Schweiz: Verteidigungsminister Parmelin schlägt Kauf von Löschflugzeugen und zusätzlichen Transporthubschraubern vor

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theoderich
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Schweiz: Verteidigungsminister Parmelin schlägt Kauf von Löschflugzeugen und zusätzlichen Transporthubschraubern vor

Beitrag von theoderich »

Bundesrat Guy Parmelin: «Die Armee spürt die Folgen des Klimawandels»
Für manche Politiker der SVP ist der Klimawandel immer noch eine bloße Vermutung. SVP-Bundesrat Guy Parmelin sieht darin indes eine belastende Realität. "Die Armee spürt die Folgen des Klimawandels", sagt der Verteidigungsminister im Interview. Die Armee werde immer häufiger um Hilfe wegen Dürre, Bergstürzen und Waldbränden ersucht. Auch diesen Sommer flog die Luftwaffe zahlreiche Einsätze, um Kühe auf Almen mit Wasser zu versorgen. Für Parmelin ist darum klar: "Wir sollten unsere Fähigkeiten zur Bewältigung von Naturereignissen noch verstärken."

Dazu hat der SVP-Magistrat erste Ideen entwickelt. Er lässt prüfen, ob die Armee auch Canadairs beschaffen soll, große Löschflugzeuge, wie sie viele Länder zur Bekämpfung von Waldbränden einsetzen. "Vielleicht könnte dies angesichts der Trockenheit eine sinnvolle Investition sein." Sodann möchte Parmelin bei der Bewältigung von Naturkatastrophen noch stärker mit anderen Ländern zusammenarbeiten. Ihm schwebt ein gemeinsamer Pool vor, in den alle Beteiligten ihre Einsatzmittel einbringen und aus dem sie sich dann im Notfall bedienen können. "Natürlich braucht es dazu einen Mechanismus, wie man die Kosten teilt", sagt er.

Parmelin will diese Vorschläge nun auch mit den Kantonen besprechen. Bis Ende des Jahres will er mit ihnen analysieren, wie sich die Zusammenarbeit mit der Armee bei subsidiären Hilfseinsätzen noch verbessern lässt und welche Mittel es dazu braucht.

Erstmals nimmt der Verteidigungsminister auch Stellung zum kontroversen Entscheid des Bundesrates, den internationalen Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen nicht zu unterzeichnen. Ein solches Verbot könnte kontraproduktiv sein, warnt Parmelin. Denn paradoxerweise habe die abschreckende Wirkung der Atombomben zu einer Stabilisierung geführt, von der auch die Schweiz profitiere.

NZZ am Sonntag: Die Schweiz ist Passivmitglied der Nato. Teilen Sie diese Einschätzung?

Guy Parmelin: Nein, sicher nicht. Die neutrale Schweiz beteiligt sich an der Partnerschaft für den Frieden der Nato, sie wird aber nie Mitglied werden.

Nun hat aber der Bundesrat entschieden, den Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen nicht zu unterzeichnen. Sein Argument: Die Sicherheit der Schweiz sei untrennbar mit derjenigen der Nato verbunden, deshalb "spielen Kernwaffen für ihre Sicherheit eine Rolle". Sind Sie also froh über die Atombomben der Nato?

Die Schweiz engagiert sich seit Jahren für nukleare Abrüstung. Nun gibt es aber Länder, die über solche Waffen verfügen, demokratische und totalitäre. Keines dieser Länder hat sich an dem Vertrag beteiligt. Er droht deshalb zu einer Verhärtung in der Diskussion zu führen, das wäre kontraproduktiv. Deshalb unterzeichnet der Bundesrat den Vertrag jetzt nicht. Wir wollen aber in einigen Jahren die Situation noch einmal anschauen.

Man könnte auch sagen: Die Schweiz profitiert vom Nuklearschirm der Nato, und der Bundesrat will das Verhältnis zu dem Armeebündnis nicht belasten.

Atomwaffen haben als letztes Mittel der Kriegsführung eine abschreckende Wirkung. Nur wenige Staaten verfügen anerkanntermassen über solche Waffen, und die Politik war stets darauf ausgerichtet, dass keine neuen Länder zu Atombomben gelangen. Das hat paradoxerweise zu einer Stabilisierung der Verhältnisse beigetragen, von der die Schweiz indirekt profitiert hat und noch profitiert.

Trotzdem wollen Sie neue Kampfjets und ein Flugabwehrsystem kaufen. Ist das überhaupt nötig?

Es geht um unsere Glaubwürdigkeit. Wir sind neutral und wollen keinem Bündnis angehören. Deshalb müssen wir unseren Luftraum selbständig schützen. Es darf mitten in Europa keine Lücke in der Überwachung und im Schutz des Luftraums geben, die etwa von Terroristen ausgenützt werden könnte.

Im Zentrum steht also der Luftpolizeidienst?

Nicht nur, es geht um den Schutz unserer Bevölkerung. Die Luftverteidigung ist ein strategischer Pfeiler in der Weiterentwicklung der Armee, mit der wir uns den Herausforderungen der Zeit anpassen, sei es im Cyberbereich oder eben in der Luft.

Bei den Kampfjets soll das Volk nicht über den Typ abstimmen können, sondern nur über einen Planungsbeschluss von 8 Milliarden Franken für Flieger und ein Abwehrsystem. Die Linke kritisiert, man müsse die Katze im Sack kaufen. Rechts befürchtet man, dass nun jedes große Rüstungsgeschäft vors Volk kommt. Ist Ihr Plan bereits gescheitert?

Nein, solche Kritik gibt es immer, das ist politischer Natur. Der Planungsbeschluss hat mehrere Vorteile: Das Volk kann sich dazu äußern, mit welchen Mitteln wir den Luftraum schützen wollen; wir schlagen einen Betrag von 8 Milliarden Franken vor. Uns gibt er Planungssicherheit. Und wir vermeiden einen öffentlichen Expertenstreit darüber, welcher Jet in Kombination mit welchen Abwehrraketen die beste Lösung wäre.

So nehmen Sie aber das Votum über den Gripen nicht ernst. Der schwedische Jet wurde auch von Armeefreunden abgelehnt, weil sie ihn für untauglich erachteten.

Wenn ich mit Leuten aus dem Volk rede, höre ich anderes. Man bestätigt mir, dass wir den richtigen Weg gewählt haben: Eine Grundsatzabstimmung über die strategisch extrem wichtige Frage, wie wir die Menschen vor Luftangriffen schützen.

Und bei einem Nein? Verzichten Sie dann auf jede Luftabwehr?

Nein, sonst wäre die Bevölkerung Angriffen aus der Luft schutzlos ausgeliefert. Man müsste die Gründe für das Nein analysieren. War der Betrag zu hoch? Wurde unser Vorgehen abgelehnt? So weit sind wir aber nicht. Ich bin überzeugt, dass das Volk einen vernünftigen Entscheid fällen wird, so wie es das in wichtigen Fragen immer getan hat.

Allen Diskussionen über Kampfjets zum Trotz: Im Einsatz stehen derzeit die Helikopter, um Kühe auf der Alp zu tränken. Haben wir den Ernstfall Klimawandel?

Die sicherheitspolitische Lage hat sich wegen der Klimawandels nicht geändert. Zum Auftrag des Militärs gehört die subsidiäre Unterstützung der Behörden im Katastrophenfall. Und das spürt die Armee die Folgen des Klimawandels. Wir stellen fest, dass die Gesuche um Unterstützung zugenommen haben, sei es wegen Trockenheit, Waldbränden oder Murgängen. Ich war gerade im Bergsturzgebiet von Bondo und habe mit den Verantwortlichen diskutiert, die - leider, muss man sagen - Spezialisten auf diesem Gebiet sind. Ich will nun bis Ende Jahr mit den Kantonen schauen, ob unsere Prozesse für solche Einsätze noch genügen und wie man die Zusammenarbeit noch besser koordinieren könnte.

Ist die Armee denn für solche Aufgaben richtig ausgerüstet?

Wir sind gut ausgerüstet. Aber ich will trotzdem auch überprüfen lassen, ob die Armee über die geeigneten Mittel für solche Einsätze verfügt.

Sie denken beispielsweise an zusätzliche Helikopter?

Auch. Als ich in Bondo war, waren fast alle unsere Superpumas im Einsatz. Ich frage mich aber auch, ob wir vielleicht eine Canadair beschaffen sollen. Im Moment hat die Armee kein solches Löschflugzeug, das bei Waldbränden eingesetzt werden kann. Vielleicht könnte das angesichts der Trockenheit eine sinnvolle Investition sein, auch für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern.

Wie meinen Sie das?

Eine Idee wäre zum Beispiel, dass wir mit anderen Ländern einen Pool gründen, in den alle ihre Mittel einbringen und aus dem man sich im Notfall bedienen kann. Viele Länder helfen sich ja heute schon. Unsere Helikopter etwa waren letztes Jahr bei der Brandbekämpfung in Portugal im Einsatz. Vielleicht lässt sich dies mit einem solchen Pool noch verbessern. Natürlich braucht es dazu auch einen Mechanismus, wie man die Kosten teilt. Zu all diesen Fragen mache ich nun mit den kantonalen Militärdirektoren eine Auslegeordnung. Klar scheint mir, dass wir unsere Fähigkeit zur Bewältigung von Naturereignissen noch verstärken sollten.

Braucht es mittlerweile die Armee, damit die Bergtäler bewohnbar werden?

Die Schweiz steht zum Grundsatz der dezentralen Besiedelung. Der Bündner Verantwortliche für Katastrophenbewältigung, ein überzeugter Föderalist, hat mir gesagt: Wenn es ein großes Schadensereignis gibt, dann brauchen wir die Armee. Diese kommt zwar immer nur als letzte Reserve zum Einsatz, aber ohne sie geht es eben meistens noch nicht.

Häufig geht es bei solchen Einsätzen um Auf- und Wegräumarbeiten. Das könnten doch auch die Zivildienstler tun, aber genau deren Zahl wollen Sie nun senken.

Die Verfassung ist in diesem Punkt klar. Es gibt eine Dienstpflicht in Armee oder Zivilschutz, der Zivildienst ist ein Ersatzdienst. Ich habe vollen Respekt vor dessen Leistung. Aber gerade Ereignisse wie der Bergsturz am Piz Cengalo in Bondo zeigen: Wenn es ernst gilt, braucht es ausgebildete Einsatzkräfte von Armee oder Zivilschutz. Nur mit Zivildienstlern erreichen Sie dort nichts. Es darf also nicht so weit kommen, dass der Armee wegen des Zivildienstes plötzlich die Leute fehlen. Dafür verbessern wir einerseits die Attraktivität der Armee. Aber wir müssen umgekehrt auch bei der Zulassung zum Zivildienst Grenzen setzen.
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