Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

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theoderich
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Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

Beitrag von theoderich »

opticartini hat geschrieben: Do 17. Sep 2020, 13:38In Österreich hingegen wurde vor 20 Jahren ein solcher Papierflieger gekauft, von dem offenbar nicht mal die zu erwartenden Betriebskosten bekannt waren.
Die JAS-39C/D war damals auch ein "Papierflieger". Das erste Serienflugzeug wurde am 6. September 2002 an die Flygvapnet übergeben - zwei Monate und vier Tage nach dem österreichischen Zuschlag an die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH:
Evaluierungsflüge gab es übrigens auch - Mitte der 1990er-Jahre; im Falle des "Gripen" mit JAS-39B:
7L*WP
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Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

Beitrag von 7L*WP »

opticartini hat geschrieben: Do 17. Sep 2020, 13:38 Dennoch ist es so, dass man die Flugzeuge nun mal gekauft hat, das heißt man sollte sie auch bis zum Ende der geplanten Nutzungsdauer betreiben (ca. 2035) – vorausgesetzt die Betriebskosten sind abschätzbar und gleichbleibend....
Richtig, die Flugzeuge sind gekauft und bezahlt und sollten daher auch bis zum geplanten Ende der Nutzungsdauer betrieben werden! In Österreich werden dann wahrscheinlich sogar noch ein paar Jahre dazu kommen.
Die Betriebskosten werden für Österreich, meiner Meinung nach, beim Eurofighter noch eher abschätzbar sein als bei einem neuen "alten" Flugzeug. Da unsere Technik mit dem Flugzeug bereits seit Jahren vertraut ist und über den Zustand jedes einzelnen Eurofighters bestens Bescheid weiß, dürfte man sich hier leichter tun mit Prognosen als bei einem fremden Flugzeug. Angaben über zukünftige Betriebskosten, von einem Hersteller, der ein Flugzeug verkaufen (oder verleasen) möchte...?
Nur, wie sollen die Betriebskosten gleich bleiben, wenn gleichzeitig das Alter der Flugzeuge steigt?? Bei jedem anderen Flugzeug werden, wie auch beim Eurofighter, mit zunehmendem Alter die Betriebskosten steigen.
opticartini
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Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

Beitrag von opticartini »

theoderich hat geschrieben: Do 17. Sep 2020, 14:11 Evaluierungsflüge gab es übrigens auch - Mitte der 1990er-Jahre; im Falle des "Gripen" mit JAS-39B:
Das Flugzeug wurde also angeschaut, dessen noch nicht produzierte Nachfolger-Version war Jahre später ein Kandidat und gekauft wurde dann eines, dass es auch noch nicht gab. Genau das meine ich mit mangelnder Professionalität.

Ich stelle mir vor, ich schaue mir heute beim Autohändler einen Audi A3 an, fünf Jahre später überlege ich mir ob ich das noch nicht verfügbare Nachfolgemodell vorbestelle und am Ende bestelle ich ein komplett neues Modell, das auch noch nicht lieferbar ist.
7L*WP hat geschrieben: Do 17. Sep 2020, 17:18 Nur, wie sollen die Betriebskosten gleich bleiben, wenn gleichzeitig das Alter der Flugzeuge steigt?? Bei jedem anderen Flugzeug werden, wie auch beim Eurofighter, mit zunehmendem Alter die Betriebskosten steigen.
Österreichs einziger Kampfjet-Typ enthält Teile, die ab Tranche 2 nicht mehr verbaut sind. Damit stehen wir in dieser Konstallation weltweit alleine dar, denn alle anderen Eurofighter-Betreiber haben entweder neuere Modelle oder auch noch andere Kampfjets, diese Betreiber sind also nicht auf die Tranche 1 als primäre Kampfflugzeuge angewiesen. Wir hingegen sind auf Gedeih und Verderb auf unsere 15 Stück angewiesen und müssen jeden Preis zahlen, andernfalls ist Sense.

Das ist ungefähr wie wenn ich einen Oldtimer habe, den ich dringend brauche um zum Arbeitsplatz zu fahren. Mit der Zeit werden Ersatzteile rar und teuer weil sie nicht mehr produziert werden. Aber ich muss dieses Auto unbedingt weiterbetreiben, weil ich kein anderes habe und darauf angewiesen bin. Andere Leute, die zwar auch denselben Oldtimer haben, aber eher als Liebhaberstück oder für Freizeit-Ausfahrten verwenden und nicht als Hauptfortbewegungsmittel, können ihr Fahrzeug jederzeit in der Garage lassen, wenn ihnen die Ersatzteile zu teuer werden.
7L*WP hat geschrieben: Do 17. Sep 2020, 17:18 Angaben über zukünftige Betriebskosten, von einem Hersteller, der ein Flugzeug verkaufen (oder verleasen) möchte...?
Für das gibts dann Verträge, wo diese Kosten fixiert werden können. Speziell bei Leasing lassen sich diese gut vereinbaren. Diese Verträge bilden auch die Markstellung ab, also wer ist eher an dem Vertrag interessiert, wer ist abhängiger davon, der wird Zugeständnisse machen müssen.
theoderich
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Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

Beitrag von theoderich »

opticartini hat geschrieben: Fr 18. Sep 2020, 13:11Österreichs einziger Kampfjet-Typ enthält Teile, die ab Tranche 2 nicht mehr verbaut sind. Damit stehen wir in dieser Konstallation weltweit alleine dar, denn alle anderen Eurofighter-Betreiber haben entweder neuere Modelle oder auch noch andere Kampfjets, diese Betreiber sind also nicht auf die Tranche 1 als primäre Kampfflugzeuge angewiesen. Wir hingegen sind auf Gedeih und Verderb auf unsere 15 Stück angewiesen und müssen jeden Preis zahlen, andernfalls ist Sense.
Das stimmt auch nicht. Man fliegt mit Bauteilen, die für Flugzeuge der Tranchen 2 und 3 produziert werden.
Andreas1811

Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

Beitrag von Andreas1811 »

Im Prinzip ist es ganz einfach in diesen Covid -Zeiten. Die billigste und politisch vorteilhafteste Lösung wird kommen oder auch bleiben. Je nach Standpunkt.
opticartini
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Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

Beitrag von opticartini »

theoderich hat geschrieben: Fr 18. Sep 2020, 14:25
opticartini hat geschrieben: Fr 18. Sep 2020, 13:11Österreichs einziger Kampfjet-Typ enthält Teile, die ab Tranche 2 nicht mehr verbaut sind. Damit stehen wir in dieser Konstallation weltweit alleine dar, denn alle anderen Eurofighter-Betreiber haben entweder neuere Modelle oder auch noch andere Kampfjets, diese Betreiber sind also nicht auf die Tranche 1 als primäre Kampfflugzeuge angewiesen. Wir hingegen sind auf Gedeih und Verderb auf unsere 15 Stück angewiesen und müssen jeden Preis zahlen, andernfalls ist Sense.
Das stimmt auch nicht. Man fliegt mit Bauteilen, die für Flugzeuge der Tranchen 2 und 3 produziert werden.
Das heißt die ganzen Computer, Kabelbäume, strukturelle Änderungen am Fahrwerk, aerodynamische und sonstige Änderungen am Grundmuster (quasi der "Maschinenbau") sind bei unseren Tranche 1 bereits auf Tranche 2 Standards umgebaut?
theoderich
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Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

Beitrag von theoderich »

Nein. Das hat damit nichts zu tun. MinR Hofer hat das Prozedere im Untersuchungsausschuss gut erklärt:
  • Kommuniqué des Untersuchungsausschusses über das Kampfflugzeugsystem „Eurofighter Typhoon“ Veröffentlichung des wörtlichen Protokolls über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Karl Hofer (412/KOMM)
    Ministerialrat Karl Hofer: Diese Obsoleszenzproblematik, ja. Obsoleszenz heißt, es sind Teile, die nicht mehr versorgbar sind. Eurofighter ist so ausgelegt: Tranche 1, Tranche 2, Tranche 3, und es werden nicht mehr versorgbare Teile der Tranche 1 in der Tranche 2 oder in der Tranche 3 qualifiziert, werden dort geflogen und diese Geräte werden dann, wenn es die Tranche 1 betrifft, weil dort nicht mehr versorgbar, in einem langwierigen Prozess auf die Tranche 1 qualifiziert.

    Der Vorgang wird bis zur Ausphasung des Flugzeuges laufen, wobei man vielleicht dazusagen muss, bei einer Ausphasung 2040 – das hängt damit zusammen, dass uns die Eurofighter GmbH zugestanden hat, den Support für 30 Jahre sicherzustellen; das ist bei letzter Auslieferung 2009 also 2039, 2040 – werden wir trotzdem überschaubar diese Obsoleszenzen in den Griff bekommen und auch bezahlen können, das sind noch 22, 23 Jahre.

    Insgesamt haben wir jetzt rund 12 Millionen € pro Jahr, 12 bis 15 Millionen € pro Jahr, für Obsoleszenzbehebung angesetzt. Wenn man das jetzt auf 23 Jahre umrechnet, sind das ein bisschen mehr als 200 Millionen €, 250 Millionen €. Das ist mein Eingangsstatement gewesen, wo ich gesagt habe, dass gewissermaßen der Nutzen, den wir durch die Abbestellung der drei Flugzeuge gehabt haben, langfristig eben im Life Cycle aufgefressen wird.

    Jetzt noch einmal: 2040 haben wir dann noch immer nur 15 Flugzeuge. Mit 18 Flugzeugen wäre es besser verteilbar, Sie haben völlig recht, wenn man mehr Flugzeuge hat, hat man mehr Spielraum, kann man die Ersatzteilproblematik ein bisschen besser verteilen.
    https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XX ... ndex.shtml
Die Ejército del Aire führt ihr Tranche 1-Upgrade bekanntlich auch mit Komponenten der Tranche 2 und der Tranche 3 durch. Die Struktur des Flugzeugs von Tranche 1 an Tranche 2 anzupassen ist weder machbar noch notwendig - in diesem Bereich gibt es selbstverständlich keine Obsoleszenzen. Es geht ausschließlich um Elektronik (dadurch dass es sich bei den Hauptkomponenten um line-replaceable units handelt, können sie unkompliziert ersetzt werden).

"Gratis" ist natürlich nichts davon - und das ist das Problem bei der Politik und den Medien: Den Österreichern wird seit 20 Jahren eingeredet, es gäbe eine Luftraumüberwachung quasi zum "Nulltarif", wenn der Eurofighter erst "weg ist". Mit Flugzeugen, die in Anschaffung und Betrieb so gut wie nichts kosten und die nie modernisiert werden müssen.
opticartini
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Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

Beitrag von opticartini »

Soweit ich das verfolgt habe, stand eine Aufrüstung auf Tranche 2 nie ernsthaft zur Debatte. Dieses Tranche 1 aufrüsten wird so unkompliziert und billig nicht sein (auch wenn es ginge), denn bei der Tranche 1 sind Computer verbaut, die es ab der Tranche 2 nicht mehr gibt und wenn man von "der Elektronik" spricht – da gehts um dutzende Computer und Kilometer an Kabeln.

Die angeführten 15 Millionen pro Jahr sind immerhin ca. 20 % der Betriebskosten. Und das nur für den "langwierigen Prozess" der Qualifizierung von Teilen. Das ist kein Bemmerl. Falls man überhaupt davon ausgehen kann, dass diese Summe gleich bleibt, was ich bezweifle, denn "angesetzte" Kosten werden bei Staatsausgaben bekanntlich meistens deutlich übertroffen. Und wenn Airbus in Zukunft höhere Kosten "ansetzt", dann wird der Ministerialrat Hofer die Mehrkosten sicher nicht aus seiner Tasche bezahlen.

Die Gesamtsituation liegt weniger an "den Österreichern", sondern wie von mir beschrieben in erster Linie an den damaligen Fehlentscheidungen und zusätzlich trug das Bundesheer selbst auch dazu bei, welches sich durch Jammerei ("nicht nachtflugtauglich" etc.) eine Nachrüstung der abbestellten Systeme erhoffte.

Nachdem die Situation so ist wie sie ist, also es eine effektive Luftraumverteidigung sowieso nicht geben wird und sich die finanzielle Situation gerade jetzt nicht bessern wird, vermute ich stark, dass ein Leasing von kostengünstigen Kampfjets die bevorzugte Variante ist.
theoderich
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Re: Evaluierungskommission Luftraumüberwachung

Beitrag von theoderich »

opticartini hat geschrieben: Sa 19. Sep 2020, 12:26und zusätzlich trug das Bundesheer selbst auch dazu bei, welches sich durch Jammerei ("nicht nachtflugtauglich" etc.) eine Nachrüstung der abbestellten Systeme erhoffte.
Vom Bundesheer gab es keine "Jammerei", sondern von Zeit zu Zeit sachliche Kritik an den damaligen Entscheidungen. Die Geschichten von wegen "nicht nachtflugtauglich" wurden von der SPÖ und den Medien lanciert, um das Flugzeug in der Öffentlichkeit schlecht dastehen zu lassen. Die "Nachtflugtauglichkeit" ist nicht gleichzusetzen mit der Fähigkeit, Luftziele bei Nacht zu identifizieren.

Die "Sonderkommission Aktive Luftraumüberwachung" war de facto ein Vehikel für die SPÖ, um den Eurofighter loswerden zu können - mit der Hoffnung auf den Wahlsieg bei einem geplanten Koalitionsbruch. Die im damaligen Bericht angeführten Kritikpunkte waren zwar sachlich begründet, aber die Motivation hinter der Erstellung des Berichts war keinesfalls eine "Hoffnung des Bundesheeres" auf eine Nachrüstung des Flugzeugs - die Kommission wurde nicht vom Generalstab und schon gar nicht auf Empfehlung des Generalstabs, sondern per Ministerweisung (Ministerweisung Nr. 253/2017 vom 2. März 2017) eingesetzt.
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