Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung
Verfasst: Do 8. Apr 2021, 17:42
HANFSTINGL Mjr Ulrich: Anpassung der Eurofighterausbildung in Österreich, in: Aquila. Die Fachpublikation der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule, Bd. 20 (2021), p. 24-27
Bis 2020 wurde die Jet Grundausbildung auf der SAAB 105OE in HÖRSCHING absolviert. Mit Herbst 2020 wurde diese Ausbildung vorläufig nach LECCE/ITA verlegt. Weiter erfolgt dann die Schulung auf dem Lfz T-346A in LECCE. In der nächsten Ausbildungsphase wechselt der Militärpilot dann auf das Lfz EFT um in LAAGE/DEU die Grundlagen des Fliegens mit dem Waffensystem EFT zu erlernen. Die letzte Phase ist dann die nationale Einsatz-Militärpilotenausbildung auf dem EFT in Zeltweg.
Die beschriebene Ausbildung umfasst einen Zeitraum von - idealerweise - vier Jahren.
Es ist leicht ersichtlich, dass viele der oben erwähnten Schritte an einem anderen Ort und mit einem Luftfahrzeug mit völlig unterschiedlichem technischem Stand zu meistern sind.
DA-40 bis PC-7 (Phasen I-IIIa)
Diese Phasen erstrecken sich über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren. Auf Grund der zeitlichen Distanz zum eigentlichen Ausbildungsziel ergeben sich in diesem Abschnitt fast keine Möglichkeiten, durch Änderungen am jeweiligen Syllabus entscheidend in die Entwicklung der zukünftigen EFT-Piloten einzugreifen.
Jedenfalls erwähnenswert ist, dass mit der Ausphasung der SAAB 105OE die folgende Phase der Jet Grundausbildung im Ausland absolviert wird. Somit endet bereits nach dieser kurzen Zeit die Möglichkeit, einen Militär-Flugschüler national zu beobachten, zu bewerten und möglicherweise gezielt zu fördern.
Auch die Möglichkeit des Militär-Flugschülers sich mit den Eigenheiten des Fliegens in ÖSTERREICH (Luftraumstruktur, Gelände, Meteorologie, Organisation der Kontrollstellen, etc.) vertraut zu machen, sind in diesem Fall begrenzt.
Vor allem dieser Punkt wird in zukünftige Betrachungen mit einfließen müssen.
Jet Grundausbildung (Phase IIIb)
Auf Grund der bevorstehenden Änderungen im Ablauf der Ausbildung wird diese Phase in zwei unterschiedlichen Ebenen dargestellt.
Ebene 1 - SAAB 105OE
Während dieses Ausbildungsschrittes liegt der Fokus auf dem Kennenlernen des zukünftigen Geschwindigkeitsspektrums und der grundsätzlichen Herausforderungen, ein Strahlflugzeug in der Rotte effektiv zu fliegen. Taktische Überlegungen stehen zu diesem Zeitpunkt noch eindeutig im Hintergrund.
Im Laufe der letzten zehn Jahre ist es zu etlichen Anpassungen des Syllabus SAAB 105OE gekommen, um die Vorbereitung der Militärpiloten zu verbessern, beziehungsweise um diese optimal auf die Herausforderungen des unmittelbar folgenden Ausbildungsschrittes vorzubereiten.
Als wesentlichstes Problem bei den Bemühungen das Training adäquat anzupassen, hat sich die technische Ausstattung der SAAB 105OE herausgestellt. Ohne den, in Kampfflugzeugen üblichen, Systemen wie "Head up display" (HUD), "Tactical Air Navigation" (TACAN), Darstellungen von Waffensymbolen und einem geeigneten Mittel Flugspuren für eine gezielte Nachflugbesprechung zur Verfügung zu haben, hat man hier die Grenze der Anpassbarkeit des Trainings erreicht.
Diese wurden durch entsprechende Maßnahmen ausgenutzt, weiteres Optimierungspotential besteht jedoch nicht mehr.
Ebene 2 - MB339CD
Beginnend mit Herbst 2020 soll diese Phase der Ausbildung an die internationale Flugschule der italienischen Luftwaffe ausgelagert werden. Mit dem Luftfahrzeug MB-339CD steht ein zeitgemäßer Jettrainer zur Verfügung.
Der Fokus der Ausbildung ist zunächst der gleiche wie unter Ebene 1 beschrieben. Auf Grund der technischen Ausstattung des Lfz werden allerdings erste taktische Überlegungen miteinbezogen.
Erstmals stellt sich hier ein wesentlicher Unterschied in der Zielsetzung des internationalen Trainings zur nationalen Ausbildung dar. Anders als in Österreich, wo das Schwergewicht der Aufgaben im Bereich "Luft-Luft" liegt, werden zukünftige Militärpiloten während ihrer internationalen Ausbildung auch in anderen Einsatzarten geschult.
Daraus ergeben sich einerseits gewünschte Blicke über den eigenen Tellerrand, andererseits werden mögliche Erfahrungen im Zielspektrum nicht gemacht. Auf Grund der Tatsache, dass die Ausbildung von einer fremden Luftwaffe konzipiert ist, sind die Anpassungsmöglichkeiten auf nationale Notwendigkeiten in diesem Abschnitt gering.
Der geografisch gleiche Ausbildungsort wird allerdings viel Druck von den Anwärtern nehmen, wenn es darum geht, sich auf die folgende Phase IV in lokale Verfahren einzugewöhnen.
Jet Fortgeschrittenenausbildung (Phase IV)
Seit Herbst 2011 werden österreichische Militärpiloten in LECCE/ITA in diesem Ausbildungsschritt auf den EFT vorbereitet. Nachdem während dieses Trainingsabschnittes die unmittelbar relevanten taktischen Einsatzarten eines Kampfflugzeuges geübt werden, kommt dieser Phase zentrale Wichtigkeit in Bezug auf die Beurteilung der Relevanz der Inhalte zu.
Um gegenüber den internationalen Partnern die geforderte Flexibilität anbieten zu können, hat die italienische Luftwaffe dieses Training mit einem modularen Syllabus ausgestattet. Dieser erlaubt eine gezielte Auswahl der Ausbilungsinhalte durch die Partnerluftwaffen.
Trotz dieser Gestaltungsmöglichkeit orientiert sich der Inhalt der geflogenen Übugen immer noch an den Standards einer fremden Luftwaffe. In einigen Bereichen sind diese, nicht zuletzt auf Grund der Ausstattung der österreichischen EFT, unterschiedlich zu den nationalen Bedürfnissen.
Luft - Luft Anteile
Nachdem der österreichische EFT beinahe ausschließlich auf die Luftraumüberwachung bzw. die Luftraumsicherung ausgerichtet ist, sind in diesem Bereich erstmals die zukünftigen Einsatzarten abgebildet. Diese Übungen legen einen wesentlichen Grundstock für die weiter unten folgenden Anpassungen der internationalen und nationalen EFT-Ausbildungsprogramme.
Luft - Boden Anteile
Wie oben ersichtlich, stellt dieser Bereich derzeit keine Kernkompetenz dar. Das Arbeiten mit komplexen Lfz-Systemen bringt aber im Gesamten dennoch einen sehr großen Erfahrungsgewinn wenn es darum geht, dass Militärjetpiloten ihre Aufmerksamkeit zur richtigen Zeit an die richtige Stelle lenken.
EUROFIGHTER Grundausbildung (Phase V)
Seit Beginn des Flugbetriebes mit dem EFT findet die Umschulung auf das Waffensystem EFT in LAAGE/DEU statt. Geflogen wird dort mit Flugzeugen der deutschen Luftwaffe. Dies ist der letzte Schritt im Ausland, um die angehenden Einsatzmilitärpiloten EFT auf das Zielwaffensystem vorzubereiten.
Über die Jahre hat sich in diesem Abschnitt wesentliches verändert. Begonnen wurde mit einem allgemein entwickelten Luftfahrzeug, das über alle Betreiberstaaten hinweg in etwa den gleichen technischen Stand hatte.
Zunächst verfügten alle angehenden österreichischen Militärpiloten EFT über große fliegerische Erfahrung insgesamt und im Speziellen in Bezug auf das Fliegen mit Abfangjägern. Die gezielte Vorbereitung der ersten Militärjetpiloten gemäß dem bisher beschriebenen Ausbildungssystem kam hier noch nicht zur Anwendung. Es wurde ein Ausbildungssyllabus für LAAGE festgelegt, der nach eingehender Beurteilung geeignet erschien, den Anforderungen Rechnung zu tragen.
Nach wenigen Jahren wurden dieser Ausbildung erstmals Militärjetpiloten mit weniger allgemeiner Vorerfahrung allerdings mit entsprechend zielgerichteter internationaler Ausbildung (beispielsweise vom NFTC in KANADA) zugeführt. Erschwerend kam von jetzt weg hinzu, dass sich die technische Ausstattung der deutschen EFT immer mehr von den österreichischen zu unterscheiden begann. Aus den genannten Gründen wurde der Syllabus in LAAGE erstmals angepasst.
Dementgegen stand eine wesentlich spezifischere Ausbildung, die durch die Adaptionen an den durchlaufenen Syllabi erreicht werden konnte. Seit dem Jahr 2019 haben alle angehenden Militärpiloten EFT mit der T-346A ein Trainingsflugzeug der 4. Generation zur Verfügung. Der technische Schritt vom Trainer zum Einsatzflugzeug ist somit sehr klein geworden.
Der technische Schritt vom deutschen EFT ("Tranche III") wird allerdings immer größer zum österreichischen EFT ("Tranche I"). Es ergibt sich also in gewisser Weise ein Paradoxon, wenn es darum geht, den Fortschritt im Positiven wie im Negativen Sinn in der Ausbildungsgestaltung zu berücksichtigen. Es kam also neuerlich zu einer Anpassung des Syllabus in LAAGE. Für das ÖBH konnten dadurch etliche Flugübungen in DEUTSCHLAND eingespart werden.
Die nationale EFT-Ausbildung (Phase VI)
Bis Anfang 2020:
Die nationale Ausbildung bis zur LRÜ Reife hat bis Anfang 2020 ungefähr 70 Übungen umfasst. Diese wurden aufgeteilt auf den Simulator und das Flugzeug geflogen.
Im Bedarfsfall konnten zusätzliche Übungen in den jeweiligen Einsatzarten als angepasstes Training durchgeführt werden. Nach Abschluss dieses Programmes konnte der Militärpilot EFT nun erstmals am Waffensystem EFT für die Luftraumüberwachung eingesetzt werden.
Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass im Anschluss an den gezeigten Syllabus noch andere Ausbildungsschritte existieren, die die erweiterte Nutzung des EFT schulen.
Seit Anfang 2020:
Die bisher umrissenen Punkte bilden die Grundlage für die Überlegungen, die nationale EFT-Ausbildung zu adaptieren.
Ein Leitfaden bei der Anpassung war, neben der Wirtschaftlichkeit, auch die Verfügbarkeit von EFT-Flugstunden in ÖSTERREICH. Im Rahmen der letzten nationalen EFT-Schulung von April 2019 bis Dezember 2019 wurden die Ausbildungsfortschritte der beiden Militärpiloten evaluiert und mit den bisher gesammelten Erkenntnissen aus den vorangegangenen Ausbildungsschritten kombiniert.
Die Vorgabe sowohl frü die Kursteilnehmer als auch für die Militär-Fluglehrer war, während des gesamten Kurses nach möglichen Verbesserungen zu suchen und die entsprechenden Beobachtungen am Ende der Ausbildungsphase in den Entwicklungsprozess des neuen Syllabus miteinzubringen.
Wie geplant wurde im letzten Schritt unter Zusammenwirkung aller Beteiligten, ein neuer Syllabus für die nationale EFT-Ausbildung erstellt. Der Übungsumfang bis zum Erreichen der LRÜ Reife umfasst jetzt ungefähr 80 Übungen.
Auch für diesen Syllabus gilt, dass bei Bedarf mittels angepasstem Trainings ein unmittelbares Nachsteuern der Ausbildung jederzeit möglich ist. Wie schon bis Anfang 2020 gilt auch jetzt noch, dass zusätzliche Ausbildungsschritte existieren, die die erweiterte Nutzung des EFT schulen.
Zusammenfassung
[...]
Nachdem sich die fliegerischen Voraussetzungen der angehenden Militäpiloten EFT in den nächsten zwei bis drei Jahren grundlegend von denen der bisher ausgebildeten Militärpiloten unterscheiden, sind wiederum Änderungen zu erwarten.
Eine Steigerung der Ausbildungszeit in ÖSTERREICH war von vornherein erwartet und in Kauf genommen worden. Demgegenüber steht die Einsparung von etlichen Flügen in DEUTSCHLAND. Das alles zugunsten von zusätzlichen Flügen, die jetzt vollständig unter nationaler Aufsicht, im österreichischen Luftraum und mit dem eigenen Waffensystem durchgeführt werden können. Nach Betrachtung des Ergebnisses scheint der neue Syllabus ein gutes Ergebnis zu sein.
[...]
Ein wesentlicher Punkt der ganz Grundsätzliches in der gesamten Betrachtung verändern würde, ist eine mögliche Erweiterung der in ÖSTERREICH vorhandenen Simulatorkapazitäten. Hätte man hier zumindest ein zweites hochwertiges System zur Verfügung, könnte man einige Abschnitte der Ausbildung, die derzeit nur im Flug möglich sind, in den Simulator verlagern. Somit könnte die Effizienz aller Militärjetpiloten im Umgang mit einem derartig komplexen Waffensystem wie dem EFT ganz entscheidend gesteigert werden.