Projekt Eurodrohne berücksichtigt.
Sofern die Fähigkeiten des German HERON TP über das Jahr 2029 hinaus genutzt werden sollen, ist zu gegebener Zeit über die dann erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich des zu deckenden Bedarfs zu entscheiden.
7. Ist geplant, die Bewaffnung der Eurodrohne ggf. mit den Partnerländern zusammen zu erwerben, und führt eine Nichtbewaffnung durch Deutschland zu vertraglichen oder sonstigen Problemen und Nachverhandlungen mit den Partnerländern, die an der Entwicklung der Eurodrohne beteiligt sind?
Eine gemeinsame Beschaffung der Bewaffnung mit den Partnerländern ist derzeit nicht vorgesehen. Vertragliche und sonstige Probleme oder eine Notwendigkeit zu Nachverhandlungen ergeben sich mit Verweis auf die Antwort auf die Frage 1 nicht.
8. Ist aus Sicht der Bundesregierung die breite öffentliche Debatte zur Bewaffnung von Drohnen, so wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD festgelegt, geführt worden, und wie begründet die Bundesregierung dies?
9. Gibt es innerhalb der Ressorts der Bundesregierung unterschiedliche Auffassungen zur Bewaffnung von Drohnen, und wenn ja, wie lauten diese, und wie begründen die einzelnen Häuser ihre divergierenden Auffassungen?
Die Fragen 8 und 9 werden zusammen beantwortet.
Das BMVg hat im Mai 2020 die bereits im Jahr 2014 begonnenen Fachdebatten erneut aufgenommen. Die dabei geführten öffentlichen Diskussionen sind Grundlage des Berichts des BMVg vom 3. Juli 2020, der dem Deutschen Bundestag zugeleitet wurde. Am 5. Oktober 2020 fand eine weitere öffentliche An-hörung im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages statt, in der die Notwendigkeit des Schutzes der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz deutlich wurde.
Damit hat die Bundesregierung die Grundlagen für eine weitere Befassung des Deutschen Bundestages und damit einer noch breiteren Öffentlichkeit mit der Frage der Beschaffung bewaffneter Drohnen geschaffen, deren Ergebnis das Vorgehen der Bundesregierung leiten wird. Die Bundesregierung nimmt zur Kenntnis, dass es im parlamentarischen Raum weiter Beratungsbedarf gibt.
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/280/1928083.pdf
Scholz bremst Kramp-Karrenbauers Eurodrohnen-Projekt (26. März 2021)
ür Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ist die Eurodrohne ein europäisches Prestigeobjekt: Entwickelt und gebaut von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, soll sie die technologisch weltweit führende Drohne werden und länger als andere in mittleren Höhen kreisen können. Für Finanzminister Olaf Scholz (SPD) dagegen ist das Projekt vor allem eines: ein gigantisches Kostenrisiko.
Deshalb ist unklar, ob die SPD im Haushaltsausschuss der Freigabe von rund drei Milliarden Euro für die Entwicklung der Eurodrohne zustimmen wird – obwohl der Koalitionsausschuss von Union und SPD sich bereits Anfang Februar festgelegt hat, das Projekt noch vor der Sommerpause zu beschließen.
Anders als üblich hat das Finanzministerium die ausverhandelten Verträge zwischen den vier Staaten und den beteiligten Unternehmen nicht nach rein formaler Prüfung an den Bundestags-Haushaltsausschuss zur Entscheidung weitergeleitet. Sondern es hat dem 335 Seiten dicken Vertragswerk aus dem Verteidigungsministerium eine zehnseitige Bedenkenliste vorangestellt.
Die Hauptkritikpunkte aus dem Haus von Scholz: Der Entwurf enthalte „im Vergleich zu anderen Verträgen eine ungewöhnlich einseitige zulasten der Auftraggeberseite ausgestaltete Risikoverteilung, die zu nicht prognostizierbaren Mehrkosten in der Zukunft führen könnte“.
Zweitens sei nicht akzeptabel, dass es eine „außerordentliche Preiseskalationsregel“ gebe, weil der Arbeitsstundenpreis für die Drohne bei Airbus mit den beiden anderen Großvorhaben FCAS-Kampfflugzeug und neue Eurofighter verknüpft werde.
Und drittens werde es nach der Entwicklungsphase ab 2025 weitere Finanzmittel im hohen dreistelligen Millionen Euro-Bereich geben müssen, „für die eine Haushaltsvorsorge nicht erkennbar ist“.
Darüber hinaus kritisiert das Finanzministerium, dass die Koordinierung des Projekts über die Occar, eine Organisation mehrerer EU-Staaten zum effizienten und effektiven Management von gemeinsamen Rüstungsvorhaben, laufen soll: Damit habe Deutschland zu wenig Einfluss. Allerdings ist es bei multinationalen Militärprojekten das normale Vorgehen, dass die Occar sie koordiniert.
Verteidigungsministerium hält Kritik für überzogen
Im Verteidigungsministerium reagiert man denn auch mit Unverständnis. In Scholz“ Haus fehle die Expertise zu Rüstungsprojekten, die massive Kritik rieche nach Wahlkampf.
„Multinationale Projekte können nicht nach rein nationalen Ambitionen realisiert werden“, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf Anfrage. Risiken gebe es bei jedem Projekt.
Bei Rüstungsprojekten sei es absolut üblich, dass es eine Verknüpfung gebe zu weiteren Projekten – und zwar durchaus auch zugunsten des Auftragsgebers Bund: Wenn Airbus die geplanten Aufträge für FCAS und den Eurofighter bekomme, werde die Drohne billiger, nicht teurer, weil die Airbus-Werke besser ausgelastet würden.
Im Verteidigungsministerium meint man inzwischen, zu viele Details in die Ausschussvorlage geschrieben zu haben, indem alle erdenklichen Risiken, auch die in ferner Zukunft, aufgelistet wurden. Dabei gebe es „Meilensteine“, bei deren Erreichen das mehrjährige Projekt jeweils nachjustiert werde.
Und beim ersten Kritikpunkt, dem Risiko zulasten der staatlichen Auftraggeber, habe das Finanzministerium übersehen, dass es nicht um zivile Verträge, sondern Rüstungsverträge gehe, bei denen eine Risikoaufteilung zwischen Hersteller und Auftraggeber üblich sei.
Soweit es gehe, so die Sprecherin, würden Rüstungsverträge immer zivilen Standards entsprechen. Aber es gebe insbesondere dann, wenn es ein multinationales Projekt sei, Besonderheiten, die sich in den Verträgen niederschlagen würden.
Für das Misstrauen im Finanzministerium spricht Erfahrung
Für das Misstrauen des Finanzministeriums spricht allerdings die Erfahrung, dass bisher noch jedes Rüstungsgroßprojekt am Ende erheblich teurer war als geplant. Der Bundesrechnungshof sieht ebenfalls ein erhebliches Kostenrisiko, weist aber auch darauf hin, dass ein gewisses Kostenrisiko bei Neuentwicklungen nicht unüblich sei. Daher müsse der Bundestag „politisch entscheiden“, ob er die Eurodrohne wolle oder nicht.
Die Grünen sind ebenso skeptisch wie Scholz. Grünen-Haushalts- und Verteidigungspolitiker Tobias Lindner sagte dem Handelsblatt: „Der Vertragsentwurf zur Eurodrohne ist der schlechteste, den ich in den letzten zehn Jahren gesehen habe. Europäische Zusammenarbeit kann kein Freibrief dafür sein, solch schlechte Verträge zu schließen.“
Die Union folgt dagegen den Argumenten ihrer Verteidigungsministerin und hält die Kritik von Scholz für maßlos. Der CDU-Verteidigungsexperte Patrick Sensburg etwa warf Scholz bei „Tagesschau.de“ vor, sich einen „schlanken Fuß zu machen“, obwohl es um ein wichtiges Projekt für die Sicherheit des Landes gehe.
https://www.handelsblatt.com/politik/in ... M3bLSz-ap2