McDonnell Douglas F/A-18C Hornet J-5010 aus der Schweiz © Doppeladler.com

Schweiz startet mit Luftraumüberwachung 24/7

by Doppeladler

17. Februar 2014 – Der Ethiopian Airlines Flug 702 wird vom Kopiloten unter Androhung von Gewalt entführt. Er landet nicht in Rom, sondern fliegt weiter nach Genf. Die italienische Luftwaffe schickt zur Sicherung zwei Eurofighter TYPHOON. Über Frankreich übernehmen Dassault RAFALE die Eskorte. Als die Maschine den Schweizer Luftraum eindringt, übernimmt … niemand. Die Entführung erfolgte außerhalb der Bürozeiten. Nur dank Nacheile-Abkommen bleibt die Boeing nicht unbewacht. Glücklicherweise landete der Kopilot die Maschine sicher in Genf und ließ sich festnehmen.

Ab 31. Dezember 2020 kann das nicht mehr passieren. Die Schweiz führt nach mehrjähriger Vorbereitung die permanente Luftraumüberwachung ein. 24 Stunden täglich, an jedem Tag des Jahres – sowohl mittels Radarstationen als auch mit Überschall-Kampfflugzeugen.

Im Jahr 2020 wurden 15 "Hot Missions" (Alarmeinsätze – in Österreich "Priorität Alpha") und 290 "Live Missions" (stichprobenweise Kontrollen) geflogen © Doppeladler.com
Im Jahr 2020 wurden 15 „Hot Missions“ (Alarmeinsätze – in Österreich „Priorität Alpha“) und 290 „Live Missions“ (stichprobenweise Kontrollen) geflogen © Doppeladler.com

Der erste Schritt zur aktiven Luftraumüberwachung rund um die Uhr (in der Schweiz: Luftpolizeidienst) erfolgte im Jahr 2016: Während 50 Wochen standen zwei Flugzeuge an Wochentagen von 8 bis 18 Uhr bereit. 2017 wurde diese Präsenz auf 365 Tage ausgeweitet. Seit Beginn 2019 stehen die Jets bereits von 6 bis 22 Uhr in Bereitschaft und per Ende 2020 erfolgt nun der Ausbau auf 24 Stunden während 365 Tagen im Jahr.

Diese lange Vorlaufzeit mag überraschen, waren doch immerhin ausreichend Abfangjäger vorhanden: 25 McDonnell Douglas F/A-18C Hornet und 5 F/A-18D Doppelsitzer. Doch für den Vollausbau Ende 2020 wurden rund 100 zusätzliche Stellen bei der Luftwaffe, Logistikbasis der Armee und Führungsunterstützungsbasis benötigt. Das Personal musste rekrutiert und ausgebildet werden. Die Mehrkosten belaufen sich auf etwa 30 Mio. Franken pro Jahr (27,6 Mio. EUR). Dieser Betrag setzt sich hauptsächlich aus Personalkosten, Kosten für die Flugsicherung und Betriebskosten zusammen.

Das Projekt Luftpolizeidienst 24 (LP24) führt dazu, dass permanent zwei bewaffnete Überschall-Jets in Bereitschaft gehalten werden. Innerhalb von 15 Minuten kann jederzeit ein Alarmstart erfolgen. Einsatzbasis für die QRA-Rotte (Quick Reaction Alert) ist der Militärflugplatz Payerne. Ausweichplätze sind in Emmen und Meiringen vorhanden.

Teil der gewissenhaften Vorbereitungen für den LP24 waren auch Nachttrainings über der Nordsee. Vom 24. November bis 18. Dezember 2020 wurden zehn F/A-18, 40 Piloten und 100 Techniker auf die Royal Air Force Base in North Yorkshire, RAF Leeming, verlegt. Bei der Übung „YORKNITE 2020“ trainierten die Schweizer auch gemeinsam mit F-15E STRIKE EAGLEs der US Air Force.

YORKNITE 2020: Schweizer F/A-18 und F-15E der US Air Force üben über der Nordsee © 48th Fighter Wing US Air Force
YORKNITE 2020: Schweizer F/A-18 und F-15E der US Air Force üben über der Nordsee © 48th Fighter Wing US Air Force

Gleichzeitig wird in Österreich eifrig in die Gegenrichtung gearbeitet: Mit der ersatzlosen Außerdienststellung der SAAB 105 OE wird die Anzahl der Jets des Bundesheeres auf 15 Stück Eurofighter TYPHOON reduziert. Für eine permanente Luftraumüberwachung nach Schweizer Vorbild fehlt es an Abfangjägern, Personal – aber vor allem am politischen Willen. Die Schweiz – etwa halb so groß wie Österreich und etwa gleich viele Einwohner – zeigt vor wie es geht, wenn man als neutraler Kleinstaat die Sicherheit und Souveränität im Luftraum ernst nimmt.

BLICK IN DIE ZUKUNFT – AIR2030

Damit die permanente Luftraumüberwachung auch in Zukunft sichergestellt werden kann, läuft derzeit die Beschaffung eines Nachfolgers für die F/A-18 Hornet. Im Jahr 2020 haben sich die Schweizer in einem Volksentscheid mehrheitlich für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge ausgesprochen. Im Jahr 2021 soll die Typenentscheidung erfolgen. Im Rennen sind noch der Eurofighter TYPHOON, die Dassault RAFALE, die Lockheed-Martin F-35A LIGHTNING II sowie die Boeing F/A-18E/F SUPER HORNET. Im November wurden Angebote für 36 und für 40 Flugzeuge inklusive definierter Logistik und Bewaffnung eingeholt. Für die Beschaffung sind 6 Mrd. Franken vorgesehen (5,5 Mrd. EUR).
Zur Luftraumverteidigung wird zusätzlich um etwa 2 Mrd. Franken ein weitreichendes Boden-Luft-Lenkwaffensystem beschafft. Im Rennen sind SAMP/T (Eurosam, Frankreich) und Patriot (Raytheon, USA).

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Titelbild: McDonnell Douglas F/A-18C Hornet J-5010 aus der Schweiz © Doppeladler.com

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