Endlose Soldatenspielerei
  von Otto Klambauer, Kurier, 06.10.2003
 
  Albert Bach war der einzige General der Zweiten Republik, der aus Protest zurücktrat. Sein Vermächtnis sei Zilks Bundesheer-Reformkommission ins Stammbuch geschrieben

"Die Unsicherheit der Österreicher über die Gestaltung ihrer zukünftigen Sicherheitspolitik ist die Folge der jahrzehntelangen unzulänglichen Information der Österreicher über die tatsächlichen Erfordernisse der Sicherheit Österreichs."

Nein, dies ist nicht das Eröffnungs-Statement von Altbürgermeister Helmut Zilk zum Arbeitsbeginn der Bundesheer-Reformkommission, deren Vorsitz er führt. Es stammt auch nicht aus der Feder der Offiziers-Gesellschaft.

Es ist der Leitsatz eines Vermächtnisses, das der einzige Bundesheer-General hinterlassen hat, der jemals in der Zweiten Republik aus Protest von seinem Kommando zurückgetreten ist.

Ex-General Albert Bach hat in seinen letzten Lebensjahren Bilanz des Bundesheeres in der Zweiten Republik gezogen. Im Sommer 2003 ist er 93. Lebensjahr verstorben. Sein Vermächtnis, das er dem Autor hinterließ, wirkt angesichts der aktuellen Debatte um Auftrag und Zielsetzung der neuen Bundesheer-Reformkommission wie eine Grundsatzanalyse der Zilk-Kommission.

Vor 31 Jahren, am 6. Oktober 1972, erschien der KURIER mit der Schlagzeile: "Ein General nimmt den Hut - Protest gegen BH-Reform". General Albert Bach, einer der ranghöchsten Bundesheer-Offiziere, legte sein Kommando als Befehlshaber der Gruppe II zurück. Grund: die Aufstellung einer Bereitschaftstruppe als eigener, nicht integrierter Truppenkörper. Bach befürchtete die Aushöhlung des Bundesheeres. Verteidigungsminister Lütgendorf nahm den Rücktritt an. Bereits im Vorfeld hatte Bach die Folgen von Kreiskys Bundesheer-Reform so kritisiert: "Das ist keine Armee, das ist Soldatenspielerei!"

In seiner Lebensbilanz dehnte Bach als General im Ruhestand und Zeitzeuge seinen Vorwurf auf die gesamte Zweite Republik aus.

Für Bach stand das Bundesheer stets im Spannungsfeld der Politik. Immer setzte die Politik halbherzige Maßnahmen durch, alle Reformen blieben auf halbem Weg stecken.

Schon in der Bundesheer-Gründung aus der B-Gendarmerie war der Keim der Halbherzigkeit gelegt. Nach dem Staatsvertrag 1955 musste rasch ein Heer aufgestellt werden. Die vier Besatzungmächte wollten mit Kriegsmaterial helfen. Bach: "Engländer, Franzosen und Sowjets gaben nur wenig. Die USA aber erklärten sich bereit, Österreich die gesamte harte Ausrüstung für ein Heer von 60.000 Mann zur Verfügung zu stellen." Zielsetzung: "Nach Vorstellung der USA sollte Österreich mit Hilfe der USA ein voll motorisiertes, stehendes Heer von 60.000 Mann aufstellen."

Doch diese Stärke wurde nie erreicht. Bach: "Von Anfang an war von österreichischer Seite zu erkennen, dass es auch personell schwierig sein wird, ständig ein Heer von 60.000 Mann zu unterhalten. Es ergab sich die Frage, ob es für Österreich nicht zweckmäßiger wäre, im Frieden ein kleineres Heer zu bilden und dieses bei Bedarf durch Mobilmachung rasch zu vergrößern."

Zwar begann man das Bundesheer "mit großem Elan" aufzubauen. Doch bald zeigte sich, dass der weitere Ausbau "keineswegs gesichert, sondern sehr gefährdet war." Ursache war, "dass das Bundesheer von Anfang an bei weitem die für den Aufbau notwendigen Mittel und Möglichkeiten von den zuständigen Gremien, insbesondere Nationalrat und Bundesregierung, nicht zur Verfügung gestellt bekam."

Schon von 1956 bis 1961 war das Heeresbudget rückläufig. "Die Ursache dieser Mängel lag vor allem in der Einstellung der Masse der für die Landesverteidigung verantwortlichen Politiker zur Landesverteidigung." Bach sah "keine ernsthafte Befassung mit den tatsächlichen Erfordernissen der österreichischen Landesverteidigung durch die hiefür zuständigen politischen Gremien Nationalrat und Bundesregierung. Die Landesverteidigung geriet auch immer wieder in kleinliches politisches Parteien-Gezänke."

Wie reagierte das Militär? "Zunächst hoffte die militärische Führung auf allmählich vermehrte Einsicht der Politiker für die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Landesverteidigung. Eine Hoffnung, die in großem Umfang bis zur Gegenwart nicht erfüllt wurde."

Besonders wurde dies, so Bach, in den 70er-Jahren sichtbar: Zwar setzte Kreisky eine "breit gegliederte Bundesheer-Reformkommission ein". Diese leistete auch "gute Arbeit", aber "es zeichnete sich bald ab, dass die Bundesregierung nur gewillt war, diese Empfehlungen zum Teil durchzuführen."

Seit der Heeresgliederung 1978 wurden zwar bei der personellen Heeresstärke "quantitativ und qualitativ beträchtliche Fortschritte erzielt. Auf materiellem Gebiet hingegen waren die Fortschritte gering."

Daran änderte sich auch nach dem Ende des Kalten Krieges 1989 nichts. Dazu kam, dass nun auch die neue Kernfrage österreichischer Sicherheitspolitik - Bewahrung der Neutralität oder Teilnahme an einer europäischen Sicherheitspolitik - ebenfalls nicht beantwortet wurde: "In Österreich bestehen Unklarheiten und große Meinungsverschiedenheiten, wie Österreich in Zukunft am besten seine Sicherheit schützen soll."

Bach ortet in seinem Vermächtnis "ein ernstes Versäumnis der österreichischen Politiker". Sein Appell, den man der neuen Bundesheer-Reformkommission unter Helmut Zilk ins Stammbuch schreiben muss: "Eine eingehende, baldige Befassung der Politiker und des österreichischen Volkes mit dieser wichtigen Materie ist notwendig!"

   
 
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