EU-Präsidentschaft -
Bewährungsprobe für die Luftraumüberwachung
ein Beitrag von Erich Strobl.
 
In der ersten Jahreshälfte 2006 hatte Österreich die EU-
Präsidentschaft inne. Mehrmals wurden Ministertreffen abgehalten und hochrangige Politiker absolvieren Staatsbesuche in Österreich.
Dem bei derartigen Veranstaltungen bestehenden Gefährdungs-
potential wird unter anderem durch verstärkte Luftraumüberwachung (LRÜ) Rechnung getragen. Für die aus der Schweiz angemieteten Northrop F-5E Tiger II des Überwachungsgeschwaders (ÜG) war der Einsatz knapp mehr als ein halbes Jahr nach Übernahme des regulären Einsatzflugbetriebs von den Draken die erste große Bewährungsprobe.
 

Die Alarmrotte und ein Ersatzflugzeug bereiten sich auf einen Einsatz vor.
Für die zwölf aus der Schweiz angemieteten Northrop F-5E Tiger II war die Luftraum-
sicherung während der EU-Präsidentschaft die erste große Bewährungsprobe.


alle Fotos
© Erich Strobl



Am Anfang war Ikarus

Mit der Übung Ikarus unterstützte das österreichische Heer auch in diesem Jahr wieder die Schweizer Armee bei der Luftraumsicherung für das zwischen 25. und 29. Januar in Davos abgehaltene Weltwirtschaftsforum 2006. Zur passiven Kontrolle des auch auf österreichisches Staatsgebiet reichenden Luftraumbeschränkungsgebiets und des angrenzenden Luftraums wurden eine Mobile Radarstation (MRS) sowie mehrere Tieffliegererfassungsradarsysteme (TER) nach Vorarlberg verlegt und auf dem Hochberg bei Bregenz sowie im Raum Hohenems stationiert. Auf Tiroler Seite setzte das Heer erstmals Feuerleitgeräte der Type 98 Skyguard zur Überwachung von Gebirgstälern ein. Mit den mobilen Sensoren war es möglich, die durch die hochalpine Topografie der westlichen Bundesländer bedingten sichttoten Bereiche der ortsfesten Radarstationen auszuleuchten und das Radarbild der Region zu verdichten. Alle erfassten Radar- und Videodaten wurden digitalisiert in die LRÜ-Einsatzzentrale bei St. Johann im Pongau übertragen und dort analysiert. Zur Verbesserung des Luftlagebildes wurden die Daten in der Folge auf elektronischem Weg mit der LRÜ-Zentrale der Schweizer Luftwaffe ausgetauscht.
 




Eine Mobile Radarstation MRS im Osten Österreichs. Natürlich werden die Radarstationen streng bewacht.
 
Für die aktive Luftraumüberwachung setzte das Bundesheer 20 Flugzeuge und Hubschrauber ein. Die F-5E- und Saab 105OE-Patrouillen flogen von Graz-Thalerhof und Linz-Hörsching aus. Die PC-7 wurden auf den Flughafen Innsbruck disloziert, die S-70 in Schwaz stationiert. Während des gesamten Veranstaltungszeitraums patrouillierten die Luftstreitkräfte verstärkt im Luftraum über Tirol und Vorarlberg. Alle Flugzeuge sowie ein Black Hawk (zur Erprobung) waren bei den Flügen bewaffnet und hatten, um verirrte oder unwissend in den gesperrten Luftraum einfliegende Piloten aufmerksam zu machen, außen am Rumpf oder auf dem Gun-Pod die Notfrequenz 121,5 MHz aufgemalt.
Im Überwachungszeitraum wurden 150 Überwachungsflüge geflogen, 57 davon mit F-5E Tiger II. Insgesamt drei unerlaubt in das Luftraumbeschränkungsgebiet eingeflogene Privatflugzeuge, zwei aus der Schweiz, eines aus Deutschland, wurden abgefangen, identifiziert und zur Anzeige gebracht. Der Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte Generalmajor Erich Wolf betonte in einem Statement zu der Operation die gute Zusammenarbeit mit den Schweizer Luftstreitkräften und mit den Behörden in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg. Für die österreichische LRÜ war Ikarus gleichzeitig eine letzte Überprüfung der geplanten Schutzmaßnahmen für die Anfang März in Innsbruck und Salzburg abgehaltenen EU-Ministertreffen sowie die nachfolgenden Veranstaltungen.
 

Scharfe Infrarot-Lenkwaffen
AIM-9P6 Sidewinder.



Call 121,5 MHz - Die F-5E tragen während der Sicherungsoperationen die Notfrequenz gut sichtbar für abgefangene Maschinen am Außentank.

 
Schützende Blase
Tagungsorte und Veranstaltungen werden, vergleichbar einem System aus schützenden Blasen, durch Flugverbotszonen (TPA) und Flugbeschränkungszonen (TRA) aus der Luft abgeschirmt. In Innsbruck und Salzburg galt eine Meile rund um den Veranstaltungsort bis zu einer Höhe von 1000 Fuß absolutes Flugverbot. Die darüber liegende Beschränkungszone reichte in einem Radius von 27 Meilen um den Tagungsort bis rund 6,500 Meter über Grund. Flüge durch die Flugbeschränkungszone müssen vorab angemeldet und genehmigt werden. Schutzzonen und der umgebende Luftraum werden großräumig passiv und aktiv überwacht.
Die passive Kontrolle erfolgt durch die ortsfesten Radarstationen des Systems Goldhaube sowie durch die Anflugradar der Zivilflughäfen. Zusätzlich kommen, unter anderem auch bedingt durch die schwierigen Bedingungen auf Grund der alpinen Topografie des Landes, unterschiedliche mobile Radarsysteme wie MRS, TER, Zielzuweisungsradargeräte (ZZR) und Skyguard sowie GEFAS-Systeme (Gefechtsfeld-Aufklärungs-System) zum Einsatz. Diese Sensoren ergänzen und verdichten die von Goldhaube gelieferten Informationen. Die in die Einsatzzentrale Basisraum (EZ/B) nahe St. Johann/Pongau übertragenen Radardaten werden analysiert, bewertet und daraus das Luftlagebild für das Air Operation Center (AOC) erstellt. Bei grenzüberschreitenden Beschränkungszonen wird - mit Ausnahme der Schweiz, wo seit einigen Jahren der Datenaustausch elektronisch möglich ist - über Verbindungsoffiziere in den Luftraumüberwachungszentralen sowie in den Command and Reporting Centres (CRC) der Nachbarländer der notwendige Informationsaustausch sicher gestellt.
 



Tieffliegererfassungsradarsysteme TER verdichten das Luftlagebild der Goldhaube. Links eine TER Kolonne im Mot-Marsch.
 
Aktive Überwachung der Sicherungszonen
Das Luftlagebild ist Grundlage für die Einsätze der aktiven Komponente der LRÜ. Bei den Luftraumsicherungsoperationen setzen die österreichischen Luftstreitkräfte derzeit im Regelfall F-5E Tiger, Saab 105OE, PC-7 und S-70 Black Hawk ein, während des Besuchs von US-Präsident Bush in Wien flogen erstmals auch OH-58 für die LRÜ. Die Flugzeuge und Hubschrauber werden ihrem Einsatzprofil entsprechend in den für sie optimalen Höhen- und Geschwindigkeitsbereichen eingesetzt und ermöglichen so für jedes denkmögliche Bedrohungsszenario ausgehend vom in großer Höhe fliegenden militärischen oder zivilen Jet über Propellerflugzeuge, Hubschrauber, Segelflieger, Paragleiter, Drachenflieger und Gleitschirmflieger bis zum Ballon eine adäquate Reaktion. F-5E werden auf hochfliegende schnelle Ziele angesetzt, Saab 105OE und PC-7 stehen gegen mittelschnelle und langsamere Ziele in geringerer Höhe bereit. Zur Identifizierung tief fliegender langsamer Flugobjekte kommen S-70 Black Hawk zum Einsatz. In den engen Gebirgstälern der Alpen bewähren sich die wendigen PC-7 sowie der Black Hawk besonders. Während die Hubschrauber (noch) unbewaffnet sind, führen die Flugzeuge Kanonen mit, die F-5E auch Sidewinder - Raketen.
 



Oben: eine bewaffnete Saab 105 Rotte auf dem Rollfeld. Die Saab 105 unterstützen die F-5E Tiger gegen mittelschnelle Ziele.
Links: die 30mm Kanonenpods der Saab 105 werden aufmunitioniert.
 
Kann ein Flugobjekt über Radar nicht identifiziert werden oder es wird als mögliche Bedrohung eingestuft, entscheidet das AOC über den Einsatz der geeigneten Luftfahrzeuge. Diese befinden sich entweder im Rahmen einer CAP (Combat Air Patrol) nahe dem Flugbeschränkungsgebiet in der Luft oder stehen auf einem Flugplatz in Bereitschaft. Der Radarleitdienst führt die Maschinen über Radarbild und Funk an das Ziel heran. Das Luftfahrzeug wird identifiziert, dokumentiert, die Kooperationswilligkeit festgestellt und das Flugobjekt aus der Flugsicherheitszone weggeführt oder zur Landung gezwungen. All das erfolgt nach dem Militärbefugnisgesetz.
Wird festgestellt, dass eine terroristische Bedrohung vorliegt, ist nach der Gesetzeslage das BMI zur Bekämpfung terroristischer Aktivitäten zuständig. Erst wenn das BMI die Militärflugzeuge zur Assistenzleistung anfordert, kann der Militärpilot nach dem Waffengebrauchsgesetz der Polizei seine Bordwaffen für einen etwaigen Abschuss einsetzten. Die letzte Entscheidung über den Waffengebrauch liegt aber ausschließlich beim Piloten.

Um Irrtümer auszuschließen tragen die meisten der für die LRÜ eingesetzten Maschinen die Notfrequenz 121,5 MHz auf Rumpf, Gun Pod oder Zusatztank aufgemalt. Während der Luftraumsicherungsoperationen gibt das AOC vor, ob Flugzeuge patrouillieren oder am Boden einsatzbereit bis hin zur Sitzbereitschaft gehalten werden. Ebenso koordiniert das AOC wie viele Patrouillen wann und wie lange in der Luft sind. Geflogen wird über die gesamte Dauer der Veranstaltung, wenn notwendig auch in der Nacht.
 

Eine mit zwei Sidewinder-
Lenkwaffen bestückte
F-5E Tiger II im Anflug auf Graz-Thalerhof.


Von West nach Ost

Während der im März über Innsbruck und Salzburg durchgeführten Luftraumsicherungsoperationen wurden rund 220 Flugstunden absolviert, 90 davon mit den PC-7. Die Tiger des ÜG waren bei 33 Flügen etwa 50 Stunden in der Luft. F-5 und Saab 105OE flogen von ihren Heimatbasen Graz-Thalerhof und Linz-Hörsching aus. Vier S-70 wurden für die Dauer der Einsätze in Schwaz/Tirol (für Innsbruck) und Wals (für Salzburg) stationiert. Die Fliegerschule dislozierte in dieser Zeit zwei Rotten PC-7 sowie zwei Reservemaschinen nach Innsbruck bzw. nach Linz-Hörsching.
Die Politikertreffen während der zweiten Hälfte der EU-Präsidentschaft fanden überwiegend im Osten des Landes statt. Damit verlegte sich der Schwerpunkt der LRÜ-Aktivitäten ebenfalls in Richtung Osten in den Großraum Wien.
Während des vom 11. bis 13. Mai in Wien abgehaltenen IV. EU-Lateinamerikagipfels wurde erstmals eine TRA mit flight level 195 und einem Radius von 43 Meilen rund um Wien eingerichtete. In zwölf Fällen starteten F-5E oder Saab 105OE mit Priorität Alpha, als Flugzeuge die Funkaufforderung, wieder in die ihnen zugewiesenen Korridore zurückzukehren, missachteten.
 

  Die Pilatus PC-7 haben sich als ausgezeichnete Flugzeuge für den Einsatz gegen langsam-
fliegende Eindringlinge wie Sportflugzeuge erwiesen. Sie sind mit zwei 12,7mm Maschinengewehren in Kanonenpods bewaffnet.

Höchste Alarmbereitschaft für Bush

Höhepunkt der Luftsicherungsoperationen im ersten Halbjahr 2006 war zweifellos der Besuch von US-Präsident Bush in Wien. Weiträumig um Wien wurden MRS und TER aufgebaut. ZZR, Skyguard und GEFAS wachten nahe Wien oder direkt im Stadtgebiet über den Schlaf von George W. Ein ZZR etwa wurde in den Weingärten auf dem Nussberg stationiert. Ein weiterer Radarsensor unmittelbar neben den FKK-Gelände auf der Donauinsel beobachtete (hoffentlich nur) den Himmel über Wien.
 

Zielzuweisungsradar ZZR


 
Das ÜG stellte für die rund 22-stündige Operation drei Rotten sowie eine Reservemaschine F-5E. In der Rotte war jeweils ein Jet mit Sidewinder und Guns scharf bewaffnet, der zweite Jet hatte nur die Guns geladen. Die Einsätze wurden in einem Mix aus CAP und QRA mit einer Reaktionszeit von max. 7 Minuten absolviert. Während der Nachtstunden war ständig zumindest ein bewaffneter Tiger in der Luft. Die CAP-Endurance für die F-5 lag zwischen 1h 15min und 1h 30min. Die 105OE flogen ihre bewaffneten Patrouillen und Einsätze von Linz Hörsching aus. Die Einsatzdauer der mit zwei Gun-Pods bestückten Maschinen lag bei rund 1,5 Stunden, die Verweilzeit in der CAP-Area betrug etwa 65 Minuten. Die Ablöse der Rotte durch einen frischen Einsatzverband erfolgte jeweils noch in der CAP-Area. Eine zusätzliche Alarmrotte 105OE stand in einer 8-Minuten-Bereitschaft am Flugplatz Hörsching.
Die Fliegerschule verlegte für den Bush-Einsatz acht PC-7 sowie 25 Mann (Piloten, Techniker und ein Operationscenter) nach Langenlebarn. Sechs Flugzeuge bildeten drei Alarmrotten, zwei Flieger waren als technische Reserve gedacht. Geflogen wurde den ganzen Tag über wobei zeitweise zwei Rotten zeitgleich in der Luft waren. Theoretisch wären auch Einsätze in der Nacht möglich gewesen. Bewaffnete PC-7 verweilten abhängig von der Flughöhe zwischen 2,5 und 3,5 Stunden im Einsatzgebiet.
Beim Fliegerregiment 1 waren die 1. Staffel mit S-70 und die 3. Staffel mit OH-58 in die LRÜ-Operationen involviert. Während des ganzen Bush-Besuchs war ständig zumindest ein Hubschrauber in der Luft. In der Nacht flogen S-70, ein OH-58 hatte in dieser Zeit eine 15 Minuten-Bereitschaft. Unter Tag flogen sowohl S-70 als auch OH-58. Die 3. Staffel unterstützte die Operation mit vier Hubschraubern. Zwei flogen alternierend in CAP, einer wurde in einer 15-Miunten-Bereitschaft startklar gehalten. Die vierte Maschine war technische Reserve. Während die S-70 unbewaffnet flogen, waren die OH-58 aufmunitioniert. Die Einsätze wurden bei allen beteiligten Staffeln von Instruktoren und erfahrene Einsatzpiloten geflogen. Die Piloten der Fliegerschule und der Hubschrauberstaffeln waren in der Vorbereitungsphase zu den LRÜ-Einsätzen von den Piloten des ÜG in die LRÜ-Verfahren eingewiesen worden. So wie Jets und PC-7 wurden auch die Hubschrauber durch Radarleitoffiziere an die Zielobjekte herangeführt.
 

das kompakte Feuerleitgerät 98 Skyguard.



Der Einsatz zeigt Wirkung
Insgesamt kam es während der Flugbeschränkungen zu 37 Luftraumverletzungen, 25 davon alleine während des EU-Lateinamerikagipfels. Ein möglicher Grund waren sicher die hohe Dichte ziviler Flugfelder und das damit verbundene hohe Verkehrsaufkommen rund um Wien.
Weit schwerer wiegt wohl der schlampige und damit verantwortungslose Umgang mit den über NOTAMs verbreiteten Informationen. Jedenfalls hatte sich bis zum Besuch von George W. Bush unter den Piloten herumgesprochen, dass die österreichischen Luftstreitkräfte kompromisslos die Zähne zeigen, wenn es erforderlich ist. Während des EU-USA-Gipfels wurde lediglich eine Verletzung der Flugbeschränkungszone registriert. Ein S-70 stellte eine private tschechische Katana und drängte sie ab.
Der LRÜ-Einsatz während es Bush-Besuchs war die bisher größte derartige Operation der österreichischen Luftstreitkräfte und wurde bravourös gemeistert. Die in den vergangenen Jahren bei den Amadeus-Übungen geprobte Zusammenarbeit bei der LRÜ mit einigen Nachbarstaaten sowie die bei den Bubble-Übungen erprobten Luftraumsicherungsverfahren am Boden und in der Luft haben sich voll bewährt. Parallel zum LRÜ-Einsatz führten die beteiligten Staffeln ihre üblichen Aufträge wie Pilotenausbildung, Training und Grenzüberwachung ohne Einschränkungen durch.
 

Auch Hubschrauber werden zur Luftraumsicherung eingesetzt. Der leitungsstarke S-70A-42 Black Hawk eignet sich sehr gut zum Abfangen von langsamen Luftfahrzeugen bis hinunter zum Paragleiter.


alle Fotos: © Erich Strobl
 
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