Sicherheitsmilliarde plus

DIE SICHERHEITSMILLIARDE PLUS

by Doppeladler

Sicherheitsmilliarde plus © Bundesheer/Doppeladler.comFoto: Bundesheer/ Montage: Doppeladler.com

Am 26.04.2016 passierte die „Sicherheitsmilliarde plus“ den Ministerrat. Es handelt sich nach jahrzehntelanger Aushungerung um die erste Budgeterhöhung für das Österreichische Bundesheer. Ist die Dauerbaustelle nun saniert?

Das Bundesheer erhält bis 2020 1,3 Mrd. Euro mehr an Geld.“ und weiter: „Wir haben die Trendwende geschafft! Das Bundesheer hat erstmals seit Jahren wieder Geld, um zu investieren.“ So lauteten die Jubelmeldungen von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) nach Abschluss der Budgetverhandlungen.

Möglich wurde diese tatsächlich bemerkenswerte budgetäre Trendumkehr durch die neuen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen und Herausforderungen, denen sich Österreich zu stellen hat: Die Flüchtlingskrise (und der entsprechende Assistenzeinsatz), der Ukraine-Konflikt sowie die Terroranschläge von Paris und Brüssel.
Für das Ende des destruktiven Sparkurses beim Bundesheer gab es breiten politischen Konsens: Am 26.11.2015 brachten alle sechs Parlamentsparteien (Regierung und Opposition) gemeinsamen einen Entschließungsantrag ein, wonach die jüngsten Sparvorgaben nochmals zu überdenken seien.

WAS STECKT DAHINTER?

Doch was steckt hinter der „Sicherheitsmilliarde plus“? Am 26.04.2016 beschloss der Ministerrat die Novelle des Bundesfinanzgesetzes 2016 sowie den Bundesfinanzrahmen 2017 bis 2020. Gegenüber früherer Finanzplanungen liegen die neuen Budgetansätze in den Jahren 2016 bis 2020 um insgesamt rd. 1,3 Mrd. EUR höher.

Grafik Sicherheitsmilliarde plus

Addiert man die Elemente der Sicherheitsmilliarde plus ergeben sich 1,305 Mrd. EUR. Davon sind allerdings nur 896 Mio. EUR eine echte strukturelle Budgeterhöhung. Ein großer Teil dieses Betrags wird von der Wiederaufnahme des regulären Betriebes verschlungen, der aufgrund der Sparbudgets der letzten Jahre auf ein unverantwortbares Maß zusammengestrichen wurde. Notmaßnahmen wie Stunden- und Kilometerbegrenzungen sowie die strenge Rationierung der Munition können zurückgenommen und ein regulärer Dienst- und vor allem auch Übungsbetrieb wieder aufgenommen werden. Es ist daher nicht möglich, diese Beträge großteils für Investitionen in Personal, Gerät oder Infrastruktur heranzuziehen.

93 Mio. EUR macht im Jahr 2020 die erste Rate des noch von Minister Klug verhandelten, aber bisher noch nicht abgebildeten Sonderinvestitionsprogramms bzw. Strukturpakets 2020-2025 aus (in Summe 266 Mio. EUR). Das Strukturpaket 2016-2019 (in Summe 350 Mio. EUR) war übrigens bereits in der Basisfinanzierung berücksichtigt. Diese Summen waren bereits zuvor ausverhandelt worden und stellen daher keine „frischen“ Mittel dar.

Die Kosten des Assistenzeinsatzes an der Grenze werden dem Bundesheer refundiert: 2016 und 2017 stehen dafür 114 Mio. EUR zur Verfügung. Sonstige mit der Flüchtlingskrise in Verbindung stehende Unterstützungsleistungen für das BMI werden in der Höhe von 52 Mio. EUR refundiert. Budgetär geht man davon aus, dass die Krise 2018 vorüber ist. Die insgesamt 164 Mio. EUR sind keine echte Budgeterhöhung, sondern sollen die Mehrkosten abdecken.
In den Jahren 2016 bis 2018 dürfen je 50 Mio. EUR an Einnahmen, die im BMLVS lukriert werden, einbehalten werden. Üblicherweise sind Einnahmen an das Finanzministerium abzuführen. Vorraussetzung für die Verwendbarkeit der 150 Mio. EUR ist allerdings, dass tatsächlich Einnahmen erwirtschaftet werden. Erlöse aus Liegenschaftsverkäufen sind in diesem Betrag nicht berücksichtigt.

Dingo 2Investiert werden soll u.a. in geschützte Fahrzeuge © Doppeladler.com

Vergleicht man die bisherigen Budgetansätze (BFGs, BFRGs) für die Ausgabenobergrenzen des BMLVS mit dem Verhandlungsergebnis ergeben sich nach Berücksichtigung aller Änderungen plus 1,323 Mrd. EUR für die Budget-Untergruppe UG14 „Militärische Angelegenheiten und Sport“ (bei Fortschreibung des Ansatzes für 2019; siehe Tabelle „Differenz ALT-NEU“).

Nach Abzug der Budgetansätze für „Steuerung und Services“ und „Sport“ (die wir ausgehend von 2016 als konstant annehmen) pendeln die Ausgaben für die Streitkräfte wieder um 2 Mrd. EUR. Erst 2020 kommt es zu einer nennenswerten Steigerung.
Der Anteil der Verteidigungsausgaben am BIP liegt bis 2020 zwischen 0,60% und 0,65%. Andere kolportierte Zahlen berücksichtigen das prognostizierte Wirtschaftswachstum nicht und/oder rechnen die Sportagenden mit ein. Österreich gibt daher auch in Zukunft weit weniger Mittel für Verteidigung aus als vergleichbare Staaten und ist von Helmut Zilks (ehem. Bürgermeister Wien und Leiter Bundesheerreformkommission) 1%-Ziel weit entfernt.

Die Inflation wird gerne unter den Tisch gekehrt: Diese wird derzeit im langjährigen Mittel bis 2020 mit etwa 1,5% pro Jahr geschätzt und „frisst“ daher etliche Millionen von der Sicherheitsmilliarde weg.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass spätestens 2018 ein neuer Nationalrat gewählt wird und eine neue Bundesregierung übernimmt. Die Jahrestranchen 2019 und 2020 – in denen „natürlich“ die höchsten Budgetzuwächse geplant worden sind – müssen von der nächsten Regierung bestätigt werden.

IST DAS HEER NUN SANIERT?

Aus obiger Betrachtung der Zahlen kann man schon erkennen, dass zwar der laufende Betrieb profitieren , für viele dringende Investitionen aber weiterhin das Geld fehlen wird. Mit der Budgeterhöhung werden lediglich einige der Sparauflagen der letzten 2-3 Jahre zurückgenommen – für eine Sanierung ist das zuwenig. Ohne zusätzlich die Ausgabenstruktur so anzupassen, dass jährlich mindestens 25% des Budgets für Investitionen verfügbar sind, ist das Heer nicht sanierbar.

Mit der Budgeterhöhung werden lediglich einige der Sparauflagen der letzten 2-3 Jahre zurückgenommen.

Die Zugeständnisse des Verteidigungsministers Doskozil, die wohl politisch notwendig waren, um sein Paket durchzubringen, werden sich in einigen Jahren bitter rächen: Statt befristete Zeitsoldatenverträge soll wieder vermehrt eine Lebensanstellung angeboten werden. Die Personalvertretungen freut es – im Bundesheer wird das Problem der Überalterung aber dadurch weiter verschärft und es entstehen höhere Personalkosten sowie Belastungen durch Pensionsansprüche. Die teilweise Rücknahme der Kasernenverkäufe und der Einsparungen bei der Militärmusik waren die Zugeständnisse an die mächtigen Landeshauptleute. Ebenso wie die Stärkung der Militärkommandos. Die Miliz anstelle präsenter Einheiten wieder den Landeskommandos zuzuordnen ist ein Rückschritt. Die Wiederaufstellung des vor Jahren aufgelösten Kommando Luftstreitkräfte wird auch zu keinen Effizienzsteigerungen führen.
Ein weiteres Thema, welches die Budgetplaner der Zukunft wohl beschäftigen wird, könnte die Verschleppung von Investitionen werden. Laut Kurier sollen trotz der Millionen weniger kleinere Hubschrauber neu beschafft werden. Dazu sollen einige alte OH58B Kiowa weiter genutzt werden, wodurch Mehrkosten im Betrieb entstehen. Die Nachfolge der Saab 105 OE Strahltrainer soll erst 2024 geregelt sein – 4 Jahre später als bisher geplant. Da die Saab wohl nur mehr bis 2020 einsatzfähig sind, kündigt sich hier eine teure Zwischenlösung an. Die Kosten für die neue Trainer-Lösung sind übrigens gar nicht erst in der Budgetvorschau enthalten. Es ist eine Finanzierung außerhalb des Heeresbudgets vorgesehen.

Bell OH-58B KiowaDie Alouette III und OH58B Kiowa benötigen dringend einen Nachfolger © Doppeladler.com

Im Zuge der Vorstellung der „Sicherheitsmilliarde plus“ präsentierte Minister Doskozil auch die Ziele und angestrebten Effekte, die mit den zusätzlichen Mitteln erreicht werden sollen (im Wortlaut):

  • Modernisierung und Fähigkeitenzuwachs durch Investitionen in zukunftsorientierte Einsatzmittel (Fahrzeuge, Ausrüstung und Gerät),
  • Stärkung der Einsatzkräfte des Österreichischen Bundesheeres und Erhöhung der Reaktionsfähigkeit,
  • Hohe Einsatzbereitschaft durch Sicherstellung Ausbildungsbetrieb und Übungen,
  • Erhöhte Durchhaltefähigkeit durch Personaloffensive,
  • Zeitgemäße militärische Infrastruktur.

Als reichlich unkonkrete „konkrete Maßnahmen und Investitionen“ wurden genannt (im Wortlaut):

  • Beschaffung adäquater Ausrüstung für den Schutz der Soldaten,
  • Beschaffung moderner Fahrzeuge zur Verbesserung der Mobilität,
  • Investitionen in die Bereiche Nachrichtengewinnung, Aufklärung und Cyber Defence,
  • Stärkung der Miliz,
  • Ergänzende Investitionen in die Luftflotte,
  • Durchführung Assistenzeinsatz und Unterstützungsleistungen Migration,
  • Personaloffensive,
  • Sicherstellung Ausbildungsbetrieb und vermehrte Übungstätigkeit,
  • Strukturelle Anpassungen des Bundesheeres und des Verteidigungsministeriums.

Pandur A1 6x6Ohne strenge Kilometerbegrenzungen kann wieder mehr geübt werden © Doppeladler.com

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