Verteidigungsministerin Tanner über das Bundesheer
Lou Lorenz-Dittlbacher: "Und diese erste Verteidigungsministerin, Klaudia Tanner, ist jetzt live bei uns im ZiB2-Studio zu Gast. Guten Abend."
Klaudia Tanner (Verteidigungsministerin, ÖVP): "Grüß Gott!"
LORENZ-DITTLBACHER: "Frau Ministerin, Ihr Vorgänger, Thomas Starlinger, hat gesagt, im heurigen Jahr übersteigen die Fixkosten - also die Kosten für Personal und Betrieb - das Budget. Das klingt nach einem klassischen Konkurs. Wie wollen Sie den denn abwenden?"
TANNER: "Ich denke wir müssen uns auf die Aufgaben konzentrieren, die das Bundesheer zu erfüllen hat. Das ist zum einen, dass wir unsere Heimat schützen müssen, zum zweiten, dass wir in Katastrophenlagen in Form von Assistenzeinsätzen Hilfe leisten können - ganz wichtig! Insbesondere wenn man daran denkt, dass die Naturkatastrophen - nicht zuletzt durch den Klimawandel bedingt - auch immer mehr werden. Wenn wir an das Hochwasser im Jahr 2002 denken, wie gut es den Menschen getan hat, als sie in diesen schwierigen Situationen die bekannten Uniformen auch gesehen haben, die ihnen dann geholfen haben - unsere Armee. Und zum dritten wird's darum gehen, dass wir Österreich dienen."
LORENZ-DITTLBACHER: "Sie sagen, das Bundesheer muss seine Aufgaben erfüllen. Nun ist ein Faktum, dass es das im derzeitigen Fall nicht erledigen kann. Starlinger hat gesagt, der verfassungsmäßige Auftrag kann derzeit nicht erfüllt werden. Es muss sich also etwas ändern, die Frage ist nur: ,Was?'
Haben Sie Ihre Zusage für diese Funktion an finanzielle Forderungen für das Bundesheer geknüpft?"
TANNER: "Schauen Sie, Frau Dittlbacher, worum geht's? Wir müssen unsere Aufgaben erfüllen. Und Sicherheit kann es zweifelsohne nicht zum Nulltarif geben.
Was ich aber nicht machen werde - ich halte das nicht für besonders klug, Budgetverhandlungen über die Medien zu führen."
LORENZ-DITTLBACHER: "Aber haben Sie Forderungen gestellt, dem Bundeskanzler gegenüber, als er Sie gefragt hat? Haben Sie gesagt: ,Ich brauche DAS' ?"
TANNER: "Gehen wird's darum, dass wir dafür Sorge tragen, dass das Bundesheer voll einsatzfähig ist. Jetzt ist es einsatzfähig für die genannten Aufgaben. Es gibt aber ohne Zweifel Verbesserungsbedarf. Und da bin ich meinem Vorgänger dankbar, dass sehr vieles an Daten und Fakten und Grundlagen aufbereitet worden ist. Das werden wir mit den Expertinnen und Experten des Ressorts jetzt durchschauen und dann die einzelnen Schritte setzen, entsprechend dem Regierungsprogramm."
LORENZ-DITTLBACHER: "Aber haben Sie Forderungen gestellt? Nein. Haben Sie nicht."
TANNER: "Wir ... Ich ... Zu diesem Zeitpunkt, als ich gefragt worden bin, war natürlich aus der Öffentlichkeit bekannt, dass es hier Finanzierungsbedarf gibt. Aber gerade wenn man sich den Beitrag jetzt auch angeschaut hat: Es gibt da sehr wohl unterschiedliche Zugänge.
Wir sind jetzt in einer Phase im Ressort, wo wir mit der Lagefeststellung beschäftigt sind, die einzelnen Daten und Fakten uns genau anschauen und dann am Ende des Tages dafür Sorge tragen müssen, dass wir ein voll einsatzfähiges Bundesheer haben, das auch auf neue Gefahren vorbereitet ist."
LORENZ-DITTLBACHER: "Das Bundesheer weiß ja ganz genau, was es will und wie viel es braucht. Das ist alles in einer Broschüre festgeschrieben worden, im vergangenen Jahr - ,Unser Heer 2030'. Da kann man das ganz genau nachlesen. Auch Ihr Vorgänger hat's ganz genau beziffert. Also der hat nicht nur gesagt ,Wir brauchen mehr Geld', sondern er hat gesagt: Wir brauchen für die Aufrechterhaltung des Betriebs und für die Renovierung sozusagen, Anschaffung, Erneuerung, 16 Milliarden bis 2030 und mittelfristig auch 1 % des BIP. Wir haben das vorher im Beitrag gehört.
Wenn wir jetzt das BIP von 2018 hernehmen, dann sind das 386 Milliarden. 1 % wären also 3,8 Milliarden. Im jetzigen Budgetfinanzrahmen sind 2,4 Milliarden vorgesehen. Da klafft also ein enormes Loch. Wie viel brauchen Sie für dieses Jahr?"
TANNER: "Ich kann hier nur noch einmal wiederholen, Frau Dittlbacher, ich finde es nicht klug, Budgetverhandlungen über die Medien zu führen. [LORENZ-DITTLBACHER: "Aber glauben Sie Ihrem Vorgänger?"] Was mein Vorgänger auch gesagt hat, nämlich bei der Amtsübergabe, die wir im Beitrag auch vorhin gesehen haben, war, dass er das Regierungsprogramm für ein sehr gutes hält. Und dieses gibt uns einige Möglichkeiten. Da steht drinnen, dass man sich auf Eintrittswahrscheinlichkeiten von neuen Bedrohungsbildern, auf diese auch konzentrieren soll. Ich denke es gibt hier viele Möglichkeiten, um durchaus auch kosteneffizient den verfassungsmäßigen Auftrag erfüllen zu können."
LORENZ-DITTLBACHER: "Gut, also das heißt, ich werd' jetzt keine Zahl von Ihnen hören. Machen wir diesen Sack mal zu und kommen wir zum Regierungsprogramm. Da finden sich auf 326 Seiten sechs zur Landesverteidigung. Die sind sehr allgemein gehalten. Da finden sich auch keine Zahlen - also nicht nur von Ihnen hör' ich keine Zahl, ich finde auch keine im Regierungsprogramm [TANNER: "Weil die Budgetverhandlungen erst starten."].
Ich finde aber Formulierungen, wie ,die finanzielle Situation und der Zustand des Heeres verlangen neue Konzepte' und ich lese relativ häufig das Wort ,zeitgemäß'. Da stellt sich natürlich dann die Frage: Was ist denn nicht mehr zeitgemäß? Was brauchen wir nicht mehr?"
TANNER: "Es haben sich ohne Zweifel die Bedrohungsszenarien geändert. Wenn wir jetzt gerade an die aktuelle Situation des Cyberangriffs im Außenministerium denken, wo das Innenministerium als die zuständige Behörde rasch gehandelt hat und wir erstmals vom Bundesheer her mit einem sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz tätig geworden sind - also im Cyberbereich tätig geworden sind - dann sieht man schon, dass die Bedrohungslage eine ganz andere geworden ist, als sie das vielleicht noch vor 10, 15 Jahren war. Das war auch Thema heute bei der sicherheitspolitischen Jahreskonferenz."
LORENZ-DITTLBACHER: "Das ist außer Zweifel, was man braucht. Aber meine Frage war ja, was man nicht mehr braucht. Also wo sagen Sie: ,Darauf können wir verzichten'?"
TANNER: "Was im Regierungsprogramm auch noch zu finden ist, sind die Aufgaben, die zu erfüllen sind. Das erste ist der verfassungsmäßige Auftrag, der lautet in der Verfassung, die umfassende Landesverteidigung. Das zweite ist, in Katastrophenlagen eben helfen zu können, bei Assistenzeinsätzen.
Und ich sag's noch einmal: Das Bundesheer muss der Republik dienen und am Ende des Tages für die Sicherheit der Bevölkerung sorgen."
LORENZ-DITTLBACHER: "Gut, Sie haben jetzt noch einmal ausgeführt, was man braucht. Ich frag' noch mal: Was braucht man nicht mehr?"
TANNER: "Ich werd' mich auf die Expertinnen und Experten des Verteidigungsministeriums, auf deren Expertise, verlassen. Ich hab' in den letzten neun Tagen schon gesehen, welch großartige Experten wir für die verschiedensten Bereich haben. Und wir sind jetzt - wie g'sagt - in der Lagefeststellung und werden dann schauen, welches der Pakete wir prioritär an erster Stelle und insbesondere nach der Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefahren reihen werden."
LORENZ-DITTLBACHER: "Gut, wenn Sie's mir jetzt nicht sagen, wann können Sie's dann in etwa sagen? Haben Sie da einen Zeithorizont, wo Sie sagen: ,O.K., es ist eine derart prekäre Lage im Bundesheer. Ich schau' mir das jetzt an und - weiß ich nicht - im zweiten Quartal werd' ich sagen können, worauf wir verzichten.'"
TANNER: "Also wir starten ja sofort. Wir sind jetzt mit der Lagefeststellung beschäftigt, aber es sind ja einige Pakete auch schon eingeleitet worden, [LORENZ-DITTLBACHER: "Aber wann ist die beendet, die Lagefeststellung?"] von den verschiedenen Beschaffungsvorgängen her. Ich nehme als Beispiel jetzt Hubschrauber: ,Black Hawk'! Ganz wichtig! Nicht nur im Katastropheneinsatz. Die wurden bereits bestellt, die werden 2021/22 auch geliefert werden. Und so werden wir ein Paket nach dem anderen abarbeiten.
Was ganz wichtig ist: Wir wollen und wir müssen uns um die Attraktivierung des Grundwehrdienstes und auch der Miliz kümmern. Es sind im Regierungspaket ja auch verschiedene Tauglichkeitsstufen [LORENZ-DITTLBACHER: "Da wollt' ich g'rad ..."] ..."
LORENZ-DITTLBACHER: "... noch hin. Aber lassen Sie mich bitte noch die Möglichkeit, weil Sie gesagt haben ,Black Hawk' - jetzt sin'ma schon bei den Hubschraubern, sin'ma in der Luft. Da muss ich natürlich nachfragen: Die Luftraumüberwachung ist ein Riesen-Thema. Es gibt ein Bekenntnis im Regierungsprogramm zur Luftraumüberwachung, aber keine nähere Ausführung, wie die ausgestaltet sein soll.
Die Saab-105 läuft aus. Die Nachfolge sollte längst geklärt sein - ist sie nicht. Wann wird sie geklärt sein?"
TANNER: "Im Regierungsprogramm ist ganz klar festgehalten, dass sowohl die aktive, als auch die passive Luftraumüberwachung gesichert werden muss. Das wird ein zentrales Thema sein. Wir sind auch in diesem Bereich einsatzfähig, das steht außer Zweifel. Nächste Woche finden in Davos die ... die ... die ... das Weltwirtschaftsforum statt, wo wir gemeinsam mit den Schweizer Kollegen auch die Luftraumsicherung übernehmen. Aber natürlich ist klar, dass im ersten Halbjahr auch die Entscheidung darüber getroffen werden wird. Und zwar nicht allein, sondern auf kosteneffiziente Art und Weise und in Absprache auch mit den Kollegen aus Deutschland und Italien, welche Entscheidung wir treffen werden. Und auch hier gilt: Die Expertinnen und Experten des Ministeriums werden hier an erster Stelle am Wort sein."
LORENZ-DITTLBACHER: "Gut, da halt' ich fest: Vor dem Sommer gibt's eine Entscheidung. Ich muss ein bisserl auf die Zeit schauen, aber ich möchte unbedingt noch zu den Tauglichkeitskriterien kommen. Es soll ja eine ,Teiltauglichkeit' eingeführt werden. Was ist das?"
TANNER: "Wir haben jetzt die Situation, dass über 30 % der jungen Männer nicht tauglich sind und damit den Dienst an der Gesellschaft nicht leisten können. Das wollen wir ermöglichen mit der Einführung, neben der Volltauglichkeit, einer Teiltauglichkeit, sodass auch diese jungen Männer die Möglichkeit haben, in anderen Bereichen ihre besonderen Fähigkeiten auch einzusetzen. Denn worum geht's? Es soll die Zeit des Grundwehrdienstes als etwas sinnstiftendes auch erfahren werden. Wo man zum Beispiel auch Fremdsprachenkenntnisse erwerben kann. Wo man sich konzentriert auf das Erwerben von IT-Kenntnissen oder auch von handwerklichen Kenntnissen. Und wir erwarten uns dadurch natürlich auch eine steigende Anzahl an Grundwehrdienern."
LORENZ-DITTLBACHER: "Das heißt aber zum Beispiel, wenn ich sehr stark fehlsichtig bin, wenn ich sehr stark übergewichtig bin, wenn ich psychische Probleme hab', vielleicht depressiv bin und derzeit daher nicht eingezogen werden kann, ist das in Zukunft dann nicht mehr so. Ist das richtig?"
TANNER: "Im Regierungsprogramm ist die Formulierung so gewählt, dass nur diejenigen ausgeschlossen sind, auch von einer Teiltauglichkeit, die an einer geistigen oder körperlichen Beeinträchtigung - da steht ,Behinderung', wenn ich's richtig im Kopf hab', im Regierungsprogramm - leiden, ja."
LORENZ-DITTLBACHER: "Aber das heißt, zum Beispiel, die Beispiele, die ich genannt hab', die werden dann zum Beispiel in der Küche eingesetzt. [TANNER: "Es ..."] Wenn jemand sehr schlecht sieht."
TANNER: "Da gibt es verschiedenste Beispiele. Ich würde jetzt nicht an erster Stelle die Küche nennen. Es gibt [LORENZ-DITTLBACHER: "Büro."] die Möglichkeit, im Büro tätig zu sein, wie g'sagt: Computerkenntnisse. Verschiedene Möglichkeiten. Auch die Ausgestaltung dieser beiden Tauglichkeitsstufen müssen wir natürlich noch konkreter ausarbeiten, das steht außer Frage."
LORENZ-DITTLBACHER: "Das interessiert natürlich jetzt viele junge Männer und deren Eltern, weil die Planung ja auch für die Zukunft ganz oben steht. Ab wann soll das gelten?"
TANNER: "Das wird sehr rasch umgesetzt werden, weil wir müssen uns schon bewusst sein darüber, dass jede österreichische Familie irgendwann einmal in Berührung kommt damit, über eben die Stellungsstraße. Das wird eines der ersten Dinge sein, die wir umsetzen werden. Weil: Keine Grundwehrdiener - keine Kadersoldaten - auch keine Miliz."
LORENZ-DITTLBACHER: "Aber ,sehr rasch' bedeutet ,1. 1. 2021' oder schon früher vielleicht?"
TANNER: "Ich würd' hier bitten, dass wir das nicht an einem ... an einem Tag festmachen. Ich bin seit neun Tagen im Amt und ich freu' mich drauf, wenn ich Ihnen die genaue Zeitleiste dann präsentieren darf."
LORENZ-DITTLBACHER: "Frau Ministerin, es bleiben Themen für weitere Gespräche. Danke Ihnen für's Kommen."
TANNER: "Freu' mich drauf. Vielen Dank."