Allein dass dieser Brief an die Öffentlichkeit durchgestochen wurde, sagt doch schon alles. Anderswo hasst man Sinti und Roma oder Juden, in Österreich hasst man ein Flugzeug.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 18. Jul 2020, 17:33Ja, dieses Flugzeug wurde ursprünglich als Antwort auf die Bedrohung von hoch und schnell fliegenden Jets der Sowjetunion entwickelt. Heute sind Luft-Luft-Missionen mit tatsächlichem Waffeneinsatz selten, Luft-Boden-Einsätze sind eher die Regel und stellen keine "Zweckentfremdung" dar.
EF Typhoon wird regelmäßig von der RAF für Kampfeinsätze verwendet:
Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Tatsache ist aber, dass sich die Zahl der Luft-Boden-Sorties aller Typhoon im homöopathischen Bereich bewegt, verglichen etwa mit dem Air Policing über dem Baltikum und Island.
Tatsache ist auch, dass die Maschine für Bodenangriffe absolut überqualifiziert ist und ein nicht unerheblicher Teil der Verzögerungen und Kostensteigerungen des Programms daher rührte, dass man das Flugzeug für eine Rolle ertüchtigen wollte, die man bei seiner Entwicklung nicht in den Blick genommen hatte.
Die Typhoon ist ein reinrassiger Luftüberlegenheitsjäger, in dessen Erbgut das "Luft-Boden-Gen" erst spät eingefügt wurde, und dies eigentlich auch nur deshalb, weil die Aussonderung dedizierter Muster für den Bodenangriff (wie Tornado und Jaguar) absehbar war.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 18. Jul 2020, 17:33Nach dieser Logik müssten wir Atombomben vorrätig haben und würden ca. 50 Kampfjets brauchen. Für alle Eventualitäten gerüstet zu sein ist komplett unrealistisch. In einem konventionellen Kriegsfall würden österreichische Kampfjets daher am Boden bleiben und es würde eine politische Lösung gesucht werden.
Ich denke, Du weißt durchaus, wie der Begriff "unwahrscheinlich" gemeint war. Die derzeitige Regierung in Wien scheint das Bundesheer auf Einsätze trimmen zu wollen, deren Eintrittswahrscheinlichkeit ihr statistisch hoch erscheint. Dies ist ein Irrweg, darin gründend, dass man einen falschen Bezugszeitraum gewählt hat, nämlich die Gegenwart allein – in dem unsinnigen Vertrauen darauf, man werde später schon wieder zeitig aufrüsten können.
Viele andere Staaten Europas haben denselben Kurs gefahren und bedauern ihn bereits wieder. In Deutschland etwa hat man die Fähigkeit zur Operationsführung auf Divisionsebene 2010 aufgegeben. 2014 wurde beschlossen, sie wiederzuerlangen. Nach jetzigem Kenntnisstand wird das Niveau vor der Reform frühestens 2027 erreicht, und zwar auch nur dann, wenn alles wie am Schnürchen läuft. Was nicht zu erwarten steht.
Es liegt damit auf der Hand, dass man mindestens für entsprechende Zeiträume planen muss. Ein Ereignis, das statistisch gesehen einmal in 100 Jahren eintritt, hat pro Jahr eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 1%. Habe ich aber 30 Jahre im Voraus zu planen, sieht die Welt schon ganz anders aus.
Es gibt statistisch unwahrscheinliche Ereignisse, mit denen man vernünftigerweise rechnen muss, und solche, auf deren Ausbleiben man rechnen kann, ohne sich der Fahrlässigkeit schuldig zu machen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Österreich seinen Luftraum gegen ein von Terroristen entführtes Flugzeug oder gar gegen einen militärischen Eindringling – und sei es eine verirrte MiG – verteidigen muss, ist höher, als viele glauben. Zumal Österreichs östliche Nachbarn Staaten mit vergleichsweise kleinen Luftwaffen und, vor allem, kleiner Fläche sind, die im Nu überflogen werden könnten.
Auch das Vertrauen Tanners auf den Schutz der Nachbarn ist erstaunlich naiv, und zwar nicht nur, weil allein Art 72 (7) EUV Österreich einen Anspruch auf die "in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung" anderer EU-Staaten im Verteidigungsfalle zubilligt.
Doch enthält dieselbe Vorschrift auch einen Auftrag an alle EU-Staaten, ihre militärischen Fähigkeiten zu erhalten und auszubauen. Es darf bezweifelt werden, dass Italien, Ungarn oder Deutschland es eilig haben würden, einem Österreich zu helfen, das zur Vorsorge in der Lage aber nicht willens war.
Überdies ist der Fortbestand von EU und NATO keineswegs sicher, zumindest nicht in der gegenwärtigen (auch territorialen) Form. Von letzterer kann Österreich sogar noch weniger Schutz erwarten. Er wird nicht einmal geschuldet.
öbh hat geschrieben: ↑Fr 17. Jul 2020, 16:09Einmotorige Kampfjets wie JF-17 oder Saab Gripen reichen aus, wenn man NATO-Flieger mit höherer Produktionszahl (zwecks Versorgungssicherheit) bevorzugt, dann irgendeine F-16 Variante.
Welche Rolle soll denn die Anzahl der Triebwerke spielen? Das ist der geringste Kostenpunkt. Die Avionik, die Mittel zur elektronischen Kampfführung, der Flugkontrollcomputer und spezielle Werkstoffe – da liegt der Hund begraben.
Im Übrigen sehe ich nicht, warum die F-16 eine höhere "Versorgungssicherheit" als die Typhoon bieten sollte. In Anbetracht der geringen Größe der österreichischen Flotte sollte es bei keinem Muster seine Schwierigkeiten haben, eine Ersatzteilversorgung auf dem Second-Hand-Markt sicherzustellen.
Einen wirklichen finanziellen Vorteil erhielte man nur dann, wenn man jetzt gebrauchte F-16 beschaffte, deren hunderte in den kommenden zehn Jahren in Europa und den USA außer Dienst gestellt werden.
Doch reden wir hier von F-16, die weit über dreißig Jahre auf dem Buckel haben. Man könnte ihren Nachfolger gleich mitbestellen.
Bestellte man neue F-16, wäre mit der Typhoon wohl sogar eine höhere Versorgungssicherheit gegeben, denn davon fliegen nicht viele umher und die Produktionsstraßen werden auch nicht mehr lange offengehalten.
Die F-35 wird in höherer Stückzahl produziert, damit sind auch Ersatzteile etc. billiger. In puncto Ausbildung kann man mit den Amerikanern kooperieren, deren Militär viel stärker in Verkaufsanstrengungen der Rüstungsindustrie eingebunden ist als auf unserer Seite des Atlantiks üblich.
Alles in allem vergleicht indes Äpfel mit Birnen, wer die Flugstundenkosten beider Muster vergleicht, denn beide Maschinen sind für völlig unterschiedliche Rollen konzipiert. Abgesehen von der Tarnkappentechnologie ist allein das Radar der F-35 komplexer als das der Typhoon (jedenfalls sans Captor-E).
Schon die eingeschränkte Belastbarkeit der Zelle (F-35 je nach Variante 4,5 bis 5 g) gegenüber der der Typhoon (9+ g) lässt erkennen, wo sich das höhere Kostenpotential der letzteren verbirgt, bspw. in puncto Instandhaltung, aber auch in der Ausbildung. Man vergleiche nur die Länge des B-Course der USAF für die F-35 mit dem für die F-16.
opticartini hat geschrieben: ↑Sa 18. Jul 2020, 17:33Allerdings muss man so ehrlich sein zu erkennen, dass das Projekt Eurofighter in Österreich von Beginn weg "verpfuscht" wurde.
Kein Grund, es nicht wieder ins Gleis zu setzen, schon im Sinne des Steuerzahlers. Tanner verkauft ihre Landsleute für dumm, wenn sie vorspiegelt, dass ein Ersatz der Typhoon nicht mit exorbitanten Mehrkosten für den Staatssäckel verbunden wäre.
Man hat damals den Fehler begangen, das Flugzeug zu entkernen. Wetzte man diese Scharte aber aus und sorgte für geeignete Ausbildungsplattformen, könnte das ÖBH seine kleine Flotte locker bis 2040 betreiben.