Nowotny war einer der erfolgreichsten Jagdpiloten aller Zeiten, Mitglied der
NSDAP und Österreicher - eine unbequeme Mischung, die einmal im Jahr -
an Nowotnys Todestag - für Unruhe im Land sorgt. In diesem Beitrag wollen
wir die Person Walter Nowotny vorstellen. Wir zeigen wofür er ein Ehrengrab
der Stadt Wien bekommen hat und auch warum es ihm wieder aberkannt wurde.
Walter Nowotny wird am 7. Dezember 1920 in Gmünd im Waldviertel (Niederösterreich)
geboren. Er wird katholisch erzogen und seine beiden Leidenschaften sind von
Beginn an der Sport und die Technik.
Im Sommer 1936 besucht er die Olympischen Spiele in Berlin, ein Ereignis, dass
Nowotnys großen sportlichen Ehrgeiz weiter anregt. Dort kommt er auch
in Kontakt mit dem "nationalsozialistischen Pomp" des Hitler-Regimes.
Familie Nowotny zu Weihnachten 1936. Walter steht ganz rechts. Anders als es
am ersten Blick scheint, stammt Walter Nowotny nicht aus einer Soldaten-, sondern
aus einer Eisenbahnerfamilie. © Held*
Nowotny wird Mitglied der Hitlerjugend, der Jugendorganisation der in Österreich
seit 1933 verbotenen NSDAP. Die HJ dient damals noch der "körperlich-geistigen
sowie sittlichen Erziehung der Jugend". Erst ab 1939 ist die HJ für
die (vor-)militärische Ausbildung zuständig.
Mit HJ-Leichtathletikstaffeln gelingen Nowotny achtbare Erfolge im Speerwurf
und 1.000m Lauf.
Im Mai 1938, zwei Monate nachdem die Nationalsozialisten in Österreich
die Macht übernommen hatten, maturiert Nowotny an der Oberschule in Laa.
Im selben Monat wird Walter Nowotny auch Mitglied der NSDAP (Nationalsozialistische
Deutsche Arbeiterpartei). Seine Mitgliedschaft ist im Berlin-Documents-Center
unter der Nummer 6.382.781 belegt.
In der Zeit vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs arbeitet er im Reichsarbeitsdienst
RAD.
militärische Ausbildung.
Nowotny vor seinem ersten Flug. Bei der Maschine handelt es sich um eine Heinkel
He 72 'Kadett'.
© Held
Als am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen der 2. Weltkrieg beginnt,
meldet sich der ehrgeizige und technikverliebte Niederösterreicher im Alter
von 18 Jahren freiwillig zur Deutschen Luftwaffe.
Vom 1. Oktober bis 15. November 1939 absolviert Nowotny seine militärische
Grundausbildung beim 2. Flieger-Ausbildungsregiment 62 in Quedlinburg. Danach
kommt er zur Luftkriegschule 5 in Breslau-Schöngarten, wo er auf einer
Heinkel He 72 'Kadett' das Fliegen erlernt. Im Mai 1940 beginnt für Nowotny
die Jagdausbildung in der Jagdfliegerschule 5 in Wien-Schwechat. Er wird von
Hauptmann Julius Arigi, mit 32 Abschüssen einer der erfolgreichsten Jagdpiloten
der k.u.k. Luftfahrttruppe im 1. Weltkrieg, ausgebildet und gehört zu den
Jahrgangsbesten.
Fähnrich Nowotny erhält am 19. August, nach leicht verkürzter
Ausbildung, sein Flugzeugführerabzeichen. Es folgt die Umschulung auf das
Jagdflugzeug Messerschmitt Bf 109.
an die Front.
Nowotnys erste Aufgabe als Jagdpilot ist der Schutz der Leuna-Werke, doch wird
er bereits am 1. Dezember 1940 zur Ergänzungsstaffel Jagdgeschwader 54
an den Nordabschnitt der Russlandfront versetzt. Zu den erhofften Feindflügen
kommt es vorerst nicht.
Ab dem 23. Februar 1941 dient Nowotny bei der 9. Staffel des JG 54, ab 25. März
fliegt er in der Stabsstaffel der Ergänzungs-Jagdgruppe
JG 54. Bei Erdkampfeinsätzen und Konvoischutzaufträgen über der
Ostsee erhält der erst 20jährige Niederösterreicher als Rottenflieger
von erfahrenen Staffelkameraden den letzten Schliff.
Walter "Nowi" Nowotny vor seiner Messerschmitt Bf 109, die im grünen
Herzen des
JG 54 seine Glückszahl 13 trägt. © Internet
Am 19. Juli 1941 erringt Leutnant Walter "Nowi" Nowotny seinen ersten
Luftsieg. Über der Ostseeinsel Ösel gelingt ihm mit einer
Bf 109 E-7 der Abschuss zweier Polikarpow I-153. Am Rückflug wird er jedoch
selbst von einem russischen Jäger angegriffen und getroffen. Es gelingt
ihm zwar auch diesen Gegner abzuschießen, doch kurz darauf versagt der
Motor und er muss notwassern. Nach drei Tagen im Rettungsfloss erreicht der
junge Niederösterreicher die befreundete Küste, wo er völlig
erschöpft von einer Küstenartillerieeinheit bei Mikelbaka aufgelesen
wird. Angeblich übernimmt Nowotny bei der Fahrt ins Lazarett selbst das
Steuer und rammt prompt einen Baum. Kurz darauf sitzt er wieder im Cockpit.
Die Fliegerhose, die er bei seinem Abendteuer trug, wird zu seiner "Abschusshose".
Er trägt sie von nun an bei jedem Einsatz.
Weniger Glück hat Nowotny beim Autofahren, noch im August bricht er sich
bei einem erneuten Unfall das Schlüsselbein.
vom Fliegerass zum Volkshelden.
Als 1941 der Winter einbricht, hat Nowotny bereits 10 Abschüsse vorzuweisen.
Er kommt zur I. Gruppe der 3. Staffel, wo er mit seinem Rottenflieger und Freund
Karl "Quax" Schnörrer erfolgreich auf Jagd geht. Unter den Soldaten
der Ostfront wird die Rotte bald als "Max und Moritz" gefeiert, denn
ihre Opfer sind vor allem Flugzeuge, die sich im Einsatz gegen deutsche Bodentruppen
befinden.
Am 4. September 1942 wird Nowotny für 56 Luftsiege das Ritterkreuz zum
Eisernen Kreuz verliehen. Am 25. Oktober wird er im Alter von nur 22 Jahren
Kommandant der 1. Staffel JG 54.
Im Jänner 1943 wird Nowotnys Einheit der neue Jägertyp Focke-Wulf
Fw 190 zugeteilt. Diese kräftige Maschine bietet sehr gute Sichtverhältnisse,
gute Bewaffnung und ein breites Fahrwerk.
Die Fw 190 von Nowotnys Rottenflieger Karl "Quax" Schnörrer
bei der Landung.
© Held
Technische Daten Fw 190A-4
Hersteller: Focke-Wulf Flugzeugbau GmbH
Abmessungen: Länge: 8,85 m / Spannweite: 10,51 m /
Höhe 3,95 m / Tragfläche: 18,3 m²
Leergewicht: 2.950 kg
max. Startgewicht: 4.535 kg
Triebwerk: BMW 801D-1 Doppelsternmotor, etwa 1.700 PS
in Meereshöhe
Höchstgeschwindigkeit: 642 km/h in 6.000 m Höhe
Steigfähigkeit: ca. 1.250 m/min
Dienstgipfelhöhe: 10.300 m
Reichweite: 1.036 km
Bewaffnung:
2x 20 mm MG 151/20E (je 250 Schuss)
2x 20 mm MG FF/M (je 90 Schuss)
2x 7,92 mm MG 17 (je 900 Schuss)
Focke-Wulf Fw 190A-4 "Würger" im Winteranstrich. Das grüne
Herz ist das Zeichen des JG 54. Krasnogvardeisk, November 1942. © Bora-Press
Focke-Wulf FW.190A
Am 1. Februar 1943 bildet der inzwischen zum Oberleutnant beförderte Walter
Nowotny mit Karl Schnörrer, Anton Döbele und Rudolf Rademacher seinen
legendären Jägerschwarm, die "Teufelskette". Die vier Piloten
bilden ein perfekt eingespieltes Team, dem der Gegner aufgrund ihrer Erfahrung,
hervorragender Taktik und guter Ausrüstung nichts entgegenzusetzen hatte.
Innerhalb eines Jahres erringt der Schwarm Nowotny etwa 500 bestätigte
Luftsiege.
Natürlich machen es seine Erfolge und seine Jugend der Propaganda-
maschinerie des Dritten Reiches besonders leicht, Nowotny zum heldenhaften Vorbild
zu machen.
Mit dieser "Weißen 8" (siehe Grafik oben) erreicht Nowotny den
300. Luftsieg der Staffel. Die Aufnahme entstand gleich nach der Landung. ©
Held
Je stärker die Rote Armee gegen die Wehrmacht drängt, desto schneller
steigt die Zahl der Einsätze und der Abschüsse. Am 5. Juni gelingt
Nowotny beim 344. Feindflug der 100. Abschuss. Nur zwei Monate später,
die Front beginnt sich bereits westwärts zu verschieben, gelingt bereits
der 200. Abschuss. Von den Soldaten der Roten Armee bekommt Nowotny den Beinamen
"Tiger von Wolchowstroj".
Doch die vielen Einsätze sind für Nowotny sehr ermüdend. Nachts
wird er des öfteren von Alpträumen geplagt.
Am 22. September 1943 erhält Hauptmann Nowotny aus der Hand Adolf Hitlers
das Eichenlaub und das Eichenlaub mit Schwertern. Mit 218 Abschüssen ist
er nun der erfolgreichste Jagdflieger der Geschichte.
wieder einmal wackelt Nowotny über dem Feldflugplatz triumphierend mit
den Tragflächen. © Held
Am 19. Oktober 1943 werden Nowotny für 250. Luftsiege als achten Soldat
der Wehrmacht die Brillanten zum Ritterkreuz verliehen. In Wien wird er von
einer begeisterten Menge empfangen. Doch Nowotny zieht es zurück zu seiner
Staffel. Um sich bei seinen Rottenflieger erkenntlich zu zeigen, wechseln Schnörrer
und er die Rollen. Von nun an deckt Nowotny seinem Freund in Luftkämpfen
den Rücken.
Am 15. November 1943 bekommt Nowotny Feindflugverbot. Das NS Regime kann sich
den Verlust des Volkshelden nicht leisten. Walter Nowotny wird zum Zugpferd
der NS Propagandamaschinerie - einem Auftritt folgt der nächste. Im Jänner
1944 bekommt er den Ehrenring der Stadt Wien.
Der Versuch, erneut in ein Jägercockpit zu steigen, wird vom Führer
persönlich unterbunden. Statt dessen wird der 23jährige Niederösterreicher
im April 1944 Kommandant der Jagdfliegerschule I in Pau (JG 101). Alle Versetzungsanträge
scheitern. Als am 6. Juni 1944 die Alliierten in Frankreich landen, steigt sein
Frust ins unerträgliche. Am 9. September gibt Nowotny das Kommando über
die inzwischen ins Reichsgebiet zurückverlegte Jägerschule ab.
das Kommando Nowotny.
Seit Juli 1944 setzt die deutsche Luftwaffe vereinzelt den noch geheimen Strahljäger
Me 262 von Lerchfeld aus gegen alliierte Höhenaufklärer ein. Nowotny
schult auf die Me 110 um und fliegt im Anschluss daran auch die Me 262. Er verzichtet
dabei völlig auf Einweisungsflüge in einem Doppelsitzer.
Am 26. September 1944 wird Nowotny, inzwischen zum Major befördert, von
Generalleutnant Adolf Galland, dem damaligen General der Jagdflieger, mit der
Aufstellung des weltweit ersten Strahljäger-Jagdkommandos beauftragt. Das
"Kommando Nowotny" (auch "Erpobungskommando Nowotny") soll
mit seinen bis zu 30 Maschinen nicht nur die Truppenerprobung der Me 262 durchführen,
sondern auch Abfangeinsätze gegen alliierte Bomberverbände fliegen.
Das Kommando erwirkt einige wesentliche Verbesserungen des Strahljägers,
entwickelt neue Taktiken und setzt den neuen Typ erfolgreich gegen schwere Bomber
ein. Doch die vielen Kinderkrankheiten der Triebwerke, zahlreiche Unfälle
und natürlich auch feindliche Jagdbomber und Begleitjäger machen der
Einheit schwer zu schaffen.
Die beiden Stützpunkte Achmer und Hesepe befinden sich direkt in der Haupteinflugsschneise
der alliierten Bomber. So lauern die Jagdflieger der Alliierten direkt bei den
Flugplätzen auf startende und landende
Me 262, denn in der Luft sind die schnellen Jets ein harter Gegner. Nowotny
lässt in diesen heiklen Phasen die Me 262 von Fw 190D Maschinen schützen,
doch stehen ihm dafür viel zu wenige Flugzeuge zur Verfügung.
eine Me 262A-1a kurz vor der Auslieferung an die Luftwaffe.
© Internet
Technische Daten Me 262A-1a
Hersteller: Messerschmitt
Abmessungen: Länge: 10,60 m / Spannweite: 12,48 m /
Höhe: 3,84 m / Tragfläche: 21,70 m²
Leergewicht: 3.800 kg
max. Startgewicht: 6.400 kg
Triebwerk: 2x Strahlturbinen Junkers Jumo 004 B-1/-2/-3
mit je 8,8 kN Schub (3.646 PS)
Höchstgeschwindigkeit: 869 km/h in 6.000 m Höhe
Steigfähigkeit: 1.200 m/min
Dienstgipfelhöhe: 11.450 m
Reichweite: 1.050 km
Bewaffnung: 4x Rheinmetall-Borsig 30mm Maschinenkanonen MK 108 (2x 100 und 2x
80 Schuss)
Messerschmitt Me 262A-1a "Schwalbe". Achmer, November 1944. ©
afwing.com
das letzte Kapitel.
Am 7. November 1944 besuchen Generalleutnant Adolf Galland und Generaloberst
Keller den Stützpunkt Achmer. Als Nowotny seinen Wunsch nach mehr Platzschutz-Jägern
äußert, stellt Keller die Einsatzfreudigkeit der vorhandenen Piloten
in Frage, was naturgemäß für Verstimmung sorgt.
Am 8. November 1944 werden starke Bomberverbände gemeldet und die beiden
Generäle werden Zeuge eines Einsatzes. In Achmer und Hesepe steigt je eine
Rotte Me 262 auf, die beide je einen viermotorigen Bomber abschießen können.
Doch ein Rottenflieger wird abgeschossen. Kurz darauf meldet auch der Pilot
der verbliebenen Maschine der Hesepe-Rotte einen Triebwerksbrand und steigt
aus.
Nowotny hält nichts mehr. Er beschließt sich erneut über das
Feindflugverbot hinwegzusetzen (er hatte bereits zwei Bomber mit der Me 262
abgeschossen) und lässt die "Weiße 8" startklar machen.
Seine "Weiße 1" wird gerade überholt. Nowotny ignoriert
den Befehl Gallands, nicht aufzusteigen. Auch der Triebwerksbrand bei seinem
Rottenflieger kann ihn nicht von seinem Vorhaben abbringen. Er fliegt alleine
los. Bereits kurz nach dem Start zu seinem 443. Feindflug schiesst Nowotny einen
viermotorigen Bomber ab. Was dann passierte ist nicht eindeutig geklärt.
Nowotny meldet sich über Funk mit: "Scheiße, scheiße!
Meine Triebwerke! Meine Triebwerke!" Kurz darauf sieht man eine Me 262
mit brennenden Triebwerken senkrecht aus der Wolkendecke stoßen.
an der Absturzstelle bei Epe errichteten Nowotnys Kameraden diesen Gedenk-
stein. © Held
Die Maschine schlägt in der Nähe des kleinen Dorfes Epe auf. Karl
Schnörrer, der ebenfalls beim Kommando Nowotny dient, eilt zur Absturzstelle.
Er findet jedoch nur noch einen halbgeöffneten Fallschirm und Nowotnys
sterbliche Überreste.
Man nimmt an, dass sich Nowotnys Fallschirm am Leitwerk seiner Maschine verfangen
hatte.
Vermutlich wurde Nowotny bei seinem Rückflug von zwei Piloten der USAAF
abgeschossen, denen bei Achmer zu jenem Zeitpunkt zu gleichen Teilen ein Luftsieg
über eine Me 262 zugesprochen wurde.
Es handelte sich um 1st Lt Edward "Buddy" Haydon (357th Fighter Group)
und Fliegerass Capt Ernest "Feeb" Fiebelkorn (20th Fighter Group).
Nowotny erzielte insgesamt 258 bestätigte und mindestens 23 unbestätigte
Abschüsse. Zweimal gelangen ihm 10 Abschüsse an einem einzigen Tag.
Walter Nowotny ist damit der fünfterfolgreichste Jagdflieger der Geschichte.
Ohne dem 1943 verhängten Feindflugverbot hätte er zweifelsfrei noch
wesentlich mehr Luftsiege errungen.
Seine Erfolge verdankte Nowotny seiner Athletik, der blitzschnellen Reflexe,
seinem guten Sehvermögen und einem ausge-
zeichneten Gefühl für Entfernungen. Zudem war er auch ein hervorragender
Taktiker. Seine psychische Kraft und Ausdauer zog er aus seinem Glauben.
Der ehemalige General der Jagdflieger Adolf Galland sprach nach dem Krieg über
Walter Nowotny: "Nowotny war der beste Jagdflieger, den Deutschland je
hatte! Obwohl er erst 24 Jahre alt war, brachte er eine besondere Eignung für
höhere Kommandos mit. Ich glaube, er war in jeder Beziehung ein außergewöhnlicher
Mann." © Internet
Nachruf eines Feindes.
Den Respekt, den ein erfolgreicher Jagdflieger im 2. Weltkrieg bei seinen Gegnern
genoss, kann man heute nur mehr schwer nachvollziehen. Darum ist dieser zeitgenössische
Text des französischen Fliegerasses Pierre Clostermann, 18 Abschüsse**
im Dienste der Royal Air Force (freie franz. Streitkräfte), besonders interessant.
Er schrieb in seinem Buch "Die große Arena":
"Walter Nowotny ist gefallen ... Sein Name fällt an diesem Abend oft
im Gespräch in der Messe. Wir sprechen von ihm ohne Groll und Haß.
Jeder ruft in einem Ton der Achtung, ja beinahe der Zuneigung, die Erinnerung
wieder herauf, die ihn mit ihm verbindet. Es ist das erste Mal, daß ich
diesen Ton in der RAF vernehme; zum erstenmal auch erlebe ich, wie sich eine
merkwürdige Solidarität zwischen allen Jägern offen Ausdruck
gibt, eine Verbundenheit jenseits der einzelnen Tragödien und jenseits
aller Vorurteile ... Wir grüßen heute einen tapferen Feind, den das
Schicksal ereilt hat, erklären Nowotny zu einem der Unseren, der teil hatte
an unserer Welt, in der weder Ideologien noch Haß, noch Grenzen zählen.
Diese Kameradschaft hat nichts zu tun mit Patriotismus, Demokratie, Nationalsozialismus
oder dem Gedanken an die Menschheit. Alle spüren das heute instinktiv.
Die die Achseln zucken, können es nicht verstehen - sie sind keine Jagdflieger
... Schade, daß dieser Typ nicht unsere Uniform trug. Er wäre ein
feiner Kerl gewesen."
Begräbnisfeierlichkeiten.
Die Stadt Wien bot Walter Nowotny am 16. November 1944 eines der aufwendigste
Begräbnisse des 20. Jahrhunderts. Staatsakt in der Hofburg, Prozession
über den Ring auf den Wiener Zentralfriedhof und natürlich ein Ehrengrab
- Ehrengräbergruppe 14C, Platznummer 12.
Ein Ehrengrab ist Ausdruck der Ehrung für Personen, die zu Lebzeiten besondere
Verdienste erworben haben - ganz gleich ob Künstler, Wissenschaftler oder
Politiker. Die Erhaltungskosten eines Ehrengrabs werden von der Stadt Wien getragen.
große Gedenkveranstaltung im großen Zeremoniensaal der Wiener Hofburg.
© Held
auf einer Lafette wurde Nowotnys Sarg in einer feierlichen Prozession zum Wiener
Zentralfriedhof gebracht. Der gesamten Route entlang nahmen die Wienerinnen
und Wiener Abschied von ihrem Volkshelden. Heute werden auf diese Weise nur
noch Bundespräsidenten zu Grabe getragen. © Held
was tun mit dem Ehrengrab?
Auch lange nach seinem Tod war der Jagdflieger Walter Nowotny für die
Kriegsgeneration der Inbegriff höchster Opferbereitschaft und Tugend.
Keine Partei konnte es sich in Österreich nach 1945 leisten, die wichtige
Wählergruppe der ehemaligen Nationalsozialisten zu verärgern. Viele
ehemalige NSDAP Parteimitglieder befanden sich in den Reihen der Großparteien
der Zweiten Republik. So blieb der Status von Nowotnys Ehrengrab unangetastet.
Auch wenn sich hin und wieder an Nowotnys Grabstätte einige "Ewiggestrige"
einfanden, blieb es doch relativ ruhig um die Ehrengräbergruppe 14C.
Der (Grab-)Stein des Anstoßes. Das Bild stammt von der jährlichen
Gedenkveranstalt ung aus dem Jahr 2005. © News
Die betagte Mutter erhielt nach dem Krieg den eigentlich an die Person Walter
Nowotny gebundenen Ehrenring der Stadt Wien zurück. 1958 wurde der Grabstein
erneuert und über einige Jahre hinweg stellte das Bundesheer an Nowotnys
Todestag sogar Ehrenwachen auf. Das österreichische und das deutsche Verteidigungsministerium
lies Kränze niederlegen. Im Jahr 1981 brachte das Institut für Münz-
und Medaillenkunst, München und Wien, eine Nowotny-Gedenkmünze heraus.
Erst Ende der 90er Jahre begannen sich die Wiener Grünen an der Tatsache
zu stoßen, dass der "Nazipilot" Nowotny in einem Ehrengrab lag
- noch dazu in unmittelbarer Nachbarschaft des Ehrengrabs von Rosa Jochmann,
einer Widerstandskämpferin des 2. Weltkriegs.
Die Diskussion um das Ehrengrab radikalisierte das linke und rechte Lager gleichermaßen.
Wieder einmal rächte sich die halbherzige Aufarbeitung der Rolle der Österreicher
im 2. Weltkrieg. Es kam zu Aufmärschen von rechtsradikalen Gruppen und
zu Grabschändungen.
Am 23. Mai 2003 wurde bei einer Sitzung des Wiener Gemeinderats von den Grünen
der Antrag auf Aberkennung des Ehrengrab-Status eingebracht und mit den Stimmen
der Grünen und der SPÖ beschlossen. Begründet wurde der Entschluss
damit, dass der Abschuss von 250 alliierten Piloten keine Leistung sei, für
die man ein Ehrengrab erhalten sollte, das Nowotny kein "völlig unpolitischer
Wehrmachtsangehöriger" war und als Mitglied der NSDAP gestorben ist.
Die ebenfalls geforderte Verlegung des Grabes war nicht möglich, da Nowotnys
Grab als Kriegsgrab unter besonderem Schutz steht.
Die FPÖ stimmte gegen eine Aberkennung und warf den beiden Parteien "Missachtung
der Kriegsgeneration" vor. Nowotny sei kein Kriegsverbrecher gewesen und
hat daher das Ehrengrab verdient.
Auch die ÖVP stimmte gegen die Aberkennung. Sie lehnte die Vorgehensweise
ab und regte die Einführung einer Ehrengräberkommission an, die die
Rechtmäßigkeit von allen Ehrengräbern untersuchen sollte. Sollte
die Kommission eine Aberkennung empfehlen, dann würde auch die ÖVP
einem entsprechenden Antrag zustimmen.
Seit dem Jahr 2003 kommt der "Verein zur Pflege des Grabes Walter Nowotny" für die Erhaltung der Grabstätte auf, doch die Wogen um den Konflikt um die Grabstätte sind längst nicht geglättet. Das Grab befindet sich weiterhin in der Ehrengräbergruppe und ist von einem Ehrengrab nicht zu unterscheiden. Daher fordern viele weiterhin die Verlegung oder zumindest eine Zusatztafel. Auch kann ein öffentlicher Auftritt an Nowotnys letzter Ruhestätte schon einmal die Karriere kosten.
Abschließend soll mit zwei weitverbreiteten Irrtümern um die Person
Walter Nowotny aufgeräumt werden:
1) Nowotny war kein "illegaler Nazi". Als illegale Nationalsozialisten
bezeichnet man Österreicher, die zwischen dem Verbot der NSDAP und dem
Anschluss Mitglieder der NSDAP wurden. Es gab vor dem Anschluss bereits etwa
150.000 NSDAP Mitglieder in Österreich - darunter viele Prominente. Nowotny
trat erst nach dem Anschluss der NSDAP bei.
2) Nowotny wird von rechten Kreisen angesichts seiner zahlreichen Abschüsse
gerne als Retter tausender unschuldiger Zivilisten dargestellt. Er habe alliierte
Bomber abgeschossen, die österreichische oder deutsche Städte in Schutt
und Asche legen wollten. Doch Nowotnys Gegner war in erster Linie die russische
Luftwaffe, die das Vorgehen der Roten Armee aus der Luft unterstützte.
Nur drei seiner Abschüsse waren Bomber im Anflug auf deutsche Städte.
*
Die Quellenangabe "Held" bezieht sich auf das Buch "Der Jagdflieger
Walter Nowotny. Bilder und Dokumente." von Werner Held. Motorbuch-Verlag,
Stuttgart 1997, ISBN 3-87943-976-6
**
nach französischer Zählweise 33 Luftsiege, zahlreiche Jagdbombereinsätze,
bei denen er u.a. 72 Lokomotiven und Waggons und sogar ein U-Boot zerstörte.
Mit 420 Feindflügen einer der erfahrensten Piloten der Alliierten.