Darabos' Pilotprojekte für ein Berufsheer

PILOTPROJEKTE FÜR EIN BERUFSHEER

by Doppeladler

Darabos' Pilotprojekte für ein BerufsheerBei der Präsentation der Pilotprojekte war nur einer richtig glücklich © Bundesheer

Wie berichtet werden auf Initiative von Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) drei Pilotprojekte gestartet, um die Durchführbarkeit des seitens der SPÖ propagierten Modells „Berufsheer mit Milizkomponente“ zu beweisen. Am 23. Jänner 2012 wurden die drei vorgesehenen Pilotprojekte vorgestellt: Niederösterreich und Salzburg erhalten je eine Pionierkompanie der „Profimiliz“; sechs militärische Liegenschaften müssen künftig ohne systemerhaltende Grundwehrdiener auskommen und das Jägerbataillon 25 wird zur Gänze professionalisiert. Die Pilotprojekte sollen drei Jahre lang laufen. Die Schätzkosten betragen rund 10 Mio. Euro. Die Finanzierung erfolgt über „Umschichtungen“ aus dem laufenden Heeresbudget.

Pilotprojekte für ein Berufsheer

PROJEKT 1: DIE FREIWILLIGENMILIZ

Das SPÖ Modell sieht neben einem Berufsheer die Bildung einer „Profimiliz“ vor. Das Pilotprojekt sieht daher die Aufstellung von zwei Pionierkompanien (etwa 115 Mann pro Kompanie) in den Bundesländer Niederösterreich und Salzburg vor. Ausgewählt wurden die beiden Länder, da es hier besonders häufig zu Naturkatastrophen kommt. Die Milizsoldaten erhalten eine Jahresprämie von 5.000 Euro und erklären sich im Gegenzug bereit, pro Jahr zwei Wochen für Übungen und auch für etwaige Einsätze im Inland zur Verfügung zu stehen.
Die Aufstellung der Kompanien beginnt ab Februar 2012 und soll bis Juni abgeschlossen sein. Ab Juli wird geübt, ab 2013 stehen beide Kompanien für Einsätze bereit.

Das Pilotprojekt Freiwilligenmiliz wird mit großer Sicherheit vom Verteidigungsminister als Erfolg verkauft werden können. In der Miliz gibt es für zwei Kompanien genug engagierte Soldaten, die gerne bei Katastropheneinsätzen auch gratis mitwirken würden. Wenn dafür auch noch eine bisher nicht ausbezahlte Prämie herausschaut – warum nicht? Die Verpflichtung zu einer zweiwöchigen Tätigkeit beim Heer übertreffen viele Milizsoldaten derzeit freiwillig.
Es ist leider ebenso absehbar, dass die beiden Pionierkompanien auf Kosten anderer (Miliz-)Einheiten mit Personal und modernem Gerät aufgefüllt werden.
Das Projekt „Freiwilligenmiliz“ muss rechtlich erst abgeklopft werden. Denn das Fernbleiben der Milizionäre vom Arbeitsplatz ist aufgrund des Freiwilligenprinzips und der Prämie anders zu bewerten als bei der regulären Miliz. Der Koalitionspartner ÖVP ist gegen die Pilotprojekte und wird Gesetzesänderungen daher wohl kaum unterstützen. Insofern könnte der Zeitplan zur Aufstellung der Kompanien noch kippen.

Pioniere bei der Errichtung einer BehelfsbrückePioniere bei der Errichtung einer Behelfsbrücke © Bundesheer

PROJEKT 2: WENIGER SYSTEMERHALTER

Sechs ausgewählte Bundesheer-Standorte sollen künftig ohne Grundwehrdiener als Systemerhalter auskommen. Es handelt sich um das Verteidigungsministerium selbst (Standort Roßau), das Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai, die Führungsunterstützungsschule in der Starhemberg-Kaserne, das Kommandogebäude General Körner (alle in Wien), um den Truppenübungsplatz Seetaleralpe (Steiermark) und um die Khevenhüller-Kaserne (Klagenfurt).
Damit sollen pro Jahr 350 Grundwehrdiener (Ordonnanzen, Köche, Fahrer, Gehilfen aller Art) eingespart werden. Diese Funktionssoldaten können dann einer militärischen Tätigkeit bei der Truppe nachgehen. Ihre bisherigen Aufgaben werden zum Teil ausgelagert, durch technische Maßnahmen ersetzt (z.B. Alarmanlagen bzw. elektronische Zutrittskontrollen anstelle einer Wache) oder Zivilbediensteten und Lehrlingen übertragen. Ab Februar 2012 werden konkrete Modelle für die betroffenen Liegenschaften erarbeitet. Die Umsetzung erfolgt ab dem zweiten Halbjahr 2012.

Natürlich kann man die Leistungen von Systemerhaltern von Zivil- und Kaderpersonal durchführen lassen bzw. am Markt hinzukaufen. Klar ist auch, dass beides teurer ist, als Wehrpflichtige einzusetzen. Solange man zur Kompensation der Mehrkosten anderen Verbänden oder Garnisonen Budgetmittel oder Dienststellen wegnehmen kann, wird das Pilotprojekt erfolgreich sein.
Das Pilotprojekt könnte aber dazu führen, dass man sich endlich ernsthaft Gedanken macht, ob Systemerhalter im derzeitigen Ausmaß tatsächlich notwendig sind. Welche Objekte müssen von Wachen bewacht werden? Wer braucht einen Fahrer für seinen Dienstwagen? In die Frage der Systemerhalter spielt auch die Standortfrage hinein, denn jeder überflüssige Kasernenstandort schafft auch überflüssigen Erhaltungsaufwand.

WachenDer „Offizier vom Tag“ kontrolliert die Wache der Radetzky-Kaserne © Bundesheer

PROJEKT 3: MUSTERVERBAND

Das Jägerbataillon 25 wird zum Musterverband für das Berufsheer. Österreichs einziges Luftlandebataillon soll künftig nur aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen. Das JgB25 war bereits 1994 der Versuchsverband vor der Einführung der Kaderpräsenzeinheiten (KPE), die ausschließlich aus Berufs- und Zeitsoldaten gebildet werden. Daher dienen bereits heute rund 150 Berufssoldaten beim Klagenfurter Bataillon. Ihre Zahl soll nun auf 500 Mann aufgestockt werden. Die Rekrutierung beginnt ab sofort und soll auch in diesem Bereich neue Erkenntnisse sammeln.
Bis Juli 2012 soll das Bataillon neu strukturiert werden. Neben dem Bataillonskommando und der Stabskompanie werden zwei Jägerkompanien und eine Kampfunterstützungskompanie gebildet.
Bis Anfang 2014 wird das Bataillon über eine erste Einsatzbereitschaft für Inlandsaufgaben, ab Juli 2014 über volle Einsatzbereitschaft verfügen. Laut dem Kommandanten des JgB25, Oberst Herbert Kraßnitzer, wurde der Verband selbst bis zur Präsentation nicht in die Planung eingebunden.

Das Jägerbataillon 25 eignet sich gut für Pilotprojekte zur weiteren Professionalisierung. Kein anderes Jägerbataillon verfügt über so umfangreiche Erfahrungen mit der Rekrutierung und dem Umgang Berufssoldaten. Das Bataillon verfügt auch über besonders viel Einsatzerfahrung und hat auch mehrere Zertifizierungsprozesse gemäß NATO Standards hinter sich. Wenn das Projekt bis zur vollständigen Errichtung des Bataillons durchgezogen wird, stünde ab 2014 erstmals ein größerer Verband zur Durchführung komplexer Aufgaben bereit.
Doch wie bereits in unserem Artikel vom September 2011 dargestellt, können in diesem Pilotprojekt nur wenige neue Erkenntnisse über ein Berufsheer gesammelt werden. Die KPE des JgB25 ist bestes Beispiel dafür, dass es bereits heute eine Berufsheerkomponente gibt. Diese Truppenteile funktionieren aber alle auf Grundlage des heutigen Mischsystems, denn die Wehrpflicht ist das wichtigste Rekrutierungsinstrument für die Berufssoldaten.

Eine Umstellung auf ein Berufsheer kann man nicht im Kleinen erproben. Nur wenn über längere Zeiträume hinweg der Großteil der österreichischen Soldaten am Arbeitsmarkt rekrutiert werden muss, können echte Aussagen getroffen werden. Der internationale Vergleich zeigt, dass nach kurzer Zeit in allen Staaten Rekrutierungsprobleme auftreten. Übrigens auch in Schweden, wo der für die Heeresumstellung verantwortliche Minister gerne über sein „Erfolgsmodell“ spricht, tatsächlich jedoch nur ein Bruchteil der notwendigen Soldaten rekrutiert werden kann.

Soldaten des Jägerbataillons 25 bei einer LuftlandeübungSoldaten des Jägerbataillons 25 bei einer Luftlandeübung © H. Skrdla

ZUM ABSCHLUSS

Alle drei Projekte können durchaus in Teilbereichen den Weg zu echten Reformen weisen, eignen sich jedoch nicht für ihren eigentlichen Zweck: Erkenntnisse für den Umstieg auf ein Berufsheer samt Freiwilligenmiliz sammeln. Die Projekte werden auf Kosten aller nicht beteiligten Truppenkörper bzw. Standorte umgesetzt. Se verschliengen nicht nur Millionen, die das Heer nicht hat, sie besetzen auch Planstellen für Berufssoldaten und Zivilbedienstete im Bereich des Verteidigungsministerium zu deren Reduktion sich das Heer bekannt hat. Bei einem Erfolg haben die Pilotprojekte vor allem bewiesen, wie flexibel das derzeitige Mischsystem aus Wehrpflichtigen, Berufssoldaten und Milizionäre ist.

Keines der Pilotprojekte scheint aus heutiger Sicht in der Umsetzung sehr anspruchsvoll zu sein. Da die Projekte aber sowohl heeresintern als auch bei den anderen Parteien auf heftigen Widerstand stoßen, lauern die Gefahren außerhalb der eigentlichen Untersuchungsbereiche. Die größte Gefahr für die Pilotprojekte ist die Nationalratswahl im Jahr 2013. Denn kurz darauf wird es wohl einen neuen Verteidigungsminister geben. Bis dahin ist vor allem mit weiterem Aktionismus zu rechnen. Die neue Sicherheitsstrategie, die einer echten Bundesheerreform eine Zieldefinition vorgeben könnte, wird leider (von allen Parteien) mit weniger Ehrgeiz angegangen.

Weiterführende Links:

Ähnliche Beiträge