In der ersten Jahreshälfte 2006 hatte Österreich die EU-
Präsidentschaft inne. Mehrmals wurden Ministertreffen abgehalten
und hochrangige Politiker absolvieren Staatsbesuche in Österreich.
Dem bei derartigen Veranstaltungen bestehenden Gefährdungs-
potential wird unter anderem durch verstärkte Luftraumüberwachung
(LRÜ) Rechnung getragen. Für die aus der Schweiz angemieteten
Northrop F-5E Tiger II des Überwachungsgeschwaders (ÜG) war
der Einsatz knapp mehr als ein halbes Jahr nach Übernahme des regulären
Einsatzflugbetriebs von den Draken die erste große Bewährungsprobe.
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Mit der Übung Ikarus unterstützte das österreichische
Heer auch in diesem Jahr wieder die Schweizer Armee bei der Luftraumsicherung
für das zwischen 25. und 29. Januar in Davos abgehaltene Weltwirtschaftsforum
2006. Zur passiven Kontrolle des auch auf österreichisches Staatsgebiet
reichenden Luftraumbeschränkungsgebiets und des angrenzenden Luftraums
wurden eine Mobile Radarstation (MRS) sowie mehrere Tieffliegererfassungsradarsysteme
(TER) nach Vorarlberg verlegt und auf dem Hochberg bei Bregenz sowie
im Raum Hohenems stationiert. Auf Tiroler Seite setzte das Heer erstmals
Feuerleitgeräte der Type 98 Skyguard zur Überwachung von Gebirgstälern
ein. Mit den mobilen Sensoren war es möglich, die durch die hochalpine
Topografie der westlichen Bundesländer bedingten sichttoten Bereiche
der ortsfesten Radarstationen auszuleuchten und das Radarbild der Region
zu verdichten. Alle erfassten Radar- und Videodaten wurden digitalisiert
in die LRÜ-Einsatzzentrale bei St. Johann im Pongau übertragen
und dort analysiert. Zur Verbesserung des Luftlagebildes wurden die
Daten in der Folge auf elektronischem Weg mit der LRÜ-Zentrale
der Schweizer Luftwaffe ausgetauscht.
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Für die aktive Luftraumüberwachung setzte das Bundesheer 20
Flugzeuge und Hubschrauber ein. Die F-5E- und Saab 105OE-Patrouillen flogen
von Graz-Thalerhof und Linz-Hörsching aus. Die PC-7 wurden auf den
Flughafen Innsbruck disloziert, die S-70 in Schwaz stationiert. Während
des gesamten Veranstaltungszeitraums patrouillierten die Luftstreitkräfte
verstärkt im Luftraum über Tirol und Vorarlberg. Alle Flugzeuge
sowie ein Black Hawk (zur Erprobung) waren bei den Flügen bewaffnet
und hatten, um verirrte oder unwissend in den gesperrten Luftraum einfliegende
Piloten aufmerksam zu machen, außen am Rumpf oder auf dem Gun-Pod
die Notfrequenz 121,5 MHz aufgemalt.
Im Überwachungszeitraum wurden 150 Überwachungsflüge geflogen,
57 davon mit F-5E Tiger II. Insgesamt drei unerlaubt in das Luftraumbeschränkungsgebiet
eingeflogene Privatflugzeuge, zwei aus der Schweiz, eines aus Deutschland,
wurden abgefangen, identifiziert und zur Anzeige gebracht. Der Kommandant
der österreichischen Luftstreitkräfte Generalmajor Erich Wolf
betonte in einem Statement zu der Operation die gute Zusammenarbeit mit
den Schweizer Luftstreitkräften und mit den Behörden in den
Bundesländern Tirol und Vorarlberg. Für die österreichische
LRÜ war Ikarus gleichzeitig eine letzte Überprüfung der
geplanten Schutzmaßnahmen für die Anfang März in Innsbruck
und Salzburg abgehaltenen EU-Ministertreffen sowie die nachfolgenden Veranstaltungen.
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Tagungsorte und Veranstaltungen werden, vergleichbar einem System aus
schützenden Blasen, durch Flugverbotszonen (TPA) und Flugbeschränkungszonen
(TRA) aus der Luft abgeschirmt. In Innsbruck und Salzburg galt eine Meile
rund um den Veranstaltungsort bis zu einer Höhe von 1000 Fuß
absolutes Flugverbot. Die darüber liegende Beschränkungszone
reichte in einem Radius von 27 Meilen um den Tagungsort bis rund 6,500
Meter über Grund. Flüge durch die Flugbeschränkungszone
müssen vorab angemeldet und genehmigt werden. Schutzzonen und der
umgebende Luftraum werden großräumig passiv und aktiv überwacht.
Die passive Kontrolle erfolgt durch die ortsfesten Radarstationen des
Systems Goldhaube sowie durch die Anflugradar der Zivilflughäfen.
Zusätzlich kommen, unter anderem auch bedingt durch die schwierigen
Bedingungen auf Grund der alpinen Topografie des Landes, unterschiedliche
mobile Radarsysteme wie MRS, TER, Zielzuweisungsradargeräte (ZZR)
und Skyguard sowie GEFAS-Systeme (Gefechtsfeld-Aufklärungs-System) zum
Einsatz. Diese Sensoren ergänzen und verdichten die von Goldhaube
gelieferten Informationen. Die in die Einsatzzentrale Basisraum (EZ/B)
nahe St. Johann/Pongau übertragenen Radardaten werden analysiert,
bewertet und daraus das Luftlagebild für das Air Operation Center
(AOC) erstellt. Bei grenzüberschreitenden Beschränkungszonen
wird - mit Ausnahme der Schweiz, wo seit einigen Jahren der Datenaustausch
elektronisch möglich ist - über Verbindungsoffiziere in den
Luftraumüberwachungszentralen sowie in den Command and Reporting
Centres (CRC) der Nachbarländer der notwendige Informationsaustausch
sicher gestellt.
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Das Luftlagebild ist Grundlage für die Einsätze der aktiven
Komponente der LRÜ. Bei den Luftraumsicherungsoperationen setzen
die österreichischen Luftstreitkräfte derzeit im Regelfall F-5E
Tiger, Saab 105OE, PC-7 und S-70 Black Hawk ein, während des Besuchs
von US-Präsident Bush in Wien flogen erstmals auch OH-58 für
die LRÜ. Die Flugzeuge und Hubschrauber werden ihrem Einsatzprofil
entsprechend in den für sie optimalen Höhen- und Geschwindigkeitsbereichen
eingesetzt und ermöglichen so für jedes denkmögliche Bedrohungsszenario
ausgehend vom in großer Höhe fliegenden militärischen
oder zivilen Jet über Propellerflugzeuge, Hubschrauber, Segelflieger,
Paragleiter, Drachenflieger und Gleitschirmflieger bis zum Ballon eine
adäquate Reaktion. F-5E werden auf hochfliegende schnelle Ziele angesetzt,
Saab 105OE und PC-7 stehen gegen mittelschnelle und langsamere Ziele in
geringerer Höhe bereit. Zur Identifizierung tief fliegender langsamer
Flugobjekte kommen S-70 Black Hawk zum Einsatz. In den engen Gebirgstälern
der Alpen bewähren sich die wendigen PC-7 sowie der Black Hawk besonders.
Während die Hubschrauber (noch) unbewaffnet sind, führen die
Flugzeuge Kanonen mit, die F-5E auch Sidewinder - Raketen.
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Kann ein Flugobjekt über Radar nicht identifiziert werden oder es
wird als mögliche Bedrohung eingestuft, entscheidet das AOC über
den Einsatz der geeigneten Luftfahrzeuge. Diese befinden sich entweder
im Rahmen einer CAP (Combat Air Patrol) nahe dem Flugbeschränkungsgebiet
in der Luft oder stehen auf einem Flugplatz in Bereitschaft. Der Radarleitdienst
führt die Maschinen über Radarbild und Funk an das Ziel heran.
Das Luftfahrzeug wird identifiziert, dokumentiert, die Kooperationswilligkeit
festgestellt und das Flugobjekt aus der Flugsicherheitszone weggeführt
oder zur Landung gezwungen. All das erfolgt nach dem Militärbefugnisgesetz.
Wird festgestellt, dass eine terroristische Bedrohung vorliegt, ist nach
der Gesetzeslage das BMI zur Bekämpfung terroristischer Aktivitäten
zuständig. Erst wenn das BMI die Militärflugzeuge zur Assistenzleistung
anfordert, kann der Militärpilot nach dem Waffengebrauchsgesetz der
Polizei seine Bordwaffen für einen etwaigen Abschuss einsetzten.
Die letzte Entscheidung über den Waffengebrauch liegt aber ausschließlich
beim Piloten.
Um Irrtümer auszuschließen tragen die meisten der für
die LRÜ eingesetzten Maschinen die Notfrequenz 121,5 MHz auf Rumpf,
Gun Pod oder Zusatztank aufgemalt. Während der Luftraumsicherungsoperationen
gibt das AOC vor, ob Flugzeuge patrouillieren oder am Boden einsatzbereit
bis hin zur Sitzbereitschaft gehalten werden. Ebenso koordiniert das AOC
wie viele Patrouillen wann und wie lange in der Luft sind. Geflogen wird
über die gesamte Dauer der Veranstaltung, wenn notwendig auch in
der Nacht.
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Während der im März über Innsbruck und Salzburg durchgeführten
Luftraumsicherungsoperationen wurden rund 220 Flugstunden absolviert,
90 davon mit den PC-7. Die Tiger des ÜG waren bei 33 Flügen
etwa 50 Stunden in der Luft. F-5 und Saab 105OE flogen von ihren Heimatbasen
Graz-Thalerhof und Linz-Hörsching aus. Vier S-70 wurden für
die Dauer der Einsätze in Schwaz/Tirol (für Innsbruck) und
Wals (für Salzburg) stationiert. Die Fliegerschule dislozierte
in dieser Zeit zwei Rotten PC-7 sowie zwei Reservemaschinen nach Innsbruck
bzw. nach Linz-Hörsching.
Die Politikertreffen während der zweiten Hälfte der EU-Präsidentschaft
fanden überwiegend im Osten des Landes statt. Damit verlegte sich
der Schwerpunkt der LRÜ-Aktivitäten ebenfalls in Richtung
Osten in den Großraum Wien.
Während des vom 11. bis 13. Mai in Wien abgehaltenen IV. EU-Lateinamerikagipfels
wurde erstmals eine TRA mit flight level 195 und einem Radius von 43
Meilen rund um Wien eingerichtete. In zwölf Fällen starteten
F-5E oder Saab 105OE mit Priorität Alpha, als Flugzeuge die Funkaufforderung,
wieder in die ihnen zugewiesenen Korridore zurückzukehren, missachteten.
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Höhepunkt der Luftsicherungsoperationen im ersten Halbjahr 2006
war zweifellos der Besuch von US-Präsident Bush in Wien. Weiträumig
um Wien wurden MRS und TER aufgebaut. ZZR, Skyguard und GEFAS wachten
nahe Wien oder direkt im Stadtgebiet über den Schlaf von George W.
Ein ZZR etwa wurde in den Weingärten auf dem Nussberg stationiert.
Ein weiterer Radarsensor unmittelbar neben den FKK-Gelände auf der
Donauinsel beobachtete (hoffentlich nur) den Himmel über Wien.
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Das ÜG stellte für die rund 22-stündige Operation drei
Rotten sowie eine Reservemaschine F-5E. In der Rotte war jeweils ein Jet
mit Sidewinder und Guns scharf bewaffnet, der zweite Jet hatte nur die
Guns geladen. Die Einsätze wurden in einem Mix aus CAP und QRA mit
einer Reaktionszeit von max. 7 Minuten absolviert. Während der Nachtstunden
war ständig zumindest ein bewaffneter Tiger in der Luft. Die CAP-Endurance
für die F-5 lag zwischen 1h 15min und 1h 30min. Die 105OE flogen
ihre bewaffneten Patrouillen und Einsätze von Linz Hörsching
aus. Die Einsatzdauer der mit zwei Gun-Pods bestückten Maschinen
lag bei rund 1,5 Stunden, die Verweilzeit in der CAP-Area betrug etwa
65 Minuten. Die Ablöse der Rotte durch einen frischen Einsatzverband
erfolgte jeweils noch in der CAP-Area. Eine zusätzliche Alarmrotte
105OE stand in einer 8-Minuten-Bereitschaft am Flugplatz Hörsching.
Die Fliegerschule verlegte für den Bush-Einsatz acht PC-7 sowie 25
Mann (Piloten, Techniker und ein Operationscenter) nach Langenlebarn.
Sechs Flugzeuge bildeten drei Alarmrotten, zwei Flieger waren als technische
Reserve gedacht. Geflogen wurde den ganzen Tag über wobei zeitweise
zwei Rotten zeitgleich in der Luft waren. Theoretisch wären auch
Einsätze in der Nacht möglich gewesen. Bewaffnete PC-7 verweilten
abhängig von der Flughöhe zwischen 2,5 und 3,5 Stunden im Einsatzgebiet.
Beim Fliegerregiment 1 waren die 1. Staffel mit S-70 und die 3. Staffel
mit OH-58 in die LRÜ-Operationen involviert. Während des ganzen
Bush-Besuchs war ständig zumindest ein Hubschrauber in der Luft.
In der Nacht flogen S-70, ein OH-58 hatte in dieser Zeit eine 15 Minuten-Bereitschaft.
Unter Tag flogen sowohl S-70 als auch OH-58. Die 3. Staffel unterstützte
die Operation mit vier Hubschraubern. Zwei flogen alternierend in CAP,
einer wurde in einer 15-Miunten-Bereitschaft startklar gehalten. Die vierte
Maschine war technische Reserve. Während die S-70 unbewaffnet flogen,
waren die OH-58 aufmunitioniert. Die Einsätze wurden bei allen beteiligten
Staffeln von Instruktoren und erfahrene Einsatzpiloten geflogen. Die Piloten
der Fliegerschule und der Hubschrauberstaffeln waren in der Vorbereitungsphase
zu den LRÜ-Einsätzen von den Piloten des ÜG in die LRÜ-Verfahren
eingewiesen worden. So wie Jets und PC-7 wurden auch die Hubschrauber
durch Radarleitoffiziere an die Zielobjekte herangeführt.
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Insgesamt kam es während der Flugbeschränkungen zu 37 Luftraumverletzungen,
25 davon alleine während des EU-Lateinamerikagipfels. Ein möglicher
Grund waren sicher die hohe Dichte ziviler Flugfelder und das damit verbundene
hohe Verkehrsaufkommen rund um Wien.
Weit schwerer wiegt wohl der schlampige und damit verantwortungslose Umgang
mit den über NOTAMs verbreiteten Informationen. Jedenfalls hatte
sich bis zum Besuch von George W. Bush unter den Piloten herumgesprochen,
dass die österreichischen Luftstreitkräfte kompromisslos die
Zähne zeigen, wenn es erforderlich ist. Während des EU-USA-Gipfels
wurde lediglich eine Verletzung der Flugbeschränkungszone registriert.
Ein S-70 stellte eine private tschechische Katana und drängte sie
ab.
Der LRÜ-Einsatz während es Bush-Besuchs war die bisher größte
derartige Operation der österreichischen Luftstreitkräfte und
wurde bravourös gemeistert. Die in den vergangenen Jahren bei den
Amadeus-Übungen geprobte Zusammenarbeit bei der LRÜ mit einigen
Nachbarstaaten sowie die bei den Bubble-Übungen erprobten Luftraumsicherungsverfahren
am Boden und in der Luft haben sich voll bewährt. Parallel zum LRÜ-Einsatz
führten die beteiligten Staffeln ihre üblichen Aufträge
wie Pilotenausbildung, Training und Grenzüberwachung ohne Einschränkungen
durch.
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