Eurofighter Typhoon © Bundesheer

DOSKOZIL: EUROFIGHTER WIRD ABGELÖST

by Doppeladler

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Wien, 07.07.2017 – In der heutigen Pressekonferenz gibt Verteidigungsminister Doskozil den Ausstieg aus dem System Eurofighter Typhoon bekannt. In seiner Ministerverantwortung leitet er die Beschaffung eines einzelnen Nachfolgemusters für die veralteten Saab 105 Oe Jettrainer und dem Tranche 1 Typhoon ein. Ab 2020 sollen 18 Stück eines neuen Überschall-Jets zulaufen. Diese Entscheidung fußt auf dem Bericht der Heeres-internen „Sonderkommission Aktive Luftraumüberwachung“ vom 30.06.2017.

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Am 07.07.2017 wurden im Zuge einer Pressekonferenz die Ergebnisse der Heeres-internen „Sonderkommission Aktive Luftraumüberwachung“ vorgestellt. Die 26-köpfige Kommission unter dem Kommandanten der Luftstreitkräfte, Brigadier Mag. Karl Gruber, wurde im März 2017 durch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) eingerichtet und sollte die Möglichkeiten zur Durchführung der aktiven Luftraumüberwachung aufzeigen.

Minister Doskozil bekennt sich zu Beginn der Pressekonferenz zur aktiven Luftraumüberwachung als eine verfassungsmäßig gebotene Aufgabe zum Schutze der Souveränität und damit der Neutralität Österreichs. Für diese Aufgabe sei ausschließlich Österreich verantwortlich und sie könne nicht an Dritte ausgelagert werden.
Er ist der Ansicht, dass nur ein nacht-/allwettertauglicher Überschall-Abfangjäger mit entsprechender Bewaffnung und Selbstschutzsystem die erforderlichen Aufgaben erfüllen kann, zu denen laut Analyse auch der Einsatz gegen das „unbefugte Eindringen nicht kooperativer Kampfflugzeuge“ gehört. Der österreichische Eurofighter Typhoon ist der Ansicht der Sonderkommission von seinem derzeitigen Ausrüstungsstand her dazu nicht in der Lage.

Man steht daher vor der Wahl, entweder die bestehende Flotte nachzurüsten und um drei Doppelsitzer zu ergänzen oder 15 Einsitzer und 3 Doppelsitzer eines anderen Typs einzuführen. In beiden von der Kommission empfohlenen Szenarien (Variante 5 und 6 – siehe Grafik) wird auf einen Jet-Trainer (bewaffnet oder unbewaffnet) verzichtet, weil 1-Flotten-Modelle insgesamt als vorteilhafter angesehen werden und man nicht zwei Jet-Typen gleichzeitig einführen möchte.

Doskozil kommt zu den Schluss, dass über 30 Jahre gerechnet eine Neuanschaffung günstiger wäre, da der Betrieb der Eurofighter besonders teuer ist und sich der Ankauf neuer Flugzeuge über diese Periode nur zu 1/3 niederschlägt (Die Kommission hat keine der beiden Varianten bevorzugt!). Das Festhalten am Eurofighter würde um bis zu zwei Milliarden Euro teurer kommen (siehe Grafik). Die erst im Juli 2007 bis September 2009 zugelaufenen Typhoons würden dann nur bis max. 2023 fliegen. Die Vorgehensweise wurde laut dem Minister mit Bundeskanzler Kern und dem Finanzminister Schelling abgestimmt bzw. vorbesprochen.

Vergleich-Lebenszyklus

Vergleich der Lebenszykluskosten der von der Kommission näher betrachteten Varianten auf Basis eigener Erfahrungen und unverbindlicher Kostenauskünfte: Ganz links die von Doskozil bevorzugte Variante 6. Die Referenzvariante ist die bisherige Planung: Weiterbetrieb der 15 Eurofighter (ohne Upgrades) und Ersatz der Saab 105 Oe durch 10 bewaffnete Trainer. Variante 1 ist identisch, allerdings mit Upgrades der Eurofighter.
Abkürzungen: EFT…Eurofighter Typhoon; AF…alternativer Abfangjäger; AJT…bewaffneter Jet-Trainer; HET…unbewaffneter Jet-Trainer; ES…Einsitzer; DS …Doppelsitzer

JET-PILOTEN-AUSBILDUNG

Die veralteten Jettrainer vom Typ Saab 105 OE werden laut den Plänen des Ministers 2020 stillgelegt und durch drei Doppelsitzer des neuen Abfangjägers ersetzt. Damit könnte ein Teil der im Zukauf besonders teuren fortgeschrittenen Piloten-Ausbildung am Einsatzmuster im Inland absolviert werden. Die Doppelsitzer werden auch in der Luftraumüberwachung eingesetzt, wofür sie, im Gegensatz zur Saab 105, die derzeit 150 Tage pro Jahr zu diesem Zweck eingesetzt wird, in vollem Umfang geeignet sein sollen. Der Rest der Pilotenausbildung muss künftig im Ausland zugekauft werden. Wenn in einigen Jahren die Nachfolge des Propeller-Trainers Pilatus PC7 ansteht, sollen 10-12 leistungsfähigere Flugzeuge beschafft werden, um die künftig im Ausland zugekauften Trainingphasen #3 und #4 auf #4 zu reduzieren (Anmerkung: ähnlich Pilatus PC21 in der Schweiz).

DER TYPHOON-NACHFOLGER

Als Anforderungen an den Nachfolger werden genannt:

  • Überschall-Jet
  • Allwetter-/Nachtflugtauglich
  • entsprechende Bewaffnungsmöglichkeit inkl. Allwetter-/Nacht-taugliche Luft-Luft Lenkwaffen.
  • Geringe Betriebskosten
  • Verfügbarkeit ab 2020; Nutzungsdauer etwa 30 Jahre.
  • Möglichkeit einer zwischenstaatlichen Beschaffung (Government-2-Government)
  • Neu oder gebraucht; Einmalzahlung, Ratenzahlung oder Leasing.

Mit welchen Staaten bereits Kontakt aufgenommen wurde, um die Machbarkeit und Kosten der Empfehlungen der Kommission einzuschätzen, wird nicht verraten. Von Doskozil oder Gruber wurden keine Typen genannt und auch russische Modelle nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Ohne Frage ist ein bereits bei einer Luftwaffe eingeführtes Modell mit nur einem Triebwerk zu favorisieren – der Saab JAS-39 Gripen in der Version C/D, den man eventuell gebraucht von der schwedischen Luftwaffen übernehmen könnte (war in der damaligen Ausschreibung dem Eurofighter technisch deutlich unterlegen). Doch hier ist die Frage der Restlebensdauer zu stellen. Die deutlich leistungsfähigere und auf 30 Jahre „zukunftssichere“ E/F Version des Gripen wird 2020 voraussichtlich noch nicht verfügbar sein, denn die Auslieferung an die Erstkunden Schweden und Brasilien startet 2019. Die Lockheed Martin F-16 Fighting Falcon hätte wohl Außenseiterchancen. Sie wurde jedoch kürzlich von Indischen Militärs als „nicht mehr zukunftssicher“ abgelehnt.

Saab JAS 39EBS HU Gripen © Ungarische LuftstreitkräfteUngarn betreibt Saab JAS-39 Gripen C (Einsitzer) und D (Doppelsitzer) unter der Bezeichnung JAS 39EBS HU. Die stark verbesserte Version E/F wird für die schwedische und brasilianische Luftwaffe entwickelt und startete erst am 15. Juni 2017 zum Erstflug © Ungarische Luftstreitkräfte

Lockheed Martin F-16 E/F Block 60 "Desert Falcon" © Luftstreitkräfte VAEDie Vereinigten Arabischen Emirate betreiben mit der Lockheed Martin F-16 E/F Block 60 „Desert Falcon“ eine besonders fortschrittliche (und teure) Version des Jets. Der Hersteller pusht jedoch längst die F-35 Lightning II als dessen Nachfolgemuster © Luftstreitkräfte VAE

ACHTUNG: WAHLEN STEHEN AN!

Alle Ankündigungen müssen im Zusammenhang mit den Nationalratswahlen im Oktober gesehen werden – in 100 Tagen wird gewählt! Die nun eingeleitete Stilllegung der Eurofighter Typhoon (übrigens schon immer ein Wunsch der SPÖ, mit der die Partei sicher bei ihren Wählern punkten kann) sowie die Nachfolgebeschaffung muss von der nächsten Regierung fortgeführt werden. Doskozil geht davon aus, dass die Ergebnisse der Experten des Bundesheeres auch nach der Wahl gültig sind. In den bisher vorliegenden Reaktionen von ÖVP und FPÖ wird grundsätzlich Gesprächsbereitschaft signalisiert, wenn es darum geht, Kosten einzusparen.
Vor der Wahl wird es jedenfalls keine Regierungsbeschlüsse geben. Und schon oft war nach einer Wahl alles anders … gerade wenn es um die Beschaffung von Abfangjägern ging.

SACKGASSE SELBST VERURSACHT

Auffällig ist, dass alle technischen Gründe, die nun für den Umstieg auf einen anderen Jet vorgebracht werden, entweder auf die Reduktion der ursprünglichen Beschaffungsabsicht (Verzicht auf die Doppelsitzer) oder auf den Darabos-Vergleich zurückzuführen sind (Update auf Tranche 2, unzureichende Nachtsicht und Selbstschutzsysteme). Das ist auch den anwesenden Journalisten sofort aufgefallen.
Der Typhoon kann bei Anpassung an den Ausrüstungsstand der anderen Betreiberstaaten alle Anforderungen erfüllen. Das Untersuchungsergebnis ist daher auch das Ergebnis einer Serie von Fehlentscheidungen.

WAS GESCHIEHT MIT DEN EUROFIGHTERN?

Laut Bericht der Sonderkommission wurden bei allen Varianten, die ein Auslaufen des Systems Eurofighter Typhoon vorsehen, mögliche Verkaufserlöse nicht berücksichtigt. Für Doskozil rechnet sich daher auch die Stilllegung ohne Nachnutzung oder Verkauf. Man sollte sich auch keine besonderen Hoffnungen machen, dass man für die Flugzeuge einen guten Preis bekommen würde. In Europa sind derzeit 141 Eurofighter Typhoon der Tranche 1 im Einsatz, die alle modernisiert werden müssen. Jeder potentielle Kunde weiß, dass er die erforderlichen Upgrade-Kosten mitrechnen muss.

DAS KONZEPT WIRFT FRAGEN AUF

  • Generell sind die Berechnungsgrundlagen der oben angegebenen Kosten-Bandbreiten nicht ausreichend dargelegt, um zu erkennen, was berücksichtigt wurde und was nicht. Das macht eine Analyse schwierig.
  • Halten die nur unverbindlichen Kostenangaben bei der Ausschreibung und im laufenden Betrieb? Sind bei anderen Abfangjägern tatsächlich hohe Betriebskostenersparnisse möglich? Und brauchen andere Typen über 30 Jahre keine Upgrades? Das ein alternativer Abfangjäger-Typ mit ähnlichem Leistungsspektrum und top-moderner Ausstattung über die Gesamtlaufzeit günstiger sein soll als der Betrieb der vorhandenen Jets (inkl. Aufrüstung und Ergänzung durch Doppelsitzer) ist schwer vorstellbar. Auch auffällig: das mit dem bereits vertrauten System Eurofighter verbundene Kostenrisiko wird hoch bewertet; das Risiko bei noch nicht definierten Alternativbeschaffungen niedrig.
  • Sind alle Kosten eines Typenwechsels berücksichtigt worden? Das startet bei der erforderlichen Umschulung der Piloten und des Bodenpersonals, geht über Supportverträge und erforderliche Ersatzteile und Werkzeuge, bis hin zum teuren Flugsimulator.
  • Welches Einsatzkonzept liegt den berechneten Stückzahlen und Flugstunden zugrunde? Vermutlich nur die Luftraumüberwachung zu Bürozeiten und nicht 24/7. In den bevorzugten Ein-Flotten-Systemen müsste das Bundesheer mit nur 18 Jets – d.h. wesentlich weniger als bisher – auskommen.
  • Im Bericht der Kommission ist von der Notwendigkeit die Rede, auch mit dem neuen Jet zwei Einsatzflughäfen zu betreiben (vermutlich Zeltweg und Linz). Sind diese Mehrkosten berücksichtigt worden? Ein Überschall-Abfangjäger würde in Linz eine aufwändigere Infrastruktur erfordern.
  • Nachfolge-Abfangjäger: Die rasche Verfügbarkeit ab 2020 und die kalkulierte lange Lebensdauer von 30 Jahren bis 2049 scheint schwer unter einen Hut zu bringen zu sein. Vermutlich sind bis 2020 nur gebrauchte Maschinen zu haben. Werden diese dann noch 30 Jahre lang fliegen und vom Hersteller technisch betreut?

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