Der Präsident der Offiziersgesellschaft hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner schon am Tag der Wehrpflicht so richtig kennengelernt. Zum heurigen Jubiläum rund um die erfolgreiche Volksbefragung vom 20. Jänner 2013 hielt Erich Cibulka im vollbesetzten Saal der Industriellenvereinigung die Festrede. Der Brigadier sagte Tanner, die als frisch angelobtes ÖVP-Regierungsmitglied in der ersten Reihe saß, zwar seine volle Unterstützung im Kampf um ein höheres Bundesheerbudget zu. Doch die von ihr anvisierte Teiltauglichkeit zur Steigerung der Anzahl an Wehrpflichtigen bezeichnete Cibulka in seiner Ansprache als nicht gerade prioritär für das Militär. Mehr hat es nicht gebraucht.
"Sie war verärgert", erzählt der Offizier, für den die Episode in einer "Aussprache" mit der Neo-Ministerin endete. "Inzwischen ist das ausgeräumt", versichert Cibulka. Trotzdem sei er nach wie vor der Meinung, dass Tanner mit der Einführung von Halbtauglichen nur auf eine plakative "Quick-Win-Agenda" setze. Besser wäre es aus seiner Sicht, sie würde über eine achtmonatige Wehrpflicht nachdenken, damit die bei der Stellung tatsächlich als fit befundenen jungen Männer nicht gleich nach einem halben Jahr wieder abrüsten.
Doch lässt sich ein internationaler Großkonzern so zu "Wiedergutmachung" rund um den bis heute heiß umfehdeten Abfangjäger-Deal bewegen? Bis dato deutet nichts darauf hin. Im Gegenteil: Airbus ließ Tanner prompt übermitteln, dass der CEO für Defence and Space weder über Schadenersatz noch über eine Rückabwicklung des Liefervertrags diskutieren werde. In Juristenkreisen wiederum hält man es für strategisch undurchdacht, dass Tanner daraufhin sogleich zivilrechtliche Klage in Aussicht gestellt hat – weil der Hersteller damit bestens mitverfolgen könne, was die Republik als nächsten Schritt erwäge.
Schwarze Stahlhelmschmiede
Auch ein türkiser Insider schüttelt ob der zur Schau gestellten Kraftmeierei der Ministerin den Kopf: Er erklärt sich die schillernden Auftritte der Niederösterreicherin damit, dass Tanner einer Region entstamme, in der die ÖVP bis heute mit absoluter Mehrheitsmacht regiert, sodass sich ihre Vertreter oft entsprechend feudal gebärden. Doch auf dem glatten Wiener Parkett kann das rasch danebengehen.
https://www.derstandard.at/story/200011 ... -feldzuegeViel Getöse vor der wahren Schlacht
Reinhard Bösch, FPÖ-Wehrsprecher, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses sowie Oberst der Reserve, spricht hingegen offen aus, welchen Eindruck Tanner bisher auf ihn gemacht habe: "Sie ist eine sehr energische Person, die aber von der Sache noch nicht viel versteht." Nachsatz: "Wenn das Getöse dazu beiträgt, dass sich die budgetäre Lage des Bundesheeres bessert, soll es mir recht sein." Und auch Douglas Hoyos, Verteidigungssprecher der Neos, meint: "Ihre Schlacht ist das Budget, daran wird sie als Ministerin gemessen – und nicht an der Einführung einer Teiltauglichkeit, die eine Lex Zivildienst ist, damit hierfür mehr Kräfte eingesetzt werden können."
Doch zu deutlich mehr Mitteln für das Militär, befürchten auch hochrangige Uniformierte, werde es unter Tanner kaum kommen. Vielmehr drohe man weiterhin auf ein "leicht bewaffnetes, technisches Hilfswerk" zuzusteuern. Denn Kanzler Kurz’ Position zu mehr Geld laute: "Für die Polizei – ja, für das Militär – nein." Dem Vernehmen nach drängt dieser Tage deswegen auch Staatsoberhaupt Van der Bellen darauf, dass Tanner bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) für das Bundesheer mehr herausholen möge – Ausgang ungewiss.
Pressestunde
mit Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)
So., 1.3.2020| 11.05 Uhr
52:12 Min.
https://tvthek.orf.at/profile/Pressestu ... P/14043291