Das Motto der Landesverteidigung: Wird schon nichts passieren
Das Bundesheer bekommt keine Budgetaufstockung und geht in Richtung einer Hilfsorganisation bei Naturkatastrophen. Doch das ist kurzsichtig.
Sie erinnern sich noch an Norbert Darabos? Oder an Gerald Klug? Zwei SPÖ-Verteidigungsminister, denen Regierungschef Werner Faymann denselben Auftrag mitgegeben hatte: Im Bundesheer einen rigorosen Sparkurs zu exekutieren und gleichzeitig in einer groß angelegten PR-Offensive zu verbreiten, dass bei der Landesverteidigung ohnehin alles in Ordnung sei. Was mit einer gewissen Situationselastizität (©Gerald Klug) auch gelungen ist.
Erst für Hans Peter Doskozil standen wieder die Interessen der Landesverteidigung im Vordergrund, der nunmehrige burgenländische Landeshauptmann lobbyierte für eine kräftige Anhebung des Heeresbudgets. Noch mehr gilt das für Thomas Starlinger: Der Generalstabsoffizier, der zum Minister der Übergangsregierung wurde, ließ einen schonungslosen Zustandsbericht des Bundesheers erarbeiten. Und der hatte es in sich: Der Schutz der Bevölkerung sei schon jetzt nicht mehr gewährleistet, die militärischen Fähigkeiten werden sich bei gleichbleibender finanzieller Ausstattung in den kommenden zehn Jahren auf null reduzieren.
Die Regierung Kurz greift jetzt wieder auf das frühere Konzept Marke Darabos/Klug zurück:
Mit Klaudia Tanner wurde eine Verteidigungsministerin installiert, die zwar starke Worte gegen Airbus finden darf, die aber nicht die Mittel in die Hand bekommt, das Bundesheer auf ein adäquates Niveau zu heben. Und die öffentlich auch gar nicht darum kämpft. Dabei fallen ihr jetzt natürlich die Vorarbeiten ihres Vorgängers Starlinger auf den Kopf: Dessen Zustandsbeschreibung des Bundesheers ist fundiert und lässt sich nicht so einfach vom Tisch wischen.
Dabei wäre gerade jetzt der Zeitpunkt, für ein starkes Bundesheer zu lobbyieren. Corona und eine mögliche neue Flüchtlingskrise lassen erahnen, dass man ein funktionierendes Bundesheer auch in naher Zukunft brauchen könnte. Wobei das ja noch gar nicht die großen Herausforderungen wären. Wesentlich schwieriger zu bewältigen wären andere, durchaus realistische Szenarien: eine ernsthafte terroristische Bedrohung beispielsweise. Es gibt in Österreich rund 300 Objekte an „kritischer Infrastruktur“ (Flughäfen, Wasserleitungen, Regierungsgebäude etc.). Davon kann das Bundesheer „gerade einmal ein halbes schützen“, so Starlinger.
Oder man stelle sich ein längeres Blackout vor: Bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit wäre die Polizei heillos überfordert, das Bundesheer müsste zu Hilfe gerufen werden. Und auch traditionelle militärische Bedrohungen dürfen nicht ganz aus den Augen verloren werden. Die sind im Moment zwar eher unwahrscheinlich, doch das kann sich auch rasch ändern.
Wobei das Bundesheer im militärischen Kernbereich in den vergangenen Jahren ohnehin schon an den Rand der Handlungsunfähigkeit heruntergespart wurde. Die Luftraumüberwachung beispielsweise findet nur rudimentär statt. Die Landstreitkräfte sind durch einen Mangel an Fahrzeugen – gepanzerten wie ungepanzerten – in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt. Und die Panzertruppe, die immer wieder als Einsparungsmöglichkeit genannt wird? Die ist jetzt schon auf ein Minimum zusammengeschrumpft.
Im Regierungsprogramm steht ein Schlüsselsatz zum Bundesheer: Die „Eintrittswahrscheinlichkeit von Bedrohungsszenarien“ solle berücksichtigt werden. Was das genau heißt, wurde bisher nicht dazugesagt, aber man kann es erahnen:
Das Bundesheer geht in Richtung eines „Technischen Hilfswerks“, das bei Naturkatastrophen zum Einsatz kommt. Dazu kommt der Einsatz gegen moderne Bedrohungen wie Cyberangriffe und Drohnen. In diesen Bereichen wird auch jetzt noch investiert. Und der Rest? Kommt in der Prioritätenreihung weit hinten. Man darf beispielsweise gespannt sein, ob die Regierung tatsächlich bereit ist, neue Flugzeuge anzuschaffen.
Das Motto lautet offenkundig: Wird schon nichts passieren. Ist ja in den vergangenen Jahrzehnten auch nichts passiert. Aber das ist kurzsichtig.
Datum: 08.03.2020
Quelle:
https://www.diepresse.com/5781435/das-m ... -passieren