Schweiz: Programm "Air2030"

Wehrtechnik & Rüstung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
theoderich
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von theoderich »

Die Würfel sind gefallen: Der Bundesrat will 36 US-Kampfjets des Typs F-35 kaufen - dieser habe «in den drei Hauptkriterien am besten abgeschnitten»

https://www.nzz.ch/schweiz/kampfjets-di ... ld.1630495

m.ileduets hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 17:00Die Typenwahl wird wohl wieder durch eine Volksabstimmung bestätigt werden müssen.
Wie sollte das funktionieren? Indem man die bereits beschlossene Finanzierung des Projekts "Air 2030" wieder kippt?
muck
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von muck »

Dann hoffen wir mal für die Schweizer Armee, dass das Ganze nicht wegen der abstrusen Argumente der GSoA wieder gekippt wird. Deren Widerstand gegen US-Hersteller grenzt beinahe an Rassismus.

Erstaunen tut mich der Typenentscheid dennoch. Mich würde interessieren, wie sich die Punkte "Wirksamkeit", "Produktesupport" und "Kooperation" aufteilen. Bei "Wirksamkeit" kann ja nur die LO-Technologie gemeint sein.

"Produktesupport"? Inwiefern Lockheed Martin hier die Nase vorne hatte, würde mich auch sehr interessieren. Da alle Anbieter dieselben Kriterien zu erfüllen hatten, frage ich mich, wie diese überzuerfüllen wären.

Und dann: "Kooperation"? Auf militärischer oder auf industriell-politischer Ebene? Auch dies verwirrt mich. Zumindest was das öffentlich Gewordene anlangt, war in puncto militärische Kooperation kein Unterschied zu erkennen.

Inwiefern Lockheed Martin die anderen Hersteller im wirtschaftlichen Bereich ausstechen konnte, etwa bei Offset-Geschäften, ist mir nicht ganz klar. Was wird geboten, das Frankreichs PC-21-Käufe oder eine komplette Typhoon-Montagelinie schlägt?

Zumal die F-35 viel "secret sauce" enthält, die der Schweiz vorenthalten werden wird und mit der sie keine Wertschöpfung betreiben kann. Alles in allem: Interessant und bedenkenswert.
opticartini
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von opticartini »

Maschin hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 01:43 Also aufgemalt ist einmal gar nichts auf den SFTs.
Aha, dann ist das was auf den Fotos zu sehen ist mit Photoshop reinmontiert oder wie?

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theoderich
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von theoderich »

Es gibt dafür eine hochmoderne, innovative Methode: nennt sich "Klebeschrift" ;-)
muck
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von muck »

Könnten wir diese Diskussion um Unterflügeltanks vielleicht einstellen? Es geht hier mittlerweile arg kleinlich zu. Jedes der angebotenen Flugzeuge hatte Stärken und Schwächen. Diese zu gewichten, war die Aufgabe der Luftwaffe. Dazu sollte sie prinzipiell in der Lage sein.

Aber schon der Umstand, dass zwei der drei Kategorien, die die Regierung der Schweiz interessierten, sich gar nicht um das Flugzeug drehten, sondern wirtschaftliche und politisch-strategische Gesichtspunkte betrafen, zeigt, dass wir aufhören können, uns mit der Maschine selber auseinanderzusetzen.
m.ileduets
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von m.ileduets »

theoderich hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 17:06
m.ileduets hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 17:00Die Typenwahl wird wohl wieder durch eine Volksabstimmung bestätigt werden müssen.
Wie sollte das funktionieren? Indem man die bereits beschlossene Finanzierung des Projekts "Air 2030" wieder kippt?
Nein, die SP, die Grünen und die GSoA werden eine Volksinitiative, wie angekündigt, lancieren, weil die Typenwahl auf ein amerikanisches Produkt gefallen ist. Die Initiative wird sich also diesmal gegen die Typenwahl richten und nicht grundsätzlich gegen die Beschaffung, welche vom Volk schon agenommen wurde. Bei der Wahl eines europäischen Produktes hätten die genannten Parteien auf eine Initiative verzichtet.

Dass genügend Unterschriften zusammenkommen, steht ausser Zweifel. Ob die Initiative verfassungskonform wäre, müssten allerdings die Juristen der Bundeskanzlei noch bestätigen.

Das Risiko besteht also, dass die Beschaffung durch die Initiative weiter verzögert oder gar verhindert wird.
muck
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von muck »

Würde schon die Einleitung einer Volksinitiative, sollte diese verfassungskonform sein, eine aufschiebende Wirkung entwickeln?
theoderich
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von theoderich »

Typenentscheid löst Volksinitiative aus

https://www.srf.ch/news/schweiz/kampfan ... iative-aus


Koalition aus Gsoa, SP und Grünen lancieren Volksinitiative
Gleichzeitig wollen die Gruppe Schweiz ohne Armee, die SP und die Grünen im August eine Volksinitiative gegen den Kampfjet-Kauf lancieren.

Mit der Wahl des F-35 wolle der Bundesrat 36 «massiv überdimensionierte Kampfjets» anschaffen. Das schreibt die Allianz am Mittwoch nach Bekanntgabe des Typen-Entscheids des Bundesrats in einer Mitteilung.

Der F-35 sei völlig ungeeignet für luftpolizeiliche Aufgaben und habe «mehrere hundert Sicherheitsmängel», schreibt die Allianz. Mittlerweile würden sich auch hochrangige amerikanische Offiziere vom F-35 abwenden.

SP-Fraktionschef Roger Nordmann ärgert sich über den Entscheid. Auf Twitter schreibt er, dass sich mit dem Kauf die Beziehungen zur EU verschlechtern würden. Erst kürzlich hatte der Bundesrat mit dem Abbruch des Rahmenabkommens den EU-Beziehungen einen herben Schlag versetzt.

SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf (ZH) ist zudem besorgt über die Datensicherheit. «Beim F-35 fliegen die amerikanischen Geheimdienste immer im Cockpit mit», lässt sie sich zitieren.
In einer Demokratie mache der Bundesrat bei einem solch knappen Ergebnis normalerweise klare Konzessionen an die grosse Gegnerschaft. Das schreibt die Koalition. Das sei hier bei der Wahl des Typs nicht gewesen.

Entsprechend «entrüstet» sei die Koalition über die «Sturheit des Bundesrats», dass er bei der Typen-Wahl keine Kompromisse machen wolle. Die Abstimmung habe gezeigt, dass das Volk keinen Ferrari in der Luft wolle. So lässt sich Marionna Schlatter, Nationalrätin der Grünen, in der Mitteilung zitieren.

Verfehlte Sicherheitspolitik ohne Bezug auf Realität

Aus Sicht der Allianz ist dies zudem eine völlig verfehlte Sicherheitspolitik, die keinen Bezug zur Realität habe. Denn der F-35 liefere keine Antwort auf die aktuellen Bedrohungen wie der Corona-, Klima- oder Care-Krise. «Gesundheitliche, ökologische oder soziale Probleme liessen sich nicht wegbomben», schreibt die Allianz.

Den Weg über eine Initiative müsse die Gruppe Schweiz ohne Armee (Gsoa) gehen, weil gegen Rüstungsbeschlüsse kein Referendum möglich ist. Was die Volksinitiative für den Beschaffungsprozess konkret bedeutet, ist offen. Jedenfalls dürfte es diesen verzögern.
Die Investition in neue Kampfflugzeuge ist eine Investition in die Sicherheit, schreibt die SVP in einer Mitteilung. Die Schweizer Armee habe den Auftrag der Landesverteidigung. Dazu gehöre eine funktionstüchtige Luftwaffe. Nach Ansicht der SVP obliege «der Entscheid über den Flugzeugtyp den Fachgremien der Armee und dem Bundesrat».

Die Partei sei konsterniert über den Links-grünen Widerstand, der wieder einen demokratischen Entscheid missachte.

Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) sieht der Volksinitiative dank eines «guten, breit abgestützten Fundaments»des Bundesrats gelassen entgegen. Der Bundesrat habe mit dem Typtentscheid «Mut und Führungsstärke» bewiesen, so die SOG. Auch der «Verein für eine sichere Schweiz» ist «bereit für einen weiteren Abstimmungskampf gegen die Gsoa», wie er mitteilte.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/k ... e-65956749


Jetzt kommt die Initiative gegen den F-35

https://www.gsoa.ch/press_release/jetzt ... -den-f-35/
  • https://stopp-kampfjets.ch/
    3 Initiativtext

    Initiative gegen den F-35 (kurz: Stop F-35)

    Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt:

    Art. 197 Ziff. 13 (neu)

    13. Übergangsbestimmungen zu Art. 60 (Organisation,Ausbildung und Ausrüstung der Armee)
    1. Der Bund beschafft keine Kampfflugzeuge des Typs F-35 Lightning II des Herstellers Lockheed Martin Corporation
    2. Das Armeebudget wird entsprechend angepasst.
    3. Diese Bestimmung tritt am 01. Januar 2040 ausser Kraft.
    https://stopp-kampfjets.ch/wp-content/u ... p-F-35.pdf

muck hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 22:15 Würde schon die Einleitung einer Volksinitiative, sollte diese verfassungskonform sein, eine aufschiebende Wirkung entwickeln?
Sieht nicht danach aus:
Art. 139 Volksinitiative auf Teilrevision der Bundesverfassung

1 100 000 Stimmberechtigte können innert 18 Monaten seit der amtlichen Veröf­fentlichung ihrer Initiative eine Teilrevision der Bundesverfassung verlangen.

2 Die Volksinitiative auf Teilrevision der Bundesverfassung kann die Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs haben.

3 Verletzt die Initiative die Einheit der Form, die Einheit der Materie oder zwin­gende Bestimmungen des Völkerrechts, so erklärt die Bundesversammlung sie für ganz oder teilweise ungültig.

4 Ist die Bundesversammlung mit einer Initiative in der Form der allgemeinen Anre­gung einverstanden, so arbeitet sie die Teilrevision im Sinn der Initiative aus und unterbreitet sie Volk und Ständen zur Abstimmung. Lehnt sie die Initiative ab, so unterbreitet sie diese dem Volk zur Abstimmung; das Volk entscheidet, ob der Initiative Folge zu geben ist. Stimmt es zu, so arbeitet die Bundesversammlung eine entsprechende Vorlage aus.

5 Eine Initiative in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs wird Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet. Die Bundesversammlung empfiehlt die Initiative zur Annahme oder zur Ablehnung. Sie kann der Initiative einen Gegenentwurf gegen­überstellen.
https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de



Es ist aber ziemlich sicher, dass der Text gegen das Revidierte Übereinkommen über das Öffentliche Beschaffungswesen (GPA) (siehe auch hier) verstößt (Vertragspartner sind, neben der Schweiz, auch alle EU-Mitgliedsstaaten und die USA) und damit völkerrechtswidrig ist:
Art. VIII Teilnahmebedingungen

[...]

4. Sofern Beweise dafür vorliegen, kann eine Vertragspartei, einschliesslich ihrer Auftraggeber, einen Anbieter unter anderem aus folgenden Gründen ausschliessen:

a) Konkurs;

b) unwahre Aussagen;

c) erhebliche oder anhaltende Mängel bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung oder Verpflichtung im Rahmen von früheren Aufträgen;

d) rechtskräftige Urteile betreffend schwere Verbrechen oder sonstige schwere Delikte;

e) berufliches Fehlverhalten, Handlungen oder Unterlassungen, die die beruf­liche Ehre und Integrität des Anbieters beeinträchtigen;

f) Nichtbezahlung von Steuern.
Gemäß diesem Abkommen ist es verboten, "Firma X" bzw. "Produkt Y" ohne Begründung und erst recht nicht aus einem anderen Grund als den genannten (schon gar nicht aus ideologischen Motivationen heraus) von einem Vergabeverfahren bzw. einer Beschaffung auszuschließen.

Dieser Text hat u.a. in die Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG Eingang gefunden [Art. 39 (2) Richtlinie 2009/81/EG].


Zuletzt geändert von theoderich am Do 1. Jul 2021, 23:08, insgesamt 13-mal geändert.
opticartini
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von opticartini »

theoderich hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 20:16 Es gibt dafür eine hochmoderne, innovative Methode: nennt sich "Klebeschrift" ;-)
Meine Güte, geht's jetzt tatsächlich um die saloppe Verwendung des Worts "aufmalen" bzw. "anmalen" als Umschreibung für die Anbringung eines Schriftzugs. Ja natürlich, die Flieger bzw. die Tanks werden nicht angemalt oder lackiert sondern mit Folien beklebt (die zuvor in einer Druckerei mit Farben versehen werden, man könnte also auch sagen sie werden "angemalt"...)

Zum Thema:
Dass F-35 bei den Militärs sehr beliebt ist das war zu erwarten - allen Unkenrufen über irgendwelche Mängel und Performancedefiziten zum Trotz.

Bisher wurde der Preis als Hindernis genannt, allerdings kommt das häufig aus Berichten über die hohen Entwicklungskosten in den USA. Beim Export sind die Amerikaner mehr als bereit, ihre mittel- und langfristigen Interessen vor kurzfristige finanzielle Gewinne zu stellen und sie können die Kosten durch Massenproduktion drücken.

Preislich kommt F-35 außerdem zugute, dass es mit einem Triebwerk auskommt. Triebwerke sind enorme Kostentreiber bei Flugzeugen. Kann mich an einen Ingenieur erinnern, der gemeint hat dass das Triebwerk alleine so komplex ist wie das restliche Flugzeug zusammengenommen (bevor wieder irgendwer daherkommt: Das ist so wie oben "salopp gesagt", ich habe diese Behauptung nicht technisch minutiös überprüft).

Eine Rüstungsbeschaffung dieser Größe ist aber immer eine politische Entscheidung und also darf man gespannt sein, wie es weitergeht.
theoderich
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Re: Schweiz: Programm "Air2030"

Beitrag von theoderich »

opticartini hat geschrieben: Mi 30. Jun 2021, 23:07Meine Güte, geht's jetzt tatsächlich um die saloppe Verwendung des Worts "aufmalen" bzw. "anmalen" als Umschreibung für die Anbringung eines Schriftzugs.
Das war ein Witz!!
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